Redaktionsblog - Im Ententeich

Die Verlagswelt ist gar nicht mehr so

Von Ralf Bönt
18.12.2015. Detlef Felken vom Verlag C.H. Beck protestiert in der Zeit gegen die Rückfallklausel in der geplanten Urheberrechtsreform. Vielleicht zu Recht. Nur dass das mit der Treue in den Verlagen heute auch nicht mehr so funktioniert, wie einst. Eine Erwiderung
Ich bin nicht sicher, ob der neue Gesetzentwurf gut oder schlecht ist. Die Einwände von Detlef Felken leuchten ein, relativieren sich aber auch, wenn man bedenkt, dass die Laufzeit von Verträgen meist eh nur zehn Jahre beträgt. Fünf kommen mir jetzt auch wenig vor.

Ich möchte nur eines zu bedenken geben: In diesem moralisch geführten Gespräch über Treue wird gern vergessen, dass die Verlagswelt gar nicht mehr so ist, wie Felken sie beschreibt. Man denke an den Berlin Verlag, der vielleicht der instabilste war in den letzten Jahren und alle paar Monate verkauft wurde, bis er seine Heimat fand. Dabei hatte er sich allerdings vollkommen verändert. Man darf das auch ruhig als Handel mit der Backlist bezeichnen, ein in der Geschäftswelt der Bücher nornaler Vorgang.

Die beschriebene Autorenpflege ist jedoch auch in großen Häusern nicht unbedingt sicher. Heute hat man kaum eine Chance, zwei Bücher mit denselben Personen zu machen. Ein Beispiel aus der eigenen Praxis: Nach einer jahrelangen Rechercheschlacht hatte ich meinen Roman über Michael Faraday und die Geschichte der modernen Physik von der französischen Revolution bis zu Einsteins Wunderjahr 1905 beinahe fertig. Ich hatte mehrere Angebote und gab nach langem Bedenken einem Verlag eine Zusage. Der Programmleiter freute sich, hatte er die Hoffnung doch schon fast aufgegeben. Er ließ mich wissen, er wechsle grad den Verlag, und nehme mich dann gerne gleich mit. Dies wiederholte sich binnen drei Monaten noch zweimal. Schließlich entschied ich mich für Dumont, um innerhalb weniger Monate drei Verleger zu erleben, von denen jeder wieder alles - vom Marketing bis zu den Folgeprojekten - anders sah als sein Vorgänger. Man kann heute gar nicht so schnell schreiben, wie die Lektoren, Verleger und Presseleute die Posten wechseln. Und daran wird sich auch nichts ändern. Ich mag in diesem Fall einfach etwas Pech gehabt haben, gebe aber zu bedenken, dass Vertrauen Glücksache ist, und selten von einem Paragrafen geregelt wird.

Der von Detlef Felken beschriebene Erfolgsfall von Johannes Kunischs Buch über Friedrich den Großen, sein schwerer Weg, ist aber kein Beweis für seine These. Eher im Gegenteil. Es wirft vielmehr die eigentliche Frage auf: Ob der Autor Auftragswerke verfassen möchte und sich also als Auftragnehmer seines Verlages sieht, und damit ein Grenzfall des Angestellten ist, oder ob er sein Buch schreiben möchte und mehr Risiko auf sich nimmt. In diesem Fall wäre das ein Buch über den österreichischen Feldherrn Gideon Ernst von Laudon gewesen. Wir wissen ja jetzt nicht, wie gut dies gewesen wäre, wie schnell geschrieben, wie überraschend, erhellend, inspiriert und erfolgreich, mit anderen Worten: wie rundum glücklich. Natürlich hätte der Verlag hier weniger leichtes Spiel im Marketing gehabt, vielleicht aber ein einzigartiges Buch und Leseerlebnis geschaffen, das aus der Intimität des Autors mit einem Stoff und seiner Emphase für seine Figur entstand. Nebenfiguren bieten ausgezeichnete literarische Möglichkeiten, eine Zeit zu erzählen.

Aber wie dem auch sei: Das Verhältnis zwischen dem Verleger und dem Autor unterliegt dem Glück, der Menschlichkeit, dem Zufall. Wir werden es nicht vereinfachen können und keines ist wie das andere. Immer gut zu wissen ist, wer dabei wer ist. Aber auch hier sind, wie eh im Liebesleben und ganz ohne Gendertheorie, alle Kombinationen erlaubt. Details werden dann unter Erwachsenen ausgehandelt. Moralische Argumente aber sind hier fehl am Platz. Und, ach ja, jetzt weiß ich es doch: Von einem Gesetz möchte ich mir eine Laufzeit eines Vertrages auch nicht vorschreiben lassen.

Ralf Bönt