Magazinrundschau

Lob der Obszönität

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
24.01.2017. Bloß keine Statistiken, warnt der Guardian. Flüche dagegen funktionieren immer, freut sich die New York Review of Books. Aktualne bringt ein Lehrstück zum offiziellen deutschen Umgang mit diktatorischen Regimen. Außerdem: Camus, BHL, Andrew Sullivan und der Stamm der Nooksack erleuchten uns in Sachen Identitätspolitik.

Guardian (UK), 19.01.2017

Eins der großen Rätsel der heutigen Zeit ist die Vehemenz, mit der so viele Menschen plötzlich Fakten leugnen. Man betrachte nur die Reaktionen auf Statistiken, staunt William Davies, besonders Statistiken zur Einwanderung: "Der Thinktank British Future hat erforscht, wie man am besten Debatten um Einwanderung und Multikulturalismus für die Pro-Seite gewinnt. Dabei lernten sie, dass Menschen oft sehr warmherzig auf qualitative Hinweise reagieren  - Geschichten von individuellen Immigranten etwas oder Fotos von diversen Communities. Aber Statistiken - vor allem solche, die mutmaßliche Vorteile der Immigration für die britische Wirtschaft betreffen - erreichen genau die gegenteilige Reaktion. Die Leute sind überzeugt, dass die Zahlen manipuliert sind und verabscheuen den Elitismus einer Zuflucht zu quantitativen Beweisen. ... Das sind ernsthafte Herausforderungen für die liberale Demokratie. Um es deutlich zu sagen: Die britische Regierung - ihre Bürokraten, Experten, Berater und viele ihrer Politiker - glaubt, dass Immigration im ganzen gesehen gut ist für unsere Wirtschaft. Die britische Regierung glaubt, dass der Brexit eine falsche Entscheidung war. Das Problem ist, dass die Regierung sich jetzt selbst zensieren muss, um die Leute nicht weiter zu provozieren."

Wie dieses Faktenverdrängen funktioniert, beschreibt bei Mother Jones Rick Perlstein anlässlich seiner Diskussion mit einem 21-jährigen Trump-Wähler aus Oklahoma.
Archiv: Guardian

HVG (Ungarn), 11.01.2017

Die aus Siebenbürgen stammende Dichterin und Schriftstellerin Anna T. Szabó (die mit dem ebenfalls aus Siebenbürgen stammenden Schriftsteller György Dragomán verheiratet ist) denkt im Gespräch mit Zsuzsa Mátraházi u.a. über Heimat und Identität nach, nicht ohne auf die gegenwärtigen Entwicklungen Bezug zu nehmen: "Gegenwärtig ist es Mode zu sagen, was die Nation ist und was nach Albert Wass zum Beispiel ungarisch; mir wird allerdings Kosztolányi etwas anderes sagen und auch ihn kann ich nicht ohne Kritik annehmen. Heimat zeigt sich für mich in der Sprache und in der Kultur. Ich habe mein Geburtsland verlassen, doch dessen 'Name und Blume' kenne ich weiterhin. (...) Mein Idealbild ist das mehrsprachige, tolerante, die Religionsfreiheit anerkennende Siebenbürgen. Es ist allerdings immer schwieriger, in der Mitte zu bleiben."
Archiv: HVG

New York Review of Books (USA), 09.02.2017

Das ist mal nützliche Wissenschaft: Benjamin K. Bergen und Michael Adams untersuchen in ihren Büchern "What the F" und "In Praise of Profanity" den Nutzen von Schimpfwörtern und Obszönitäten, freut sich Joan Acocella. Sie lernt zum Beispiel, dass sich das Schockmoment vom Religiösen zum Sexuellen verlagert hat oder dass Menschen selbst dann noch fluchen können, wenn sie alle anderen Sprachfunktionen längst verloren haben. Auch sonst haben Schimpfwörter viele Vorteile: "Zum Beispiel helfen sie uns, Schmerz auszuhalten. In einem vielfach zitierten Experiment, waren die Probanden aufgefordert, eine Hand in eiskaltes Wasser zu tauchen und sie dort zu lassen, solange sie konnten. Einer Hälfte wurde gesagt, sie könnten dabei Schimpfwörter ausstoßen, den anderen wurde gesagt, sie könnten harmlose Wörter wie Holz sagen. Die fluchenden Probanden konnten ihre Hände deutlich länger im Wasser halten als die sittsamen. Damit verbunden ist die schmerzlinderne Funktion des Schimpfens. Wenn einem die Einkäufe in eine Pfütze fallen oder die Finger beim Schließen ins Fenster geraten, dann wird einem 'Gute Güte' nicht viel helfen. Da braucht man 'Scheiße' (Fuck), und zwar, meint Adams, weil es nicht nur eine Emotion ausdrückt, sondern eine philosophische Wahrheit. In seiner Extremheit sagt es, 'dass man das Ende der Sprache erreicht hat und nicht weiter kann. Profanität ist also keine Zeichen von Engstirnigkeit. Sie ist Einspruch gegen die conditio humana'."

