Efeu - Die Kulturrundschau

Divers kuratiert

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18.10.2023. Die Frankfurter Buchmesse hat eröffnet: Israel sollte eigentlich Ehrengastland werden, findet die FAZ. Slavoj Zizek hingegen wirbt in seiner Eröffnungsrede um Verständnis für die Palästinenser. Auch die Debatte um Meinungsfreiheit zündet weiter: Im Fall der verschobenen Preisverleihung für die Autorin Adiana Shibli sieht Ilija Trojanow in der taz tribale Selbstgerechtigkeit am Werk. Die Welt wiederum fragt, wie divers der Literarische Herbst in Leipzig ist, wenn Alice Schwarzer wie gefordert ausgeladen wird. Die FAZ begeistert sich für rotierende Totenschädel in einer Londoner Frans-Hals-Ausstellung. Die NZZ begutachtet nigerianische Architektur auf dem Wasser.
9punkt - Die Debattenrundschau vom 18.10.2023 finden Sie hier

Literatur

Heute öffnet die Frankfurter Buchmesse für die Öffentlichkeit ihre Tore. Die Veranstaltung muss sich auch in diesem Jahr wieder zu großen, politischen Krisen verhalten: Früher waren es rechte Verlage, dann die Pandemie, schließlich der Krieg in der Ukraine und jetzt die Eskalation im Nahen Osten, schreibt Andreas Platthaus in der FAZ. Diese verurteilt die Buchmesse in einer Pressemitteillung "aufs Schärfste", weshalb man israelische Autoren nun "besonders sichtbar" machen wolle. "Das Schärfste ist hier zugleich das Hilfloseste", kommentiert Platthaus. "So wichtig Bücher sind, um überhaupt eine Grundlage für unser Weltverständnis zu schaffen, so wenig werden sich die politischen Verbrecher in Moskau und Gaza daran stören, was eine deutsche Buchmesse verlautbart. Dagegen haben einige arabische Branchenvertreter ihre Teilnahme deshalb abgesagt. Und darf man überhaupt hoffen, dass israelische Autoren anreisen werden, um in Deutschland 'besonders sichtbar' zu werden, während ihre Heimat in existenzieller Not ist? Wenn wir bloße Gesten brauchten, dann wäre eine spontane Ausrufung Israels als Ehrengastland eine mit Außenwirkung gewesen."

Der noblen Absicht der Buchmesse hat freilich Slavoj Zizek mit seiner Eröffnungsrede einen Bärendienst erwiesen: Neben einer Verurteilung der Hamas warb er auch für Verständnis für die palästinensische Seite und rief damit im Saal viel Murren und Gegenwind hervor, meldet Florian Leclerc in der FR. Einige verließen den Saal. Der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker widersprach Zizek erst aus dem Saal, schließlich betrat er die Bühne und bot dem Philosophen die Stirn. Hier ist der Vortrag ab etwa 1:34 zu sehen.

Die Debatte um Adania Shibli in den letzten Tagen ist für den Schriftsteller Ilija Trojanow im taz-Kommentar "ein Skandal im provinziellen Wasserglas", der zeige, "wie konjunkturabhängig die Verteidigung des freien Wortes ist. Solch engstirnige Aufregung sollte mit Missachtung gestraft werden, würde sie nicht exemplarisch aufzeigen, wie sehr der Diskurs in diesen Breiten um eigene Befindlichkeiten, um eitle Positionierung und tribale Selbstgerechtigkeit kreist. ... Anstatt nun zu diskutieren, wie wir die Gewaltspirale im Nahen Osten mithilfe literarischer Werke profunder verstehen können, hat dieser Preis eine Rhetorik der Hysterie provoziert. Lauter Diffamierungen, die mit dem Roman kaum etwas zu tun haben und der Autorin absichtlich Unrecht tun, denn wie der Berenberg Verlag klarstellt, verteidigt sie entschieden die Autonomie ihrer Literatur, indem sie Einladungen von aktivistischen Gruppen grundsätzlich ablehnt. Wer diesem Roman Antisemitismus oder gar Menschenverachtung vorwirft, der projiziert seine eigenen Vorurteile auf das Werk."

