Magazinrundschau
Depressive Superhelden
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
01.11.2022. Die Führungslosigkeit der iranischen Protestbewegung ist nicht nur ein Problem, sondern auch eine Chance, beobachtet Azadeh Moaveni in der LRB, die außerdem eine Hommage auf Stuart Hall bringt. Die New York Times blickt auf den Klimawandel und kommt dabei ganz ohne Moralinsäure aus. En attendant Nadeau porträtiert den Diaristen Jura Rjabinkin, der im Alter von 16 Jahren bei der Blockade von Leningrad starb. In Gentlemen's Quarterly hadert Alan Moore mit der Rezeption seiner Comics.
Eurozine (Österreich), 31.10.2022

London Review of Books (UK), 31.10.2022

Jenny Turner bekennt, Stuart Hall lange nicht gewertschätzt zu haben, weil sie ihn zuerst in seiner "Wischiwaschi"-Phase in den neunziger Jahren gelesen hat. Was für ein Fehler! In einer Eloge huldigt sie dem marxistischen Soziologen und Pionier der Cultural Studies, der in Schriften wie "The Great Moving Right Show" oder "Policing the Crisis" so kraftvoll und präzise über die regressive Modernisierung und den autoritären Populismus schreiben konnte. In "Gramsci und Us" liefert er die beste Analyse des Thatcherismus überhaupt, meint Turner, weil er dachte, dass die revolutionäre Arbeit heute eher einem Stellungskrieg oder einem Guerillakampf gleicht als einem Frontalangriff: "Nur dass sich die Gräben immer wieder verschieben und verzweigen, ebenso wie Kräfte und Interessen. Ein Genosse geht vielleicht bei Sainsbury's ein Sandwich essen, und wenn man das nächste Mal von ihm hört, ist er ein Kommentator beim Daily Telegraph. Ein anderer bildet eine Splittergruppe, die Sainsbury's grundsätzlich ablehnt und Sie und Ihre Fraktion dafür anprangert, dass Sie sich ihr nicht anschließen. In der Zwischenzeit ist Ihnen aufgefallen, dass der Parkplatz von Sainsbury's einer der wenigen Orte ist, an denen die Menschen noch offline miteinander reden ... 'Wenn man davon ausgeht, dass Menschen wirklich so sind ... können wir dann Begriffe und Formen der Organisation, der Identität und der Zugehörigkeit finden, die einen Bezug zum populären Leben haben, es aber umgestalten und erneuern können?' Halls Sprache wird oft und schnell furchtbar technisch, aber sie dient ihrem Zweck: die beweglichen Teile dessen zu identifizieren, zu demontieren und neu zu konfigurieren, was Hall als 'Thatcherismus' bezeichnete, eine sehr präzise und besondere Formation, die irgendwie den rückwärtsgewandten sozialen Autoritarismus - Fahnen, Schlagstöcke, Handtaschen, Krämerläden - und den totgeglaubten Marktliberalismus von Hayek und Friedman auf eine Weise zusammenbrachte, die vielen Menschen so gut zu gefallen schien, dass sie bereit waren, dafür zu stimmen."
Tablet (USA), 20.10.2022

Gentlemen's Quarterly (USA), 18.10.2022

Weitere: Christian Bale denkt im großen Gespräch über sich, sein Leben und Hollywood nach. Außerdem plaudert Daniel Radcliffe, den man als "Harry Potter" kennt, über seinen neuen Film, in dem er keinen geringeren als Weird Al Yankovic spielt.
Elet es Irodalom (Ungarn), 28.10.2022

HVG (Ungarn), 27.10.2022

En attendant Nadeau (Frankreich), 28.10.2022

New York Times (USA), 29.10.2022

Die eklatante Ungleichheit in der Bewältigung des Klimawandels, um die es in Artikel Nr. 2 ("Beyond Catastrophe: A New Climate Reality Is Coming Into View") unter anderem geht, verschweigt er dabei nicht: "Wenn es eins gibt, das man wissen muss - ob sich die Welt nun um zwei Grad erwrämt, oder sogar heute schon, wo sie sich um 1,2 Grad erwärmt hat - dann ist es die Tatsache, dass die Erwärmung ungerecht ist. Die Regenfälle, die in diesem Jahr zu den historischen Monsunüberschwemmungen in Pakistan geführt haben, wurden durch den Klimawandel um 50 Prozent verschlimmert, obwohl das Land in seiner gesamten Industriegeschichte nur so viel Kohlenstoff in die Atmosphäre abgegeben hat wie die Vereinigten Staaten jedes Jahr. Und obwohl die Zukunft überall hart sein wird, wird Wohlstand vielerorts eine Anpassung ermöglichen. Hier oder dort könnte das Leben sogar angenehmer werden, da mit dem Ende der fossilen Brennstoffe auch die Millionen von vorzeitigen Todesfällen wegfallen, die jedes Jahr durch deren Verbrennung verursacht werden. Die Städte könnten sich zunehmend vom Auto abwenden und sich für Fahrradfahrern und Grünflächen öffnen." Falls Fahrradfahrer angenehmer sind.
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