Magazinrundschau - Archiv

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38 Presseschau-Absätze - Seite 4 von 4

Magazinrundschau vom 28.03.2017 - Aktualne

Im Video-Interview spricht Daniela Drtinová mit der polnischen Regisseurin Agnieszka Holland über deren Film "Pokot" - in dem die Filmemacherin etwas von Tarantinos "Django" oder "Inglourious Basterds" sieht, nur mit einer älteren weiblichen Heldin als Rächerin - und über das Zeitalter der narzisstischen Männer. Was Kaczynski und Orban als "kulturelle Konterrevolution" bezeichnen, so Holland, soll die Frauen wieder zu Kinder, Küche und Kirche zurücktreiben. Und: "Wenn Politik der Stärke mit Narzissmus zusammenfällt, wird es gefährlich." Ferner gebraucht die Regisseurin ein interessantes Gleichnis: Während Politiker wie Trump, Erdogan, Putin das klassisch männliche Prinzip verkörpern, sei die Europäische Union mit ihrem Prinzip der Kooperation und Toleranz "gendermäßig eine Frau". Bleibt die spannende Frage, wie dieser Geschlechterkonflikt ausgeht.

Magazinrundschau vom 21.03.2017 - Aktualne


Ai Weiwei, Law of the Journey, Installationsansicht. Bild courtesy Nationalgalerie Prag

Als Teil der Ausstellung "Law of the Journey" hat der chinesische Künstler Ai Weiwei im Prager Messepalast Veletržní palác ein 17 m langes schwarzes Schlauchboot installiert, das mit über 250 Flüchtlingsfiguren vollgepfercht ist. Martin Fendrych zeigt sich beeindruckt von dem erhöht im Raum schwebenden Boot (unter dem sich der Betrachter wie hilflos im Wasser fühlt) und erinnert daran, dass der funktionalistische Messepalast in den Jahren 1939 bis 1941 von den Nazis als Versammlungsort für Juden diente, die nach Theresienstadt deportiert wurden. "Es ist unmöglich, diesen höllischen Zusammenhang zu ignorieren, wo wir Tschechen uns gerade weigern, auch nur tausend Muslime aufzunehmen." Tatsächlich hat sich Weiwei gezielt Tschechien als Ausstellungsort ausgesucht, wie er im Interview sagt, ein Land, das selbst eine starke Migrationsgeschichte habe und sich in der Flüchtlingspolitik nun unglücklich verhalte. (Das Interview ist auf Englisch geführt und lässt sich am Ende des Artikels aufrufen.) Auf die Frage, wie der Westen auf die chinesische Politik Einfluss nehmen könnte, antwortet Weiwei recht dezidiert, der Westen solle sich nicht in China einmischen, sondern sich um seine "sogenannten westlichen Werte" und die Menschenrechte kümmern, die in vielen westlichen Ländern nicht konsequent eingehalten würden.

Magazinrundschau vom 24.01.2017 - Aktualne

Eigentlich sollte die tschechische Schriftstellerin Radka Denemarková im Februar auf einer Holocaust-Gedenkveranstaltung in Peking vortragen, die von der deutschen und der tschechischen Botschaft organisiert wird, doch dann wurde sie überraschend wieder ausgeladen - ihrer Ansicht nach auf Betreiben der deutschen Botschaft, da Denemarková nämlich die unterwürfige Haltung ihrer Regierung gegenüber China kritisiert hatte. Im tschechischen Außenministerium heißt es, man hätte einen geeigneteren Kandidaten gefunden, den deutschen Autor jüdischen Ursprungs Peter Finkelgruen, doch "laut Informationen aus diplomatischen Kreisen", so Aktualně, habe sich "die deutsche Seite gegen einen Auftritt Denemarkovás ausgesprochen. Das bestätigt die Korrespondenz zwischen deutschen und tschechischen Vertretern beider Botschaften, die der Redaktion vorliegt. Die Deutschen schreiben darin zunächst, die tschechische Schriftstellerin schreibe interessant und sei sicher für die geplante Veranstaltung geeignet. Anschließend fügen sie jedoch hinzu, dass Denemarková zusammen mit vielen anderen tschechischen Künstlern ein Dokument unterzeichnet habe, 'das mit China zu tun hat' und über das man bis zum Jahresende mehr zu erfahren versuche." Denemarková, die auch offen chinesische Dissidenten unterstützt, hatte in Tschechien einen Petition gegen die sogenannte "Erklärung der vier" unterzeichnet, in der im vergangenen Oktober die vier höchstrangigen Vertreter des Staates die guten Beziehungen zwischen Tschechien und China beschworen und sich vom Treffen einiger Politiker mit dem Dalai Lama distanzierten. Die Sinologin Kateřina Procházková vermutet, dass die chinesische Botschaft in Prag den Deutschen deswegen einen Hinweis gegeben habe.

