Was bedeutet der Begriff "
Freiheit" in Zeiten von Klimakrise, Coronakrise und Ukrainekrieg? Darüber führt Václav Pešička im Tschechischen Rundfunk ein
längeres Gespräch mit dem Ökonom und
Philosophen Tomáš Sedláček. In historischer Perspektive hätten die Menschen in Europa so viel Freiheit wie nie zuvor. Aber "als freie Gesellschaft haben wir festgestellt, dass es besser ist, sich auf gemeinsame Regeln zu einigen. Die gelten dann zum Beispiel für die Nutzung der Autobahn, aber vielleicht werden wir auch ein gemeinsames Rentensystem haben. Ich will mich auch nicht mit Energiepreisen beschäftigen und möchte dafür eine beaufsichtigte Kommission, die die bestmögliche Variante auswählt." Das heiße nicht, dass man dadurch an Freiheit verliere. "Schließlich muss ich ja Elektrizität nicht nutzen. Wenn ich beschließe, dass ich dem System, das die Elektrizität verteilt, misstraue, kann ich ja irgendwo in meiner Hütte mit Holz heizen. Und wenn mir die Autobahnregeln nicht gefallen, zwingt mich niemand dazu, dort zu fahren", so Sedláček. "Ich persönlich bin für einen
Minimalstaat, der automatisch funktioniert wie ein Algorithmus. Die Schweizer zum Beispiel wissen oft gar nicht, wer ihr Präsident ist, weil er jedes Jahr wechselt, und das funktioniert gut." Die Tschechen, meint Sedláček, hätten an Freiheit verloren, indem sie sich, vor allem unter den letzten beiden Präsidenten,
zurück nach Osten hätten ziehen lassen. "Und als Europa haben wir Freiheit auch dadurch verloren, dass wir uns von Russland billige Rohstoffe haben liefern lassen, oder durch unseren Umgang mit der Natur." Diese Art von Freiheit gehe meist selbstverschuldet verloren. "Aber jene tiefere Freiheit, die ich meine, die Religions- und Bekenntnisfreiheit, die Freiheit zu lesen und zu schreiben, die
nimmt uns niemand weg, nur nutzen die Menschen sie nicht wirklich aus."