Marina Zwetajewa

"Lichtregen"

Ausgewählte Werke, Band 2: Essays und Erinnerungen
Cover: "Lichtregen"
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783518429327
Gebunden, 928 Seiten, 44,00 EUR

Klappentext

Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Ilma Rakusa. Aus dem Russischen übersetzt von Nicola Denis, Elke Erb, Rolf-Dietrich Keil, Hans Loose, Olga Radetzkaja, Ilma Rakusa und Ilse Tschörtner. Marina Zwetajewa, neben Anna Achmatowa die wichtigste russische Dichterin der Moderne, lässt sich in "Lichtregen", dem zweiten Band der auf vier Bände angelegten Werkausgabe, nicht nur als radikale Sprachkünstlerin, sondern auch als scharfsinnige und leidenschaftliche Essayistin erfahren: Die erste Abteilung, "Erinnerungen an Zeitgenossen", versammelt Porträts verstorbener Dichterkollegen und Freunde, darunter Ikonen des Silbernen Zeitalters wie Walerij Brjussow und Konstantin Balmont, aber auch Ossip Mandelstam, Boris Pasternak, Rainer Maria Rilke und die avantgardistische Malerin Natalja Gontscharowa.
Zwetajewa durchstreift Korrespondenzen und Gedichte, erzählerische Passagen und luzide Beobachtungen folgen auf prägnant protokollierte Gespräche. Dem Skandalon des Todes setzt sie - empfindsam, frei, schöpferisch - "Lebendes über Lebende" entgegen. Die zweite Abteilung, "Essays", bündelt eine Auswahl von Zwetajewas poetologischen Texten, denen sie sich in den Jahren von 1928 bis 1938 zuwandte. Darin schreibt sie über die Rolle des Kritikers oder die Übersetzung von Goethes "Erlkönig" ins Russische, sondiert das Terrain poetischer Schöpfung und - in "Mein weiblicher Bruder", einem Text, den sie auf Französisch verfasste - jenes der gleichgeschlechtlichen Liebe. Ihre Erinnerungen an Zeitgenossen und Essays waren für Zwetajewa zugleich auch immer "Anlass zu sich selbst". "Lichtregen" erlaubt die Auseinandersetzung mit einer weiteren Facette des Werkes von Marina Zwetajewa, das von radikaler Hingabe und Ausgesetztheit zeugt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 18.03.2021

Rezensent Hanns Zischler ist tief bewegt von den Essays, Briefen und Erinnerungen Marina Zwetajewas, die hier versammelt sind. Das Feuer, mit dem sie sich anderen näherte, die kindliche Begeisterung ebenso wie die "atemberaubende Dichte" und Musikalität ihrer Korrespondenzen lassen vor ihm längst vergessene Dichter wiederauferstehen. Dazu passt ihr Gefühl für den "Zauber" einer Gestalt, die historisch verabscheuungswürdig sein mag, als Märchenfigur jedoch unwiderstehlich. Da ist sie Puschkin sehr ähnlich, meint Zischler. Das ausführliche Nachwort Ilma Rakusas hilft bei der Einordnung der Geschehnisse, lobt er. Und auch die Übersetzungen würden der "Polyfonie dieser Autorin" gerecht. Unbedingt eine Empfehlung.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.02.2021

Rezensent Helmut Böttiger spürt die Ungestümheit der Marina Zwetajewa in jeder Zeile der hier versammelten Essays und Porträts. Die Hingabe und mitunter scharfe Pointiertheit, mit der sie über Mandelstam, Pasternak, Walerij Brjussow, Kusmin schreibt, fasziniert Böttiger. Zwetajewas Denken und Schreiben zeigt sich hier sprunghaft, widerspüchlich, aber immer unwiderstehlich, findet er. Wenn die Autorin den Zauber der Dichtung beschwört, ist Böttiger ganz bei ihr, und wenn sie ihr eine moralische Funktion abspricht, erkennt er die Aktualität dieses Denkens.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.01.2021

Rezensent Jörg Plath fallen sofort die vielen Gedankenstriche und Ausrufezeichen auf in den von Ilma Rakusa herausgegebenen Essays der russischen Dichterin Marina Zwetajewa über Kollegen, Dichtung, Sprache und Zeitgeschichte. Für Plath sind sie symptomatisch für die Dichterin, sorgen für Erregung, sind typisch für die Intensität ihrer Beziehungen zu Mandelstam, Belyi oder zur Gontscharowa, von denen die Autorin in Nachrufen berichtet. Diese Intensität lässt die Toten auferstehen, staunt Plath. Dass sich die Autorin stets offen und energetisch ihrem Sujet zuwendet, macht die Lektüre so lebendig, findet der Rezensent. Nachwort und Anmerkungen der Edition informieren Plath über Zwetajewas Lebens- und Schaffensumstände.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 20.11.2020

Es ist ein heute sehr fremde, entrückte Welt, in die man mit Marina Zwetajewas Essays und Erinnerungen eintaucht, warnt Rezensent Helmut Böttiger. Nicht nur die Zeit - vor und nach der Oktoberrevolution - mit ihren unfassbaren Grausamkeiten ist uns fremd, erklärt er, sondern auch die emotionsgeladene Überzeugung vom besonderen Stellenwert der Kunst, die Zwetajewa gegen alle Anforderungen von außen - moralische Kriterien etwa - verteidigt. Ihr Pathos erscheint einem heute fremd, so Böttiger, der sie dennoch unwiderstehlich findet und zitiert: "Das Wesentliche lässt sich allein durch das Wesentliche erschließen."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.11.2020

Rezensentin Christiane Pöhlmann tauscht den zweiten Band der Gesammelten Werke von Marina Zwetajewa mit Essays und autobiografischen Texten lieber ein gegen die Gedichte der Autorin. Die Porträts zu Kollegen wie Mandelstam und Puschkin und Zwetajewas literaturtheoretische Schriften bestechen laut Pöhlmann zwar durch assoziative Kraft, die Lust auf die Entdeckung der porträtierten Autoren und Autorinnen aber vermag Zwetajewa bei der Rezensentin nicht zu wecken. Im Gegenteil: Wenn Zwetajewa über Rilke oder Brjussow schreibt, stößt Pöhlmann vor allem auf Mystifikation und harsche, kaum nachvollziehbare Urteile. Das ist alles andere als die Essenz des Essays, wie Montaigne ihn sich vorstellte, findet sie.
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