Constanze Neumann

Wellenflug

Roman
Cover: Wellenflug
Ullstein Verlag, Berlin 2021
ISBN 9783550201622
Gebunden, 336 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Als ihr Sohn Heinrich 1881 zur Welt kommt, setzt Anna Reichenheim große Hoffnungen auf diesen Erstgeborenen. Doch Heinrich schert sich nicht um die Konventionen seiner großbürgerlichen jüdischen Familie. Er erliegt den Verlockungen des Berliner Nachtlebens und verliebt sich in die ganz gewöhnliche Marie, die seine Mutter nicht akzeptieren kann. Gemeinsam suchen Heinrich und Marie in den USA ihr Glück, bis der Erste Weltkrieg sie zurück nach Deutschland holt. Sie bleiben ausgeschlossen aus der Familie, auch als die Schatten der Weltwirtschaftskrise und des aufkommenden Nationalsozialismus sich über das Land legen. Anna stirbt 1932 unversöhnt mit Heinrich, nicht ahnend, was ihrer Familie bevorsteht. Während seine Geschwister fliehen oder vertrieben werden, bleibt Heinrich in Deutschland zurück. Wieder ist es Marie, die ihm Halt gibt, als sie ums Überleben kämpfen. Ein  Roman über zwei ganz unterschiedliche Frauen, über zwei Leben reich an Liebe und Verlust in einem Jahrhundert voller Extreme.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.01.2022

Man sollte meinen, Verlagsleiter haben eigentlich genug zu tun, aber Zeit zum Bücherschreiben ist immer. Rezensent Ulrich Greiner beugt sich also gespannt über die Romane von Hanser Herausgeber Jo Lendle und Aufbau Verlegerin Constanze Neumann. Beides sind Familienromane, stellt er fest, stark von der Familiengeschichte der beiden Autoren geprägt. Bei Constanze Neumann ist er jüdisch geprägt. Sie erzählt von ihrem Urgroßonkel, der nach Berlin zog, seine ostjüdische Herkunft in die Schublade packte, zum Protestantismus konvertierte und einen erfolgreichen Tuchhandel betrieb, über den Nationalsozialismus, die Repressalien in der DDR und die Flucht in die BRD. Bei Lendle wiederum gehts vor allem um einen Großonkel, Pharmakologe, und seine Beziehung zum Patenkind Alma, einer Waise. Alles ganz ordentlich recherchiert, aber, fragt Greiner: Wo bleibt die Pointe?

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.01.2022

Gern lässt sich Rezensent Nils Kahlefendt die persönliche Familiengeschichte der Aufbau-Verlegerin Constanze Neumann in "Wellenflug" erzählen. Über ein gesamtes Jahrhundert hinweg illustriert sie in zwei Teilen jeweils das bewegte Leben der Frauen Anna und Marie. Erstere war mit ihrer Familie aus Schlesien nach Leipzig gezogen und heiratete sich in eine wohlhabende Berliner Tuchhändlerdynastie ein, letztere heiratete Annas Sohn und kehrte nach langer Zeit in den USA mit diesem zurück nach Sachsen, ins Deutschland des aufkommenden Nationalsozialismus, berichtet Kahlefendt. "Jahrhundertbögen" wie der, dass Maries Ehemann Heinrich hundert Jahre nachdem Anna mit ihrem Vater aus Schlesien emigrierte, nach Auschwitz deportiert wird, bleiben für den Rezensenten stellenweise reiner "Dekor", um die umfassende Epoche zu überbrücken. Dabei ginge teils auch die Intensität von Passagen verloren und die "beklemmende" Stimmung könne nicht dauerhaft aufrecht erhalten werden, meint der Rezensent und zieht den etwas krassen Vergleich zu einer "gut ausgestatteten Netflix-Serie". Nichtsdestotrotz lohnt sich für Kahlefendt die Lektüre dieses Epochenromans, in dem die Autorin aus den kargen Informationen über ihre Familiengeschichte "atmende Literatur" zaubert.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.10.2021

Rezensent Jörg Magenau folgt interessiert den Leben der Familienmitglieder Constanze Neumanns im  neuen Roman "Wellenflug". Die Leiterin des Aufbau-Verlags beschreibt in zwei Romanteilen ab 1864 einsetzend ihre jüdische Familie: Zunächst berichtet sie fast chronologisch aus der Perspektive ihrer Ururgroßmutter Anna Reichenheim, von deren Kindheit und dem unversöhnlichen Streit mit ihrem Sohn Heinrich, nachdem er das nicht standesgemäße Garderobenmädchen Marie heiratet.  Im zweiten Teil des Buchs erzähle sie sehr emotional aus der Perspektive jener Marie, die ihren Ehemann bei allem unterstützt und nach seiner Deportation den Großvater der Autorin, einen unehelichen Sohns Heinrichs aufnimmt, resümiert Magenau. Die gründlich recherchierte Fakten, die originalen Briefen und eine Portion Fiktion gehen perfekt ineinander über, meint der Rezensent. Authentisch, amüsant und spannend scheint ihm das Buch.
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