Andreas Fahrmeir (Hg.)

Deutschland

Globalgeschichte einer Nation
Cover: Deutschland
C.H. Beck Verlag, München 2020
ISBN 9783406756191
Gebunden, 936 Seiten, 39,95 EUR

Klappentext

2000 Jahre Geschichte und Geschichten von Menschen und Mächten, Ereignissen und Erfindungen, Ideen und Kunstwerken - die erste Globalgeschichte Deutschlands. Historikerinnen und Historiker, Publizisten und Kulturwissenschaftlerinnen erzählen darin, welche Einflüsse von Deutschland aus in die Welt hinausgingen und welche aus der Welt auf Deutschland einwirkten: von den Römern in Germanien bis zur Corona-Pandemie, von Maria Sibylla Merian in Surinam bis zu Kurt Masur und dem Fall der Mauer, von der Erfindung des Schießpulvers bis zur Energiewende. So entsteht aus vielen Perspektiven ein überraschend anderes Bild unserer Geschichte - eine ganz neue nationale Weltgeschichte.
Wenn die Welt ein Dorf ist, so ist Deutschland ein Ortsteil dieses Dorfes. Wer diesen Band liest, erfährt, wie die Verbindungen zu den anderen Vierteln des global village entstanden sind und wie sie sich heute gestalten. Wir lernen, dass die ersten Kontakte Jahrhunderttausende zurückreichen, als die Besiedlung unserer Regionen in Europa begann. Von Anfang an waren die Beziehungen vielfältig und differenziert - denkt man etwa an das wechselvolle Verhältnis von Römern und Germanen, an die Gesandtschaft Karls des Großen an den Kalifenhof des Hârûn al-Rašid oder an die Gründung einer Universität in Prag, als ein neues Bildungsmodell die Alpen überquerte. Es wird deutlich, welche materiellen und geistigen Möglichkeiten sich mit der Öffnung zur Welt verbanden, wenn wir die Handelsimperien der Fugger und Welser in den Blick nehmen oder uns die Geburt Deutschlands aus dem Geist des Humanismus bzw. die Inspiration Dürers durch seine Reise nach Venedig vor Augen führen.
Doch nicht nur Segnungen durch Kunst und Kultur gingen mit der zunehmenden Vernetzung Deutschlands und der Welt einher, für die etwa Maria Sibylla Merians Expedition nach Surinam, Mozarts Reisen und Winckelmanns Wirken in Rom stehen mögen, sondern auch die niederschmetternden Erfahrungen von Krieg, Gewalt und Barbarei: der Dreißigjährige Krieg, der deutsche Kolonialismus in Afrika und die unauslöschliche Schande des Holocaust. Darüber hinaus wurde im 20. und 21. Jahrhundert die immer enger werdende Verbindung Deutschlands und der Welt durch gewaltige Wirtschaftskrisen, weltweit vernetzten Terrorismus, die Folgen des Klimawandels, aber auch durch Grenzen überwindende, begeisternde Sportereignisse.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.02.2021

Rezensent Cord Aschenbrenner empfiehlt die von dem Frankfurter Historiker Andreas Fahrmeir herausgegebene knapp tausendseitige Globalgeschichte der Deutschen mit leisen Einschränkungen. In 177 so farbigen wie kenntnisreichen Texten à vier Seiten braust der Kritiker vom Jahr 797, als der Frankenkönig Karl den Kalifen Harun a-Raschid bat, ihm einen Elefanten zu senden, über das frühe 19. Jahrhundert, als Goethe auf dem englischen Buchmarkt eingeführt wurde, bis in Jahr 1964, als in Mexiko der erste VW-Käfer gebaut wurde. Die hier versammelten Artikel bieten viel Gelegenheit zum "Schmökern", versichert der Kritiker. Ein paar allzu oft gelesene oder "alberne" Einträge verzeiht er gern - denn viel zu viel Neues und Wissenswertes steckt in diesem Buch, schließt er.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.11.2020

Nach dem Vorbild der 2017 erschienenen "Histoire mondiale de la France" will Andreas Fahrmeir nun auch eine Globalgeschichte Deutschlands erzählen, erklärt Rezensent Jakob Vogel und urteilt: Auch wenn nicht alle Beiträge den Anspruch auf Loslösung von der "traditionell nationalen Perspektive" erfüllen, lohnt sich die Lektüre. Denn wo einige Autoren scheitern, brillieren dafür andere. Margit Szöllösi-Janze etwa beschreibt in ihrem Essay die Entwicklung des Haber-Bosch-Verfahrens zur Ammoniaksynthese eben nicht als deutsche Errungenschaft, sondern aus einem Netz aus internationalen Beziehungen zwischen Deutschland, Chile, Großbritannien und den USA. Während viele Beiträge sich um Präzision und Differenziertheit bemühen, lassen die Einführungen zu einigen der chronologisch geordneten Abschnitte genau daran zu wünschen übrig, findet der Rezensent. Sieht man darüber hinweg, bietet dieser Band jedoch viele neue und ungewohnte Perspektiven auf bekannte Momente der deutschen Nationalgeschichte.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.11.2020

Rezensent Ilko-Sascha Kowalczuk stört sich an der Qualität der Aufmachung und dem Fehlen von hochwertigen Bildern, Karten und Grafiken im von Andreas Fahrmeir herausgegebenen Band. Zum Prachtband reicht das seiner Meinung nach nicht. Auch inhaltlich fühlt sich der Rezensent etwas unterversorgt. Dass in den 177 Miniaturen über Deutschland von 172 AutorInnen, laut Rezensent ein bunter Strauß von Karl dem Großen über die Hanse und Boris Becker bis Corona der kritische Blick auf deutsche Errungenschaften wie den VW-Käfer fehlt und weder Kolonialismus, Rassismus und Sexismus noch der Kommunismus in gebührender Weise behandelt werden, findet er ärgerlich. Unterhaltsam und lehrreich, aber eben nicht die ganze Wahrheit über Deutschland, lautet sein Urteil.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 02.10.2020

Rezensent Wolf Lepenies liest den von Andreas Fahrmeir herausgegebenen Band als Gegenentwurf zu einer patriotischen Nationalgeschichte. Die Beiträge von 172 Autoren ergeben laut Rezensent eine "Globalgeschichte Deutschlands" aus weniger bekannten Facetten, wie etwa der Schilderung der Inbetriebnahme der Rheinbrücke in Kehl oder dem Bericht über Mozarts Europareise 1763. Bestechend findet Lepenies dabei die formale und stilistische Strenge der Beitragssammlung, ihre Jargon- und Fußnotenfreiheit, vor allem aber ihre Beschränkung auf jeweils genau vier Seiten. Dass dem Band die Provokation abgeht und sich jeder Text, jedes Datum einem "Hauptstrang" deutscher Geschichte hinzufügen lässt, wie Lepenies anmerkt, kann der Rezensent gut verschmerzen.

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