Eine Gruppe von Autoren, die meisten davon Frauen, protestiert gegen einen Auftritt von Alice Schwarzer beim Literarischen Herbst in Leipzig. Sie begründen dies mit Schwarzers umstrittenen Aussagen zum Thema Transidentität und fordern ein diverseres Programm, meldet Felix Stephan in der SZ. Unter "divers" versteht der Protest "offenkundig nicht unterschiedliche Vielfalt, sondern eine klar positionierte Haltung zugunsten gesellschaftlicher Minderheiten", kommentiert Andreas Platthaus in der FAZ: "Es ist bedenklich, wenn Vertreter von Diversität (hier im modischen Verständnis) der ihnen nicht genehmen Seite das Recht auf Meinungsäußerung streitig machen. ... In einer Zeit, in der gesellschaftliche Bindungskräfte erodieren, wird von sich als emanzipativ gerierender Seite ein Diskursausschluss propagiert. Da er unterblieb, zog man sich selbst aus dem 'divers kuratierten' Veranstaltungsreigen zurück: Diverse (im klassischen wie modischen Sinne) Veranstaltungen finden nun nicht mehr im Rahmen des Literarischen Herbstes statt. Dass der weiterhin am Schwarzer-Abend festhält, ist erfreulich. Gerade weil dann missliebige Thesen diskutiert werden können. Und wer weiß: womöglich widerlegt."

Nicht zu Schwarzer, aber zum Stand der Debattenkultur in Deutschland schreibt Hasnain Kazim in der SZ: "Man fürchtet also Widerworte. Jede Äußerung, die irgendwie nicht passt. Es schadet aber der Demokratie, wenn man bei jedem schrägen Ton gleich traumatisiert zurückzubleiben meint. Wenn jede zweite Ansprache als 'nicht wertschätzend' aufgenommen wird. Linke wollen ihre Safe Spaces unterm blauen Himmel, Rechte sehen bei jedem Widerwort ihre Meinungsfreiheit angegriffen. Nachvollziehbar ist diese Sorge vor den Folgen von Meinungsäußerung selten - aber sie ist es zunehmend dann, wenn die Reaktion auf bürgerliche Widerworte immer nur 'Nazi!', 'Rassist!', 'Faschist!' oder 'Islamhasser!' ist."

Weitere Artikel: Stefan Gmünder spricht für den Standard mit dem Übersetzer Erwin Köstler ausführlich über slowenische Literatur. Ebenfalls für den Standard unterhält sich Michael Wurmitzer mit Tonio Schachinger, dessen "Echtzeitalter" gerade mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde (unser Resümee). Eine große Rolle in dem Buch nimmt das Computerspiel "Age of Empires" ein, über das uns ebenfalls im Standard Stefan May aufklärt. Der Schriftsteller und Satiriker Oliver Maria Schmitt ulkt sich in einem FAZ-Stück durch die prekären Lebensbedingungen im Literaturbetrieb und Animositäten zwischen älteren und jüngeren Schriftstellern. Joachim Käppner erinnert in der SZ an Otfried Preußler, der vor 100 Jahren geboren wurde.

Besprochen werden unter anderem Rachel Yoders "Nightbitch" (taz), Tobias Lehmkuhls "Der doppelte Erich. Kästner im Dritten Reich" (Tsp), Maruša Kreses "Trotz alledem" (Tsp), Vigdis Hjorths "Die Wahrheiten meiner Mutter" (Zeit), Thomas Meyers Biografie über Hannah Arendt (NZZ), Maja Haderlaps "Nachtfrauen" (SZ), Hugo Bolls "Erzählende Prosa" (Welt) und Etty Hillesums "Ich will die Chronistin dieser Zeit werden" mit gesammelten Tagebüchern und Briefen (FAZ).
Archiv: Literatur