Magazinrundschau vom 05.07.2016 - Aktualne

Auf dem Karlsbader Filmfestival lief soeben die Weltpremiere von "Anthropoid" des britischen Regisseurs Sean Ellis. Dieser Film hätte das Potential gehabt, das tschechische Attentat auf den Reichsprotektor Reinhard Heydrich in der Welt bekannter zu machen, meint Rezensent Martin Svoboda, "doch der Film ist auf unfassbare Weise misslungen". Ein maßgeblicher Fehler sei es, Heydrich im Film "zu früh umzubringen - dramaturgisch ist das Selbstmord. So muss innerhalb einer Stunde die ganze Handlung abgeschnurrt werden, der ganze (für Nichttschechen unbekannte) Konflikt erläutert werden. Keine der Figuren hat genügend Raum, alles findet unter riesigem Zeitdruck statt, keine einzige menschliche Emotion wird glaubhaft. Die Stimmungen wechseln mit einem Fingerschnippen." Auch nicht in den Kopf will Martin Svoboda, warum die britischen Darsteller (Cillian Murphy und Jamie Dornan), die die tschechischen Attentäter spielen, in der englischen Filmfassung gebrochenes Englisch mit pseudotschechischem Akzent sprechen. "Zusammen mit dem nichtssagenden Setting entsteht dadurch der seltsame Eindruck, dass sich hier irgendwelche Fremden von irgendwo weit her an einem undefinierbaren Ort treffen und aus irgendeinem Grund einen wichtigen Nazi umbringen wollen …" Als Vergeltungsmaßnahme für das Attentat brachten die Nationalsozialisten damals sämtliche männlichen Einwohner von Lidice und Ležáky um (Frauen und Kinder wurden deportiert) und löschten damit buchstäblich zwei Dörfer aus.

Magazinrundschau vom 07.06.2016 - Aktualne

Mit dem Serien-Familienhaus "Typ V", im Volksmund "Šumperák" genannt (nach der Stadt Šumperk/ Mährisch Schönberg), zog in der Tschechoslowakei auch auf dem Land die Moderne ein. Der Planer Josef Vaněk entwickelte in den Sechzigerjahren den schlüsselfertigen Bau, der sich noch bis in die achtziger Jahre hinein verbreitete. Der tschechische Kunsthistoriker Tomáš Pospěch hat sich auf die Spuren der immerhin über viertausend Exemplare dieses Hauses begeben, das mal mehr, mal weniger von seinen Bewohnern modifiziert wurde: "Ich wollte von den Besitzern wissen, wie ihre persönliche ganz physische Erfahrung mit diesem Gebäude und die teils fünfzig dort verbrachten Jahre waren. Fast alle halten es nach wie vor für etwas Außergewöhnliches und leben gerne darin. Das Haus ist so konzipiert, dass im Erdgeschoss Nutzräume liegen und im oberen Stock die Wohnräume. Aber die Leute sind heute im fortgeschrittenen Alter und meinen zumeist, sie würden sich nie wieder solche Treppen anschaffen. Viele haben sich deshalb die Garage oder die ursprünglich offene Terrasse zum Wohnen umgebaut, und oben wohnen dann ihre Kinder." Auch Pospěch kann dem "Typ V" etwas abgewinnen - solange er seine Reinform bewahrt. "Hat man den richtigen Ort dafür gefunden und sich an den Plan und die Proportionen gehalten, hat das Haus eine gewisse Eleganz und Zierlichkeit. Wenn ich so einen Šumperák von Weitem erblickt habe, war es immer eine Freude, sich ihm zu nähern." (Bild: Sumperak 2013. Foto: Vít Švajcr / Wikipedia)

Magazinrundschau vom 31.05.2016 - Aktualne

Schon zwei Wochen alt, aber deshalb nicht weniger interessant: ein langes Interview von Jiří Leschtina mit dem tschechischen Schriftsteller und früheren Dissidenten Pavel Kohout. Auf die Frage, ob die Tschechen die Demokratie fünfundzwanzig Jahre nach ihrer Rückgewinnung wieder verlieren könnten, antwortet Kohout: "Jederzeit. Ich habe es zweimal erlebt, wie sie gleichsam über Nacht unterging. Die größte Stärke der Demokratie ist zugleich ihre Schwäche: dass sie jedem das Recht zu freiem Tun gibt, was als Erstes ihre Feinde ausnutzen, die mithilfe freier Wahlen an die Macht gelangen können - siehe Hitler. Der Weg aus dem Totalitarismus heraus dauert dann unendlich lange. Deshalb ist unsere Mitgliedschaft in der EU und der NATO essentiell - ja existentiell! (…) Die Europäische Union ist das größte Wunder meines Lebens. Wenn ich einmal weniger euphorisch bin, brauche ich mir nur die Europakarte von 1928 bis 1939 in Erinnerung zu rufen, als die Tschechoslowakei eine Insel der Demokratie und Freiheit inmitten faschistoider Staaten war. Und ich mache mir bewusst, dass das Wunder sich innerhalb eines Menschenlebens ereignet hat. Trotz aller Schwierigkeiten und Mängel der Union, die ich für ihre Kinderkrankheiten und deshalb für heilbar halte, würde ich es als Katastrophe erachten, inmitten bewachter Grenzen der Tschechischen Republik in der Macht der gegenwärtigen Politiker und Oligarchen zu stehen, die mit uns machen würden, was ihnen beliebt. So aber weiß ich, was immer hier einer anstellt, es gibt noch eine weitere Macht über ihm. Und die ist das in Frieden verbundene Europa." - Jiří Leschtina: "Aber die EU könnte zerfallen, und dann sind wir diesen Politikern und Oligarchen ausgeliefert, und nicht nur unseren." - Kohout: "Das ist euer Problem. Wenn unsere Generation irgendetwas Positives mit in die Ewigkeit nimmt, dann gerade, dass sie an diesem großartigen Zusammenschluss aktiv teilgenommen hat. Eure Generation muss der Europäischen Union die endgültige Gestalt geben, ohne dabei das Kind mit dem Bade auszuschütten. Und wenn euch das nicht gelingt, dann gnade euch Gott!"