Weiteres: Keinerlei Bestand haben in Charlie Savages Augen die wilden Theorien, die Edward Epstein in seinem Buch "How America Lost Its Secrets" über Edward Snowden ausspinnt. Jessica T. Mathews wird ganz anders, wenn sie rekapituliert, wie fahrlässig Donald Trump die Grundsätze amerikanischer Außenpolitik über Bord geworfen hat. James Fenton recherchiert in den Philippinen zu dem gespenstischen Tötungsprogramm, das Präsident Duterte in Manila gegen die Drogenbanden exikutieren lässt.

Quietus (UK), 23.01.2017

Als Blogger hatte er sich seit den frühen Nuller Jahren einen Namen gemacht, doch spätestens mit seinen beiden Büchern "Capitalist Realism" und "Ghosts of My Life" galt der britische Musikjournalist, Kulturwissenschaftler und Gesellschaftskritiker Mark Fisher als neuer Popstar der Popkulturtheorie. Zu seinen wiederkehrenden Themen zählt auch die politische Dimension der Depression. Der eigenen ist er jetzt erlegen: Vor wenigen Tagen hat Fisher Suizid begangen. The Quietus bringt aus diesem Anlass ein bislang unveröffentlichtes Interview, das Tim Burrows mit Fisher und dem Dichter Sam Berkson 2012 geführt hat. Unter anderem geht es dabei auch um die Geschichte der Langeweile. "Ich denke, wir befinden uns in einer neuen Phase menschlichen Daseins", sagt dazu Fisher. "In den 70ern war Langeweile ein großes Problem. Langeweile war eine existenzielle Leere, Langeweile wurde rückprojiziert auf die Unterhaltung und Kultur des Mainstreams. Und sie stellte für uns eine Herausforderung dar: Warum gestatten wir es uns, gelangweilt zu sein? Wenn man bedenkt, dass wir endliche Wesen sind und sterben werden, war es ein moralischer Skandal von irrwitzigen Ausmaßen, dass wir uns überhaupt je langweilten. Heute aber ist Langeweile ein Luxus, der uns abhanden gekommen ist", meint Fisher mit Blick auf die Smartphones.
Archiv: Quietus

Aktualne (Tschechien), 19.01.2017

Eigentlich sollte die tschechische Schriftstellerin Radka Denemarková im Februar auf einer Holocaust-Gedenkveranstaltung in Peking vortragen, die von der deutschen und der tschechischen Botschaft organisiert wird, doch dann wurde sie überraschend wieder ausgeladen - ihrer Ansicht nach auf Betreiben der deutschen Botschaft, da Denemarková nämlich die unterwürfige Haltung ihrer Regierung gegenüber China kritisiert hatte. Im tschechischen Außenministerium heißt es, man hätte einen geeigneteren Kandidaten gefunden, den deutschen Autor jüdischen Ursprungs Peter Finkelgruen, doch "laut Informationen aus diplomatischen Kreisen", so Aktualně, habe sich "die deutsche Seite gegen einen Auftritt Denemarkovás ausgesprochen. Das bestätigt die Korrespondenz zwischen deutschen und tschechischen Vertretern beider Botschaften, die der Redaktion vorliegt. Die Deutschen schreiben darin zunächst, die tschechische Schriftstellerin schreibe interessant und sei sicher für die geplante Veranstaltung geeignet. Anschließend fügen sie jedoch hinzu, dass Denemarková zusammen mit vielen anderen tschechischen Künstlern ein Dokument unterzeichnet habe, 'das mit China zu tun hat' und über das man bis zum Jahresende mehr zu erfahren versuche." Denemarková, die auch offen chinesische Dissidenten unterstützt, hatte in Tschechien einen Petition gegen die sogenannte "Erklärung der vier" unterzeichnet, in der im vergangenen Oktober die vier höchstrangigen Vertreter des Staates die guten Beziehungen zwischen Tschechien und China beschworen und sich vom Treffen einiger Politiker mit dem Dalai Lama distanzierten. Die Sinologin Kateřina Procházková vermutet, dass die chinesische Botschaft in Prag den Deutschen deswegen einen Hinweis gegeben habe.