Architektur

Lagos Water Communities Project. Nleworks. Photo credit: Ade Adekola, Iwan Baan

Andres Herzog schreibt anlässlich einer Buchveröffentlichung des Architekten Kunlé Adeyemi in der NZZ über die Idee, angesichts steigender Meeresspiegel und vor allem im subsaharischen Afrika steigender Bevölkerungszahlen dem Meer nicht mehr länger bloß bewohnbares Land per Deichbau abzutrotzen - sondern gleich auf dem Wasser zu bauen. Adeyemi selbst baute 2013 "in der Lagune von Lagos eine schwimmende Schule, die aus dreieckigen Holzelementen aufgebaut war. Das Gebäude dockte im Stadtteil Makoko an, wo 100 000 Personen in informellen Pfahlbauten über dem Wasser wohnen. Die Bauteile für das 'Makoko Floating System' wurden lokal vorgefertigt und vor Ort zusammengebaut. Adeyemi realisierte Versionen davon in Belgien, China, Kap Verde und an der Architekturbiennale 2016 in Venedig." Das Gebäude war damals noch nicht ausgereift, es kollabierte nach heftigen Regenfällen, dennoch sind die Hoffnungen auf einen neuen architektonischen Umgang mit Wasser groß: "Laut dem Programm UN-Habitat könnten schwimmende Städte die weltweite Wohnungsnot lindern. Forbes sieht darin gar 'den nächsten großen Immobilienboom'."

In der taz freut sich Bettina Maria Brosowsky, dass die Ausstellung "Nicht Neues - Besser Bauen mit Bestand" im temporären Ausstellungsort aufhof in Hannover nicht Neubauten (und implizit den Abriss älterer Gebäude), sondern Bestanderhaltung in den Fokus rückt. Nach wie vor setzt die Politik vor allem auf umweltpolitisch problematische Neubauprojekte. Doch es gibt Hoffnung: "Die Ausstellung in Hannover wirft auch einen Blick auf komplexe Prozesse wie das 'Erneuern' in Dorf und Stadt. Beispiel hierfür: das Gängeviertel in Hamburg, 2009 durch die 'kulturelle Inbesitznahme' vor Verfall und Abriss gerettet. Mittlerweile ist der Weiterbestand durch eine Genossenschaft gewährleistet, ausgestattet mit einem 75-jährigen Erbbauvertrag, bis 2027 soll sukzessive saniert werden. Das Viertel bleibt ein Stück selbstverwalteter Stadt - ohne Gentrifizierung oder sonstige ökonomische wie soziale Verdrängung, die häufig auf Sanierungs- und Aufwertungsmaßnahmen folgt."
Archiv: Architektur

Bühne

Szene aus "Arturo Ui" am Schauspiel Leipzig. Foto: Rolf Arnold


"Zumindest nicht ungerecht" wird Regisseur Nurad David Calis am Schauspiel Leipzig Bertolt Brechts "Arturo Ui", meint Andreas Platthaus in der FAZ. Richtig glücklich wird er mit der Inszenierung zu der im Exil verfassten Parabel auf Hitlers Aufstieg zur Macht jedoch nicht. Zwar ist sie weitgehend texttreu, sie ergeht sich allerdings bisweilen in allzu burleskem "Comedian-Humor", kritisiert Platthaus. Außerdem wird "Homoerotik auf eine Weise inszeniert wird, die man als Erbteil einer anderen Epoche abgetan dachte - böse könnte man mit Brecht sagen, dass auch bezüglich dieser Klischees der Schoß noch fruchtbar ist. Was der durch die Besetzungsliste suggerierten Diversität - nicht nur Ui wird von einer Frau auch gespielt, auch dessen Gefolgsmann Emanuele Giri (Annett Sawallisch), die unglücklichen Bowl und Hook (jeweils Aicha-Maria Bracht) und eben einer der Trustees (Schergaut) - wieder den Zahn zieht. Zumal all diese Travestie inhaltlich folgenlos bleibt. Das muss nicht Calis' Fehler sein; mit den Brecht-Erben ist als Rechtegebern bekanntlich nicht ganz leicht regietheatern."

