Magazinrundschau - Archiv

Krytyka

2 Presseschau-Absätze

Magazinrundschau vom 09.05.2023 - Krytyka

Auch nach diesem für die Ukraine so langen und schweren Kriegswinter blickt der ukrainische Journalist Vitaly Portnikov in seinem von Eurozine ins Englische übersetzten Text zuversichtlich in die Zukunft. Immerhin musste Wladimir Putin seine Kriegsziele im Laufe des vergangenen Jahres erheblich revidieren: "Nach dem Scheitern des Blitzkriegs haben sich seine Vorstellungen komplett gedreht. Jetzt möchte der russische Präsident den Krieg als Abnutzungskrieg in die Länge ziehen. Er ist überzeugt, dass, wenn der Krieg einige schwierige Jahre andauert, der Westen seine Unterstützung für Kiew aufgeben und die Ukraine früher oder später kapitulieren wird. In diesem Glauben steckt mehr Fanatismus als nüchterne Überlegung. Aber Fanatismus ist in einem Krieg sehr wichtig, ebenso wie Hingabe. Putin erwartete eindeutig nicht diese Entschlossenheit auf der Seite der Ukrainer. Er konnte sich nicht vorstellen, dass selbst zehn Monate nach Beginn des Krieges, nach all den russischen Angriffen auf die kritische Infrastruktur, nach all den Zerstörung und Grausamkeiten, die ukrainische Bürger immer noch von der Notwendigkeit überzeugt wären, ihre besetzten gebiete zu befreien. Wenn der Fanatismus eines Aggressors gegen die Entschlossenheit des Angegriffenen steht, ist der Angreifer gewöhnlich zum Scheitern verdammt. Die Frage ist nur, wann und wie."
Stichwörter: Ukraine-Krieg 2022

Magazinrundschau vom 13.04.2021 - Krytyka

Orientalismus gibt es nicht nur gegenüber den Völkern Nordafrikas und Asiens, sondern auch Osteuropa gegenüber, stellt (auf Englisch bei Eurozine) der ukrainische Autor Mykola Riabchuk fest, noch immer empört von einer tschechischen Journalistin, die ihn 2014, kurz nach dem Fall Janukowitschs fragte, ob die Ereignisse in Kiew eine Revolution seien oder ein Staatsstreich. Wie das denn bei ihnen 1989 gewesen sei, schoss Riabchuk zurück. Milan Kundera erfand 1983 extra den Begriff "Ostmitteleuropa" oder "Zentralosteuropa", um Tschechien und seine Nachbarn in den Kreis des Westens zu rücken und damit die Spaltung von West- und Osteuropa zu vertiefen. Dies mag mit daran schuld sein, dass das Interesse im Westen an den Ereignissen in Moldavien, der Ukraine und Weißrussland so gering ist - die liegen jetzt auch in Eurasien, "wie die EU in all ihren Dokumenten" den Einflussbereich Russlands umschreibt. "Heute, da alle nicht-sowjetischen Länder des ehemaligen kommunistischen Blocks entweder in die EU aufgenommen oder auf einen festen Weg in Richtung Mitgliedschaft gebracht wurden, wurde der exklusivistische Aspekt des Konzepts von 'Mitteleuropa' vorherrschend. Er wird mit besonderer Schärfe und Frustration in dem 'falschen', postsowjetischen Teil Osteuropas empfunden, der programmatisch außerhalb aller Prozesse der EU-Erweiterung belassen wurde. ... Ganz im Sinne der 'Philosophischen Geografie' Kunderas stellt die EU klar, dass die Einstufung eines Landes als 'europäisch' einer 'politischen Bewertung unterliegt'. Das erlaubt ihr, die Ukraine, Weißrussland und Moldawien willkürlich in einen obskuren 'eurasischen' Raum zu verweisen und sie in allen EU-Dokumenten euphemistisch als 'Partnerstaaten' oder 'Nachbarstaaten', aber niemals als 'europäisch' zu definieren. 'Eurasien' erscheint hier als diskursiver Zwilling oder vielmehr Antipode von 'Mitteleuropa' - während Letzteres dazu dient, die europäischen Referenzen des 'guten' Teils Osteuropas aufzuwerten, dient Ersteres dazu, jegliche Ansprüche des 'schlechten' Teils Osteuropas auf europäische Ansprüche abzuweisen."