Post aus New York

E-Books - Viel Hype um nichts!

Von Ute Thon
21.03.2001. E-Books sind die Zukunft, hieß es noch vor kurzem. Der Wind hat sich gedreht: Jetzt geht der Trend zum G-Book.
Vor einem Jahr konnten sich die Buchverlage vor Aufregung über die papierfreie, digitale Technologie gar nicht mehr einkriegen. E-Books, sprich elektronische Bücher zum Herunterladen vom Internet, seien die Zukunft der Branche. Wer jetzt nicht auf den Zug aufspringe, bleibe mit seinen altmodischen Printprodukten ganz schnell auf der Strecke. Ausgelöst wurde die Hysterie damals vom Überraschungserfolg des Horrorautors Stephen King, dessen erstes E-Book "Riding the Bullet" in wenigen Tagen von mehr als 500.000 Lesern zum Preis von 2,50 Dollar online erworben wurde. So groß war damals der Ansturm, dass die Websiten von Kings Verlag Simon&Schuster und Amazon.com zeitweise zusammenbrachen. Das Time Magazin interpretierte damals in einer ausführlichen Titelgeschichte das King-Phänomen als Vorbote der "neuen digitalen Demokratie", in der jeder potentielle Schriftsteller, Filmemacher oder Musiker mit Hilfe preiswerter Technologien seine Werke in Zukunft selbst publizieren und damit berühmt werde. Auch die der elektronischen Revolution sonst eher skeptisch gesonnene New York Times beschwor den Trend zur Buchveröffentlichung im Internet: "Wenn Bücher ihre analogen Behälter nicht zugunsten von digitalen Containern verlassen, wären sie das einzige bürgerliche Medium, dass auf der Strecke bleibt", schrieb Kulturkritiker Frank Rich.

Random House, ein Unternehmen der Bertelsmann-Gruppe und Amerikas größter Buchverlag, verkündete mit großem Fanfaren sogar die sofortige Gründung einer neuen E-Book-Imprimatur, AtRandom.com, wo neue Buchtitel von hippen Autoren wie Elizabeth Wurtzel, Robert Samuelson und New Yorker-Autor Tad Friend ausschließlich im Online-Format angeboten würden. Letzte Woche nun platzte mit einem vernichtenden Associated Press-Bericht die trendgerechte Seifenblase. Laut AP verkauften sich Random House's E-Bücher so schlecht, dass der Verlag jetzt doch wieder daran denkt, die Titel als gewöhnliche Printausgaben herauszugeben. Von Wurtzels "Radical Sanity", einem Ratgeberbuch, dass die Bestseller-Autorin ("Prozac Nation") speziell für den E-Book-Markt schrieb, wurden in den ersten drei Wochen nur 40 Exemplare verkauft. Cameron Dougans Romandebüt "She is Beautiful" luden sich sogar nur 26 Leser auf ihre Festplatte. Eine ernüchternde Bilanz, die für höhnische Schlagzeilen sorgte. "Sechs Monate nach Random House's welterschütterndem Auftakt sind ihre E-Bücher etwa so populär wie Jar-Jar-Binks-Actionfiguren", schrieb Gabriel Snyder im New York Observer.

AtRandom.com-Chefin Mary Bahr klingt dieser Tage denn auch eher defensiv, wenn es um die Chancen des E-Book-Sektors geht. "Gedruckte Bücher bieten nicht nur ein Lesegefühl, das wir gewohnt sind, sondern das Prinzip stellt sich zudem als extrem kosteneffektiv heraus", sagte die Verlagsdirektorin diese Woche in einem Interview. Die absatzschwachen E-Romane sollen deshalb nun doch auch als Paperbacks erscheinen. Für die nähere Zukunft sind nur Nachschlagewerke und Titel zum Computerprogrammieren als rein digitale Bücher bei AtRandom.com vorgesehen.

Auch bei Stephen King, dem lautesten Trommler für die glorreiche E-Book-Zukunft, hat sich inzwischen Ernüchterung eingestellt. Nach dem Erfolg von "Riding the Bullet" verkündete der US-Schriftsteller im letzten Sommer, dass er seinen nächsten Roman im Selbstverlag übers Internet vertreiben werde. Die Medien berichteten auch in Deutschland: "The Plant" wurde nach anfänglichen Erfolgen zum Flop. Die Moral von der Geschicht: Zurück zum "G-Buch". Stephen King schreibt derzeit wieder an einem Roman im klassischen Gutenberg-Format.
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