Besprochen werden außerdem Aufführungen der Puccini-Oper "Il Trittico" an der Deutschen Oper Berlin und der Staatsoper Wien (Welt) sowie die Uraufführung von Alberto Franchettis musikalischer Komödie "Don Buonaparte" aus dem Jahre 1939 am Eduard-von-Winterstein-Theater in Annaberg-Buchholz  (nmz).
Archiv: Bühne

Kunst

Frans Hals, 'Young Man holding a Skull (Vanitas)', 1626-8 © The National Gallery, London

Begeistert durchstreift Stefan Trinks für die FAZ eine dem Porträtmaler Frans Hals gewidmete Ausstellung in der Londoner National Gallery. An den Bilder des "größten und wildesten Porträtmalers" kann er sich nicht satt sehen. Vor allem ein Paar, bei dem der Mann einen Totenschädel in der Hand hält, hat es ihm angetan: "Auf den ersten Blick wirkt das Paar harmlos, stilistisch könnte es auch von anderen Künstlern stammen; selbst der Schädel ist ein gängiges Motiv der Vanitas im Barock und erinnert zusammen mit der Aufschrift auf dem Bild, der Dargestellte sei 60 Jahre alt, während sie erst 32 ist, an Sterblichkeit und Vergänglichkeit allen Irdischen. Dann allerdings blickt man noch einmal auf den Schädel und bemerkt, wie er gleich der Kernszene in Shakespeares Hamlet leicht in der Hand des Mannes rotiert, um uns zu fixieren. Auch das von schräg oben auf seine Hand fallende Licht lässt die Finger glänzen, wobei zwei der Weißhöhungen schon nonchalant als Striche hingehauen sind wie die Karussell fahrenden Rüschen des aus dem Ärmel quellenden Hemds. So furios malt nicht einmal Rembrandt (...)."

Der Goslaer Kaiserring, eine der wichtigsten Preise im Bereich der zeitgenössischen Kunst, geht, wie Dorothea Zwirner in der FAZ berichtet, dieses Jahr an zwei Russen - die beide seit langem in Deutschland leben. Yuri Albert und Vadim Zakharov haben eine gemeinsame Vergangenheit an der Moskauer Kunsthochschule und hatten schon in der Sowjetzeit außerhalb des offiziellen Kunstbetrieb eine eigene künstlerische Praxis etabliert. Eine mit dem Preis verbundene Doppelschau im Goslaer Mönchehaus Museum zeigt jedoch auch die Unterschiede zwischen den beiden. Zhakarov hat sich zum Archivisten seiner selbst wie auch seiner Kollegen entwickelt: "Unter seiner Regie ließ sich 'Die Geschichte der russischen Kunst' (2003) in einer Installation aus fünf begehbaren Aktenordnern zusammenfassen, die genau wie das 'Adorno-Monument' (2003) in Frankfurt und das 'Ideologische Defilee nach Me-Ti, Buch der Wendungen von Bertolt Brecht' (2013) seine bühnenhafte Inszenierungskunst zeigen." Albert hingegen arbeitet spielerisch und selbstreflexiv: "Im ständigen Zwiespalt zwischen 'echter' und moderner Kunst hat er mit seiner 'Elitär-demokratischen Kunst' ein paradoxes Programm entwickelt, in dem er das Problem des Nichtverstehens zeitgenössischer Kunst mit vergleichbaren Spezialschriften wie der Brailleschrift, dem Flaggenalphabet und der Stenographie vor Augen führt. In seiner 'Moskauer Abstimmung' (2009) können die Besucher selbst votieren, ob sie das, was sie gerade sehen, wirklich für Kunst halten."

Weitere Artikel: Der niederländische Kunstdetektiv Arthur Brand hat nach einem Van-Gogh-Gemälde sechs weitere gestohlene Kunstwerke ausfindig gemacht, meldet die FR. Im Standard schreibt Katharina Rustler über den Trend zu Themenausstellungen.

Besprochen werden die Schau "Cindy Sherman - Anti Fashion" in den Hamburger Deichtorhallen (taz) und die Ausstellung "Velvet Terrorism - Pussy Riot's Russia" im Louisiana Museum, Dänermark (monopol).
Archiv: Kunst

Film

Wer erzählt hier über wen was? "Killers of the Flower Moon"