Archiv: Aktualne

New Yorker (USA), 30.01.2017

In der neuen Ausgabe des New Yorker erklärt Jill Lepore die Geburt der Klimadebatte aus dem Ungeist des atomaren Zeitalters: "Trump hat sich beim Thema Atomwaffen oft widersprochen. Zu den interessanteren Dingen, die er dazu gesagt hat, gehört die Aussage, Atomwaffen seien für den Planeten weit gefährlicher als die globale Erwärmung. Ein aufschlussreicher Vergleich. Eine nukleare Explosion respektiert keine nationalen Grenzen, und dieser Schritt vom Nationalen zum Globalen war das Hauptargument für Abrüstung. Dieses Argument wurde gewonnen: Abgesehen von Trumps Aussage existiert ein überparteilicher Konsens zugunsten der Abrüstung. Kontrovers ist die Diskussion über die Zukunft des Planeten nicht betreffend die Bombe, sondern betreffend das Klima. Historisch gesehen sind beide jedoch untrennbar miteinander verbunden. Waffen und Wetter bilden die Konstanten in einer andauernden Debatte über die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft, das Schicksal der Erde und die Natur der Ungewissheit."

Weiteres: Evan Osnos berichtet über einen neuen Sport der Superreichen: Survivalism - die Vorbereitung auf die Apokalypse. Raffi Khatchadourian schreibt über interaktive Filme als Kunstform. Und Adrian Chen porträtiert den Künstler Brad Troemel, der mit seinen Internet-Kunstprojekten die Grenzen des Kunstmarktes austestet. Amanda Petrusich hört sich durch John Cale. Besprochen werden außerdem Paul Austers Roman "4 3 2 1", die Marisa-Merz-Retrospektive im Met Breuer sowie neue Filme von Asghar Farhadi und M. Night Shyamalan. Lesen dürfen wir außerdem Alix Ohlins Story "Quarantine". 
Archiv: New Yorker

Osteuropa (Deutschland), 01.01.2017

Am Beispiel der "Frauen des Don", einer Organisation, die sich in Südrussland für Frauenrechte und vor allem gegen Gewalt an Frauen einsetzt, zeigt Jens Siegert, wie das Putin-Regime Bürgerrechtsorganisationen als "Agenten" unter Kuratel stellt. Die Organisationen sollen sich selbst beim Staat melden, wenn sie als "Agenten" tätig sind: "Nachdem zunächst keine NGO auf die neuen Vorgaben des NGO-Gesetzes eingegangen war und sich 'freiwillig' an das Justizministerium mit dem Antrag wandte, sich als eine NGO registrieren zu lassen, die 'die Funktion eines ausländischen Agenten erfüllt', begann die Generalstaatsanwaltschaft im Frühjahr 2013, reihenweise Überprüfungen von NGOs vorzunehmen. Es wurde untersucht, ob bei ihrer Tätigkeit die beiden im Gesetz genannten Voraussetzungen für eine Einstufung als 'ausländischer Agent' vorliegen: ob sie Finanzmittel aus dem Ausland erhalten (wobei es auf den Anteil an der Gesamtfinanzierung einer NGO nicht ankommt - ein Rubel reicht aus) und ob sie eine 'politische Tätigkeit' ausüben. Was unter "politischer Tätigkeit" zu verstehen ist, war allerdings im Gesetz nicht näher definiert."
Archiv: Osteuropa