Magazinrundschau vom 15.03.2016 - Aktualne

Jiří Leschtina unterhält sich mit dem Liedermacher und Vorsitzenden des tschechischen P.E.N.-Clubs Jiří Dědeček über die diversen Einflüsse aus dem Osten, den politischen aus Russland, den wirtschaftlichen aus China. Letzterer lasse sich nicht aufhalten, so Dědeček. "China ist ein dichtbevölkertes Land, und vielleicht wird in hundert Jahren jeder Tscheche ein bisschen chinesisches Blut in den Adern haben. Ich habe keine Angst vor den Rassen, die uns überrollen könnten. Aber ich habe Angst vor diesen Regimes. Bei weitem das gefährlichste ist das von Putin. China hat in dieser Region rein ökonomische Interessen. Putin rasselt mit dem Säbel, weil es seinem Land schlecht geht. Das ist ein in die Ecke gedrängtes Raubtier. Den Chinesen darf man wenigstens ab und zu etwas glauben, Putin kein einziges Wort." Die angespannte Situation zeigt sich offenbar auch unter den Literaten: "Der russische P.E.N.-Club ist stark zerrissen. Eine kleine Gruppe lehnt Putin ab, aber ein viel größerer Teil akzeptiert oder verehrt ihn sogar. Der Vorsitzende Andrej Bitow, der übrigens ein großartiger Schriftsteller ist, schlägt auf den Sitzungen regelmäßig vor, Russisch als weitere Verhandlungssprache einzuführen, da man Russisch doch in allen ehemaligen Ostblockstaaten, einschließlich der ehemaligen DDR spreche. Seiner Meinung nach spielt es keine Rolle, dass das Russische diesen Ländern aufgezwungen wurde. Die britische Kolonialmacht habe die englische Sprache doch auch gewaltsam eingeführt, etwa in Indien." Und die tschechische Politik? Regt das Geklüngel zwischen Babiš und Zeman den Liedermacher Dědeček so wie früher zu Protestsongs an? "Kein bisschen. Während des Kommunismus war das die einzige Möglichkeit, sich auszudrücken. Heute kann ich meine Meinung in diesem Gespräch hier äußern, ich schreibe Zeitungskolumnen, kann dem Präsidenten einen Brief schreiben oder mit einem Transparent zum Parlament ziehen. Mein poetisches Schaffen muss ich damit nicht beschmutzen."

Magazinrundschau vom 16.06.2015 - Aktualne

"Urlaub im Protektorat" (Dovolená v Protektorátu) heißt die tschechische Reality-Show, die im Ausland mehr Gemüter erregt hat als in Tschechien selbst. Helena Zikmundová fasst zusammen: "In der Sendung tritt eine echte Familie auf, die historisch verkleidet, in die Einsamkeit der Beskiden gebracht wurde und dort unter Bedingungen lebt, die der Zeit des "Protektorat Böhmen und Mähren" ähneln sollen. Bewältigen die Laiendarsteller die für sie erdachten Aufgaben, erhalten sie zum Schluss eine Million Kronen. Erinnerungen von Zeitgenossen und die Empfehlungen von Historikern bilden die Grundlage, Authentizität sollen Schauspieler garantieren, welche Dorfbewohner oder deutsche Gestapomänner mimen, die Zuschauer werden durchgehend mit Kommentaren aus dem Off versorgt. Das Problem beginnt jedoch schon beim Übergang vom groben Entwurf zu einem lebensfähigen Konzept; es gibt nämlich keine Möglichkeit, wie die Sendung nicht in ein Fettnäpfchen treten könnte. Entweder bleibt sie der Realität der Protektoratszeit eher fern, und dann macht sie aus der traumatischen Erfahrung von Hunderttausenden nur ein Spiel, oder aber sie kommt ihr nahe, und dann würden wir auf dem Bildschirmen im Grunde Menschenquälerei mitansehen."