Diese Woche startet Martin Scorseses neues Epos in den Kinos: "Killers of the Flower Moon" mit annähernd vier Stunden Spielzeit, drunter macht's der Meister nicht mehr. Beim Filmfestival in Cannes wurde der Film über eine Mordserie an amerikanischen Ureinwohnern in den 1920er-Jahren sehr gefeiert (unser Resümee). Die ersten Feuilletonkritiken zum Kinostart fallen gemischt aus. Tazlerin Arabella Wintermayr muss sich zweimal wundern: Erstmals begibt sich Scorsese auf filmisches Terrain, das man auf den ersten Blick für einen Western halten könnte. Und dann wundert sie sich, aus welcher Perspektive Scorsese den Stoff über Gewalt von Weißen an Nicht-Weißen erzählt: "Scorsese inszeniert den historischen Stoff zunehmend als eine giganteske Gangstergeschichte um Geld, Gier und Gewalt. Und die wird, wie schon in 'GoodFellas', 'Gangs of New York' oder zuletzt 'The Irishman' vor allem aus Sicht derer erzählt, die wahlweise danach trachten, sie in sich tragen oder sie ausüben und in Auftrag geben." Gewalt, schreibt Andreas Kilb in der FAZ, "war immer ein zentrales Element von Scorseses Kino. Aber sie war nie illustrativ, sie gehörte zum Drama, nicht zum Dekor." Hier nun "ist sie es. Man sieht dutzendweise Menschen sterben, aber jeder Tod wirkt wie nachgereicht, eine Fußnote zum Text der Anklage gegen Hale und Konsorten." Doch "jeder große Regisseur scheitert auf seinem Niveau. Deshalb gibt es auch in den dreieinhalb Stunden von 'Killers of the Flower' genügend visuelle Wunder, um diesen Film weit über den Durchschnitt Hollywoods hinauszuheben."

Weitere Artikel: Aurelie von Blazekovic und David Steinitz berichten in der SZ aus Berlin, wo die Constantin den Untersuchungsbericht zu den Dreharbeiten von "Manta, Manta Zwoter Teil" präsentierte, bei denen sich Til Schweiger angeblich und wohl auch tatsächlich rabiat benommen hat. Christiane Peitz (Tsp) und Michael Hanfeld (FAZ) fassen das "gemischte" Ergebnis zusammen - einige bestätigten die Vorwürfe, andere machten andere Erfahrungen, die Constantin reagiert auf jeden Fall mit einem Maßnahmenkatalog, um Entgleisungen am Set künftig zu verhindern. Besprochen wird Bjarne Mädels neuer TV-Krimi "Sörensen fängt Feuer" (FR).
Archiv: Film
Stichwörter: Scorsese, Martin

Musik

Man sieht ja die Klassik vor lauter Mahler nicht mehr, seufzt Clemens Haustein in der FAZ: Alle spielen nur Mahler, Mahler, Mahler - und das vor vollen Sälen. Und zwar, "weil es so schön laut ist. Wer einmal in der Berliner Philharmonie erlebt hat, wie die Aufführung einer Mahler-Symphonie vom Publikum abgefeiert wird, kommt ins Nachdenken. Um eine vermeintliche Aktualität von Mahlers Katastrophen- und Weltschmerzmusik scheint es da weniger zu gehen als um das Lustgefühl, das die Klangpotenz eines Riesenorchesters beim Hörer erzeugt hat. ... Die eklatante Häufung von Mahler-Aufführungen geht derweil einher mit dem völligen Fehlen einer kritischen Auseinandersetzung. Die Werke Mahlers werden als Evangelium der Orchestermusik genommen, erschaffen von einem nahezu Heiligen. Die Egomanie in Mahlers Musik (Glenn Gould sprach provokant vom 'Monster' Mahler), der kindliche oder auch kindische Allmachtstraum (Mahler wollte 'mit den Mitteln der Musik eine Welt erschaffen'), sein Zwang, die Formen zu überspannen - überhaupt die heute völlig unzeitgemäße Ökonomie seiner Riesenwerke: All das wird nicht beleuchtet."

Außerdem: Max Dax hat sich für die FR mit der Band F.S.K. zum Gespräch getroffen. Das neue Drake-Album kommt selbst bei seinen Fürsprechern nicht gut an, bemerkt Karl Fluch im Standard. Besprochen werden ein Konzert von Diana Ross in Amsterdam (taz), das neue Album von Troye Sivan (Tsp) und das neue Album der Rolling Stones (Standard, SZ).
Archiv: Musik
Stichwörter: Mahler, Gustav, F.s.k.