Miljenko Jergovic

Ruth Tannenbaum

Roman
Cover: Ruth Tannenbaum
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main 2019
ISBN 9783895613982
Gebunden, 448 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Aus dem Kroatischen von Brigitte Döbert. Salomon Tannenbaum bezieht 1920 Prügel auf die Fußsohlen, weil er nicht mit den Empfindlichkeiten des noch jungen Königreichs Jugoslawien rechnet. Seither sitzt ihm die Angst in den Knochen. 1928 heiratet er die Frau mit den größten Augen, die Zagreb je gesehen hat, und wenig später wird Töchterchen Ruth geboren, deren Augen noch größer sind und die eines Tages wegen dieser Augen zum Kinderstar am Zagreber Nationaltheater wird. Als kroatische Shirley Temple feiert sie wahre Triumphe, Triumphe, die nicht nur ihr, sondern der ganzen Familie zu Kopf steigen. Als die Deportationen beginnen, ist es aus mit dem Ruhm und bald auch mit dem Leben. Miljenko Jergović gelingt mit "Ruth Tannenbaum" ein fantastischer Roman über eins der finstersten Kapitel nicht nur der jugoslawischen Geschichte. Er setzt damit zugleich Lea Deutsch ein Denkmal, deren totgeschwiegenes Schicksal ihm den Anstoß zum Schreiben gab.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.02.2020

Jörg Plath liest die von Miljenko Jergovic aufgeschriebene Geschichte des von der Ustascha ermordeten kroatischen Kinderstars Lea Deutsch mit Spannung. Die Schonungslosigkeit, mit der Jergovic sowohl seine Figuren beschreibt, die Hoffart der Jüdin Deutsch aka Tannenbaum, die Brutalität der Ustascha-Schergen, als auch das Kroatien der Jahre 1920 bis 1943, findet Plath beeindruckend. Glänzend beschriebene grausige Szenen, Vorahnungen, bunte Abschweifungen, burleske Szenen ergeben laut Plath ein üppiges "Angstpanorama", das in der Übersetzung von Brigitte Dobert nicht verliert, wie er findet.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 30.11.2019

Rezensent Jörg Plath staunt, wie es Milijenko Jergovic gelingt, sein "Angstpanorama" Kroatiens zwischen 1920 und 1943 "farbig" zu gestalten. In der Geschichte um Ruth Tannenbaum, nur vage angelehnt an das Schicksal des jugoslawischen Kinderstars Lea Deutsch, malt der kroatische Autor dem Kritiker in eindringlichen Bildern aus, wie die Familie unter dem Regime der Ustascha ihre jüdische Identität verleugnete: Selbst als Ruths Großvater Salomon auf der Straße von Schergen der Ustascha totgeschlagen wird, hat er nur Angst, dass ihn Passanten als Juden erkennen könnten, erzählt Plath. Wie souverän Brigitte Döbert dieses an "burlesken, grotesken, blutigen und absurden" Szenen reiche Buch ins Deutsche übertragen hat, hat den Rezensenten beeindruckt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 28.11.2019

Rezensentin Frauke Meyer-Gosau hat keinen Spaß mit Miljenko Jergovics "Ruth Tannenbaum", obwohl es doch genau das ist, was der Autor seinen Lesern offenbar um jeden, wirklich jeden Preis beschaffen will: Spaß. Dafür, so Meyer-Gosau opfert er denn auch gerne den letzten Rest Würde seiner Figuren, macht sie zu unverbesserlichen, aggressiven Tölpeln oder im Fall der Ruth Tannenbaum zu scheußlich sich anbiedernden Püppchen. Eigentlich habe er ja die Biografie des Kinderstars Lea Deutsch schreiben wollen, aber die Recherchen hätten so wenig hergegeben, dass er ihr eben eine fiktive Geschichte angezogen habe. Tatsächlich, so weiß die Rezensentin zu berichten, ist die Faktenlage in Bezug auf Lea Deutsch recht dünn, aber so viel weiß man doch: Dass das Leben der Schauspielerin um einiges spannender und vor allem ambivalenter war, als Jergovic es darstellt. "Angestrengt" findet Meyer-Gosau Miljenko Jergovics Humor, und nicht nur das: "Schmerzhaft" sei es zu lesen, wie der Autor seine Figuren dem billigsten Hohn preisgibt und sich dabei noch zum Schreien komisch findet,  wenn er das Leid und Entsetzen der Nazi-Zeit für seine humoristischen Zwecke nutzt. Mit "Verstehensarbeit" habe das nichts zu tun, ärgert sich die Rezensentin.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.11.2019

Milijenko Jergovics Roman über den Antisemitismus im Zagreb der Zwischenkriegszeit wurde bei seinem Erscheinen in Kroatien im Jahr 2006 nicht gerade freundlich aufgenommen, in Zagreb warf man dem kroatisch-bosnischen Autor "Diffamierung der Stadt" vor, erinnert Rezensentin Doris Akrap. Sie empfiehlt das Buch nachdrücklich - und zwar nicht nur, weil Jergovic ein dunkles Kapitel kroatischer Geschichte beschreibt: "Wo Jergovic Licht anmacht, werden Monster sichtbar", schreibt Akrap, die hier am Schicksal der jüdischen Familie Tannenbaum nachliest, wie sich Vorurteile, Ressentiments, Boshaftigkeit, Arroganz und Ignoranz in jeder Gesellschaftsschicht ausbreiteten und schließlich im Faschismus mündeten. Wie leichthändig und humorvoll Jergovic dennoch immer wieder die"menschliche Schmuddelecken" ausleuchtet, findet die Kritikerin bewundernswert.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.10.2019

Miljenko Jergovics Roman, die fiktionalisierte Biografie der jüdischen Jungschauspielerin Lea Deutsch im antisemitischen Zagreb, gefällt Lerke von Saalfeld durch Beschreibungen einer turbulenten Stadt in der Zwischenkriegszeit, das Auftreten von historischen Figuren und die Erzählung vom langsamen Abdriften der Menschen in den Faschismus. Ein Epitaph für die in Auschwitz ermordete Lea Deutsch und ein bildstarkes Panorama einer verdrängten Zeit, findet Saalfeld.
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