Katja Hoyer

Diesseits der Mauer

Eine neue Geschichte der DDR 1949-1990
Cover: Diesseits der Mauer
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2023
ISBN 9783455015683
Gebunden, 592 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von  Franka Reinhart und Henning Dedekind. War die DDR ein graues Land voller hoffnungsloser Existenzen? Die Historikerin Katja Hoyer zeigt in ihrem  Buch, dass das andere Deutschland mehr war als Mauer und Stasi. Die Geschichtsschreibung der DDR wird bis heute vom westlichen Blick dominiert. Mit dem Fokus auf die Verfehlungen der Diktatur wird dabei oft übersehen, dass die meisten der 16 Millionen Einwohner der DDR ein relativ friedliches Leben mit alltäglichen Problemen, Freuden und Sorgen führten. Die Mauer schränkte die Freiheit ein, aber andere gesellschaftliche Schranken waren gefallen. Katja Hoyer schildert jetzt vierzig Jahre deutschen Sozialismus aus der Sicht derer, die ihn selbst erlebt haben. Dafür führte sie zahlreiche Interviews mit ehemaligen Bürgern der DDR aus allen Schichten.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.06.2023

Der hier rezensierende amerikanische Historiker John Connelly warnt eindringlich vor Katja Hoyers Buch über die DDR. Was sich die Historikerin über den Arbeiter- und Bauernstaat zusammenreimt, stimmt hinten und vorne nicht, meint Connelly. So schön Hoyers Ansatz ihm auch erscheint, sich Geschichte über die Geschichte der Menschen zu nähern, so wenig stimmt laut Connelly die unterlegte Ausgangsthese des Buches. Hoyers Behauptung, die Bürger der DDR hätten sich ihre DDR selbst gestaltet, zeugt von erschreckender Unkenntnis der Verhältnisse, so der Rezensent. Tatsächlich seien die Gestalter die 14 Männer im Politbüro der 1950er gewesen, erklärt er. Im Buch erscheint der Sozialismus denn auch als fröhliches Regime der Gleichheit, meint Connelly kopfschüttelnd. Warum die Menschen unter Todesgefahr aus der DDR fliehen wollten, wird dagegen nicht deutlich, findet er.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 16.05.2023

Rezensent Marcus Heumann ist zwiegespalten, was das neue Buch der Historikerin Katja Hoyer angeht, das die DDR-Geschichte ganz neu erzählen will. Einerseits ist der Rezensent beeindruckt davon, wie die Autorin es schafft, Historisches mit Anekdotischem zu verbinden und so das Leben in der DDR gerade für Menschen greifbar zu machen, die es nicht erlebt haben. In dieser Hinsicht stellt das Buch eine spannende Lektüre dar, so der Kritiker, dem auch gefällt, dass hier Erinnerungen und Biografien von DDR-Bürgern verarbeitet werden, die man so noch nicht gelesen hat. Auf der anderen Seite erhascht Heumann zuweilen einen Hauch von "Ostalgie", wenn die Autorin den Alltag unter Honecker zu sehr beschönigt. Die Autorin bemüht sich durchaus um Differenzierung, erkennt der Kritiker an, rutscht aber doch manchmal in "historischen Whataboutism" ab, zudem findet Heumann einige historische Ungenauigkeiten und Widersprüche im Text.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 13.05.2023

Rezensent Marko Martin empört sich über Katja Hoyers Buch. Denn "neu" ist für ihn an dieser Geschichte der DDR gar nichts; vielmehr kaue die in Großbritannien lebende und für die BBC und die Washington Post arbeitende Autorin nur Altbekanntes wieder - immerhin ohne zu plagiieren, so Martin. Über Binsenweisheiten und Pauschalitäten komme Hoyer dabei nicht hinaus: So würde etwa ohne Beleg behauptet, die DDR sei vom "Westen" nur als "graue russische Kolonie" abgestempelt worden, und das Leben in der DDR mit dem Fazit bedacht, "Die Bürger der DDR lebten, liebten, arbeiteten und wurden alt", wie der Kritiker ungläubig zitiert. Schließlich unterlaufen der Autorin auch noch grobe historische Beschönigungen, wenn sie etwa entgegen entsprechender Forschungsergebnisse den Rassismus gegenüber ausländischen Vertragsarbeitern bestreitet oder die Aktivität ihres Vaters in der NVA verharmlost, wie Martin feststellen muss. Eine "völlig unreflektierte Publikation", deren positive Aufnahme in den Medien den Kritiker entsetzt zurücklässt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.05.2023

Ziemlich unzufrieden ist Rezensent Norbert F. Pötzl, der in seinem eigenen Buch gerade eine positive Bilanz der Treuhand gezogen hat, mit dieser Arbeit der ostdeutschen Historikerin Katja Hoyer, das eine "neue Geschichte der DDR" ankündigt. Leider, so der Kritiker gibt es hier recht wenig Neues, stattdessen versucht die Autorin schlicht zu zeigen, dass in der DDR "nicht alles schlecht" war. Skeptisch macht den Rezensenten schon die Auswahl der Personen, die Hoyer zu Wort kommen lässt: Den ehemaligen SED-Generalsekretär Egon Krenz und den DDR-Schlagersänger Frank Schöbel hält der nicht für besonders kritische Zeitzeugen. Zwar kommen in den von der Autorin geführten Interviews auch nicht-prominente Personen zu Wort, Stimmen von "Systemkritikern" werden aber gänzlich ausgeklammert, ärgert sich der Rezensent. Bei der Betrachtung des Verhältnisses von Ost und West verfolgt die Autorin konsequent eine "SED-Lesart", so der Kritiker, die den Westen weitgehend verantwortlich macht für das wirtschaftliche und politische Scheitern der DDR. Dabei werden fleißig alte DDR-Mythen gefüttert, meint Pötzl, historische Fakten verdreht und wichtige Quellen unterschlagen. Eine ziemlich "geschichtsvergessene" historische Untersuchung, findet der Kritiker.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 05.05.2023

Laut Michael Pilz geht es der aus der DDR stammenden Historikerin Katja Hoyer mit ihrer Geschichte der DDR darum, im "Spiegel"-Sound Zeitzeugenschaft abzulegen über eine andere DDR und damit die selbstgewisse Deutungshoheit des Westens infragezustellen. Zwar scheint Pilz eine Geschichtsschreibung aus persönlichen Erlebnissen nicht neu, aber dennoch anders, weil etwa die sogenannten großen Männer der Geschichte hier kleiner erscheinen und auch differenzierter als gewohnt oder weil Widersprüche des Westens deutlich werden. Wenn der Machtapparat der DDR bei Hoyer wie ein "Intrigenstadl" daherkommt, fühlt sich Pilz zudem gut unterhalten. Wie Menschen sich in einer Diktatur verhalten, ohne an Würde zu verlieren, erfährt der Leser in diesem Buch, meint Pilz.