Uffa Jensen

Ein antisemitischer Doppelmord

Die vergessene Geschichte des Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik
Cover: Ein antisemitischer Doppelmord
Suhrkamp Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783518430026
Gebunden, 317 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

"Letztlich war auch die NSU-Mordserie 20 Jahre später nur möglich, weil man sich schon 1980 geweigert hatte, aus dem rechten Terror Schlussfolgerungen zu ziehen." Am 19. Dezember 1980 wurden Shlomo Lewin, der ehemalige Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Nürnberg, und seine Lebensgefährtin Frida Poeschke in ihrem Haus in Erlangen erschossen. Statt den Spuren nachzugehen, die zur rechtsextremistischen "Wehrsportgruppe Hoffmann" führten, konzentrierten sich die Ermittler lange auf das Umfeld Lewins. Die genauen Umstände der Bluttat blieben ungeklärt. Kaum ein zeitgeschichtlich bedeutendes Ereignis wurde so aggressiv vergessen wie dieser antisemitische Doppelmord.Uffa Jensen rekonstruiert die Tat und ihre Hintergründe. Er folgt den Verbindungen zur PLO, in deren Lager die Wehrsportgruppe ausgebildet wurde, beleuchtet die Rolle von deren Gründer, Karl-Heinz Hoffmann, und stellt das Attentat in Bezug zu den weiteren Anschlägen des Jahres 1980, in dem in der Bundesrepublik mehr Menschen durch (rechten) Terror ums Leben kamen als in jedem anderen Jahr. Dabei macht Jensen die Muster im Umgang mit Rechtsterrorismus sichtbar, die sich künftig mehrfach wiederholen sollten - eine bis heute anhaltende Geschichte aus Gewalt, Verharmlosung und Verdrängung.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.12.2022

Für Rezensent Patrick Bahners geht Uffa Jensens Enthüllungsvorhaben nicht auf. In seinem Buch möchte der Historiker nach eigener Angabe die Geschichte des antisemitischen Doppelmordes an Shlomo Lewin, dem einstigen Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg, und seiner Frau 1980 als "Mentalitätsgeschichte" der BRD um 1980 erzählen und dabei zeigen, wie der Freisprache Karl-Heinz-Hoffmanns eine Kultur des Wegschauens vom Rechtsterrorismus zugrunde lag. Das überzeugt den Kritiker aber aus mehreren Gründen nicht. So sei etwa die Vernachlässigung der antisemitischen Motivation, die Jensen der Staatsanwaltschaft vorwerfe, aus der Quellenlage gar nicht stichhaltig abzuleiten, meint Bahners. Auch die antisemitischen Vorurteile der Tagespresse gegenüber Shlomo Lewin auf die Ermittlungen zu übertragen, hält der Kritiker für falsch. Und schließlich verfährt Jensen für Bahners generell zu nachlässig: aus Quellen werde nur spärlich zitiert, Interviews mit überlebenden Beteiligten gibt es nicht, und einzelne Themenabschnitte fallen deutlich zu oberflächlich aus, moniert Bahners. So handelt es sich für ihn bestenfalls um eine "historische Einordnung mit starken spekulativen Anteilen".
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.10.2022

Rezensent Ronen Steinke empfiehlt Uffa Jensens Darstellung des Doppelmordes an Shlomo Lewin und Frida Poeschke 1980 in Erlangen durch ein Mitglied der "Wehrsportgruppe Hoffmann". Zwar ist der antisemitische Mordfall bekannt und auch die Verfehlungen der Justiz, die den Täter in der jüdischen Gemeinde suchte, meint Steinke, doch Jensen liefert den Kontext in Sachen Geschichte des deutschen Rechtsterrors. Fragwürdig erscheint Steinke allerdings, dass der Autor sich weitgehend mit Kritik zurückhält. Bei einem Fall wie diesem hätte er sich mehr Urteilsfreude gewünscht.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.10.2022

Rezensent Pitt von Bebenburg scheint wertvoll zu finden, dass Uffa Jensen in seinem Buch die zu sehr in Vergessenheit geratene Geschichte rechten Terrors in der Bundesrepublik beleuchtet und dabei Versäumnisse in der Aufarbeitung aufdeckt. Dies tue der Historiker und stellvertretender Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin am Beispiel eines Doppelmordes im Jahre 1980, das für den Autor in Bezug auf Rechtsterrorismus das wichtigste ist, so Bebenburg. Ermordet wurden hier der ehemalige jüdische Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Nürnbergs und seine nicht-jüdische Frau. Wie im anschließenden, schwerfälligen "Mammutprozess" erstens die antisemitische Motivation, sowie zweitens die Tatsache übergangen wurde, dass der Täter Uwe Behrendt eindeutig Unterstützung von der Wehrsportgruppe Hoffmann und ihrem Gründer Karl-Heinz Hoffmann erhalten hatte, arbeite Jensen deutlich heraus, vermittelt der Kritiker. Auch auf andere Versäumnisse der Ermittlungen, auch in der Neubearbeitung des Falls 2012, weise der Autor hin und werfe so die Frage nach strukturellem Antisemitismus auf, meint von Bebenburg.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 01.10.2022

Rezensent Till Schmidt lernt Wertvolles aus Uffa Jensens Studie über einen 1980 von der "Wehrsportgruppe Hoffmann" verübten und weitgehend in Vergessenheit geratenen Doppelmord an dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Nürnberg Shlomo Lewin und seiner Frau. So gehe aus der "akribischen" Rekonstruktion des Historikers etwa hervor, wie erschreckend wenig der Mord als antisemitisch motiviert behandelt wurde; sowohl von der Justiz als auch von den Medien. Auch die rechtsradikale WSG selbst sei lange unterschätzt und etwa von Franz-Josef Strauss als "Spinner" abgetan worden, liest Schmidt - gegen diese bis heute wirkende Verdrängung von Rechtsradikalismus in der BRD anzuschreiben, schätzt er als politisches Anliegen des Autors. Auch Jensens Kritik an der Engführung des Falls hin auf eine Einzeltat, die unabhängig von der Gruppe und ihrem Anführer Karl-Heinz Hoffmann behandelt wurde, lobt der Rezensent - die stellenweise sehr umfangreichen Einordnungen in die gesamte rechtsextreme Szene der BRD hingegen holen ihm manchmal allzu weit aus.