Fast Company (USA), 17.01.2017

Nach dem beeindruckenden Vinyl-Revival erfreuen sich auch andere, an sich obsolete Musikträger eines aufs Neue gesteigerten Interesses. Zwar ist der Anteil von Musikkassetten am Gesamtumsatz der Musikindustrie so verschwindend gering, dass sich die Auflistung gar nicht erst lohnt. Dennoch konnten die wenigen verbliebenen Tape-Hersteller zuletzt ansehnliche Umsatzsteigerungen verzeichnen. Auch wenn der Mainstream das Tape als Medium wieder zusehends für sich entdeckt: Das Retro-Medium steht vor allem im musikalischen Underground hoch im Kurs. Woran liegt das, hat sich John Paul Titlow gefragt. Einige Gründe, auf die er bei seiner Recherche gestoßen ist: "Für neue, wenig etablierte Musiker stellen Tapes als Investition ein niedrigeres Risiko dar als Vinyl. Wenn deine Debüt-EP sich nicht verkauft, bleibst du auf einer großen Kiste sitzen, die über 1000 Dollar gekostet hat und deren Herstellung ein halbes Jahr gedauert hat. Tapes bieten Musikern einen preislich günstigen Weg, die eigene Arbeit an die Fans zu verkaufen - üblicherweise für fünf Dollar das Stück -, was dazu beiträgt, Tourkosten zu decken und das vor allem in einer Zeit, in der die Streaming-Tantiemen kaum für eine einzige Tankfüllung ausreichen. Fans können damit ihre Lieblingskünstler unterstützen, ohne gleich die 25 Dollars auf den Tisch legen zu müssen, die es für Vinyl braucht oder irgendeinen Kinkerlitz mit dem Bandnamen darauf. Angesichts dessen, wie selten man heutzutage noch ein Kassettendeck sieht, mag das seltsam anmuten. Aber sollte es auch für sonst nichts gut sein, dann bietet dies rechteckige Stück Plastik am Ende vielleicht immer noch einen komfortablen Anreiz für einen freien Download des Albums. Und es ist ein Souvenir."
Archiv: Fast Company

La vie des idees (Frankreich), 24.01.2017

Gleichzeitig schwärmerisch und klug liest sich, was die Romanistin Alice Kaplan, die gerade die Studie "Looking for The Stranger - Albert Camus and the Life of a Literary Classic",  veröffentlicht hat, und der Autor Tobias Wolff im Gespräch mit Marie-Pierre Ulloa über Camus in Amerika erzählen. Kaplan bringt es auf den Punkt: "In den Vereinigten Staaten ist er sicher die am meisten geliebte Figur der jüngeren französischen Literatur - weit mehr als Sartre, Proust und Céline. In Frankreich und der übrigen Welt genoss er sein höchstes Renommee in der Nachkriegszeit, als er die Stimme der Résistance war. Nach 1962 ist er in eine Art Fegefeuer eingetreten, weil er einen gemäßigten algerischen Nationalismus in der Linie Ferhat Abbas' unterstützte. Er hat die Methoden des FLN, der Algerien mit der Unterstützung der französischen Linken zur Unabhängigkeit führte,  kritisiert. Aber Camus' Fegefeuer endete 1994, als der Roman, den man in dem Facel Vega, in dem er gestorben war, gefunden hatte, endlich veröffentlicht wurde. Mit 'Der erste Mensch' wird es möglich, Camus neu zu lesen. Diese autobiografische Erzählung eines Mannes, der weder der Kolonisator noch kolonialer Untertan ist, sondern ein Kind armer Siedler, lässt die instinktive Ablehnung, der Camus zum Opfer fiel, hinfällig erscheinen."

Tablet (USA), 20.01.2017

David Samuels führt ein quicklebendiges Interview mit Bernard Henri Lévy, dessen Buch "The Genius of Judaism" gerade in Amerika erscheint. Lévy spricht über Sartre, Borges, Benny Lévy und nicht ohne Spitzen auch über Alain Finkielkraut: "Ich respektiere ihn. Er ist einer der französischen Autoren heute, für die ich Achtung habe. Er ist ein guter Schreiber und ehrlicher Denker. Aber ich stimme ihm in nichts zu. Er ist ein Denker, und die größte Uneinigkeit liegt im Thema Identität. Ich scheiße auf Identität. Ich scheiße drauf. Identität ist eine philosophische Frage, die mich nicht interessiert... Für mich ist Identität ein Gefängnis, eine Begrenzung unseres Seins, ein Mythos, eine Illusion. Ich kann nichts damit anfangen... Und dann diese Frankreich-Obsession. Klar, was in Frankreich passiert, ist sehr wichtig. Aber es ist auch nicht das Ende der Welt. Ich war immer gegen Provinzialismus. Frankreich langweilt mich sehr schnell."
Archiv: Tablet

New York Magazine (USA), 23.01.2017

In einem Liebesbrief an Amerika - trotz Trump - beschreibt Andrew Sullivan, geborener Brite und heute amerikanischer Staatsbürger, wie ihn Amerika schon in den ersten Monaten von der Bürde britischer Identitätszuschreibungen befreite: "Niemand stellte mir die aufgeladenen Fragen, die mich am College in England geplagt hatten: 'Auf welcher Highschool warst du?', 'Was macht dein Vater?' Alles nicht sehr subtile Nachforschungen in meine Vergangenheit oder vielmehr meine Klasse. Meistens natürlich mussten mich meine privilegierten, privat erzogenen Mitstudenten nicht mal nach meiner Herkunft fragen, den mein Akzent verriet das mit der nadelgenauen Akuratesse eines sozioökonomischen GPS. ... Identitätspolitik ist heute die überwältigende Obsession der meisten amerikanischen Bildungsanstalten und die dominante Ideologie der amerikanischen Linken. Aber sie erinnert mich daran, wie die Europäer sich identifizieren, nämlich durch das, was sie waren, nicht durch das, was sie werden können."

Außerdem: Michael Idov weiß was geschieht, wenn man den Glauben an seine Institutionen verliert: Lektionen aus Putins Russland.

New York Times (USA), 22.01.2017

In welchen Wahnsinn Identitätspolitik führen kann, sieht man sehr gut an dieser Reportage von Brooke Jarvis über die Versuche in den USA, Indianer bzw. Native Americans zu identifizieren. Daran hängt einiges: Identitätsfragen natürlich, aber auch Kasinoeinnahmen, spezielle Land- und Wohnrechte, politische Macht. Gerade hat der Stamm der Nooksack in Washington State 306 Stammesmitglieder, die seit Jahrzehnten als Natives anerkannt waren, ausgestoßen mit der Begründung, ihre Nachweise seien doch nicht überzeugend. Bei der Frage, wie dies denn überhaupt nachgewiesen wird, landet man direkt im Handbuch des Rassisten für "Rassereinheit": Da werden Gentests veranstaltet und Bluttests gefordert, die beweisen sollen, dass der Betreffende zu mindestens ein viertel "Indianerblut" hat (nur dann gilt er als native). "Viele sagen, sie sehen den Blutanteil als hilfreiche Richtschnur und Hürde gegen Betrug oder gegen Menschen, die sich ohne jedes kulturelle Verständnis als Indianer identifizieren. Andere finden die Tests seltsam, sogar beleidigend. Ein Mitglieder der Ojibwe scherzte, er sei 'halb weiß, habe aber nicht die Papiere, dies zu beweisen'. Eine Cree-und Anishinabe-Frau antwortete: 'Es gefällt mir nicht, dass man für mich ein Vokabular verwendet, das eigentlich für Hunde und Pferde reserviert ist."

Außerdem: Für die aktuelle Ausgabe des New York Times Magazines besucht Jeanne Marie Laskas den Mailroom im Weißen Haus und berichtet über Variationen in Sachen bürgernaher Politik: "George Washington öffnete und beantwortete seine fünf täglichen Briefe, die per Pferd transportiert wurden, noch selbst. Mit der modernen Post explodierte das Briefaufkommen, doch schwierig wurde es erst mit der Weltwirtschaftskrise. Roosevelt pflegte den persönlichen Ton, lud die Leute ein, ihm ihre Sorgen zu schreiben. In der ersten Woche kamen eine halbe Million Briefe … Nixon las keine Kritik. Reagan nahm sich Zeit, er liebte Kinderpost. Clinton sah sich regelmäßig einen Querschnitt an. Doch wissenschaftlich belegt oder bewertet ist all das nicht … Obamas Praxis, zehn Briefe täglich zu lesen und ggf. zu beantworten, führte zu einer Einteilung der Post in Kategorien. Ab 2011 wurden aus den täglich eingegangenen E-Mails Cloud-Images kreiert und im Weißen Haus verteilt. Jeder konnte sehen, was der normale US-Bürger zu sagen hatte."

Weiteres: Jonathan Alter dokumentiert den Rück- und Ausblick des scheidenden US-Vizepräsidenten Joe Biden. Und George Georgiou fotografiert US-Bürger dabei, wie sie sich Festzüge anschauen: Ein Panorama der amerikanischen Gesellschaft.
Archiv: New York Times