Stuart Jeffries

Grand Hotel Abgrund

Die Frankfurter Schule und ihre Zeit
Cover: Grand Hotel Abgrund
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2019
ISBN 9783608964318
Gebunden, 509 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Susanne Held. Sie überlebten zwei Weltkriege, erlebten den Rassismus, flohen vor dem Nationalsozialismus. Sie entgingen dem Holocaust und überlebten eine Odyssee. Adorno und Horkheimer hatten den Mut, nach dem Krieg aus dem amerikanischen Exil nach Deutschland zurückzukommen, um eine andere, humanere Gesellschaft aufzubauen. Sie waren großbürgerlich, gebildet und elitär - allen voran ihr Papst, Theodor W. Adorno, und ihr Finanz- und Außenminister, Max Horkheimer. Stuart Jeffries entwirft eine vielschichtige Biographie der Frankfurter Schule, die sich mitten im Zeitalter der Extreme des 20. Jahrhundert ereignet. Mitreißend schildert er, wie Mitte der 20er bis Ende der 60er Jahre ihre gesellschaftlichen Utopien entstehen. Kritisch beobachtet Jeffries, wie die 68er-Bewegung aus der Frankfurter Schule hervorgeht und sich etliche 68er zur Gewalt bekennen. Ironisch hält er fest, wie auch diese Rebellion scheitert und vermerkt bitter, dass die "Schule" geschlossen wird. Und dennoch stellte die Frankfurter Schule fast alles vom Kopf auf die Füße: Entschieden wehrten sie sich gegen die Seilschaften alter Nazis und äußerten sich über Jahrzehnte hinweg unmissverständlich gegen Populismus, rechte Ideologie, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Kapitalismus, Beherrschung von Natur und Mensch. Die deutsche Gesellschaft ist seither eine ganz andere: freier, offener, (selbst-)kritischer.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 21.11.2019

Wenn Rezensent Alexander Cammann gleich am Anfang die britische Art lobt, Schweres leichthändig zu vermitteln, kann man durchaus misstrauisch werden. Und im Folgenden beschreibt er Jeffries und sein Projekt tatsächlich mit einem gewissen herablassendem Ton, nennt den Autor einen "Conférencier" und urteilt, sein Buch biete wenig Neues, arrangiere aber das Alte sehr lebhaft, so dass es gut zu einer "intellektuellen Cocktailparty" passe, weniger aber in die Uni. Immerhin lobt der Kritiker das Porträt der Gruppe dieser Frankfurter Schule und freut sich, dass marginale Gestalten aufgenommen sind. Ebenso hebt er hervor, dass die Protagonisten dieser sozialkritischen Philosophie in großer Zahl rebellierende Söhne erfolgreicher Väter waren, denen es als jüdisch-liberalen Unternehmern im Kaiserreich vor allem auf Assimilation angekommen war. Auch gegen diese Art Aufklärung hätten sich die Söhne nach dem Ersten Weltkrieg gewandt. Inspirierender als das Buch aber scheint Camman die Lektüre der Schriften aus der Frankfurter Schule selbst zu finden. Immerhin sei man einmal wieder auf sie aufmerksam gemacht worden.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.10.2019

Richtig gut, so findet Rezensent Johan Schloemann, ist Stuart Jeffries besonders da, wo er die Biografie jener Gruppe zeichnet, die später als Denker der Frankfurter Schule zusammengefasst wurden. Hier erzählt er aus einer großen Kenntnis heraus, sehr lebendig und kritisch über die verschiedenen Persönlichkeiten in den verschiedenen Phasen. Weniger zufrieden ist Schloemann mit der Aktualisierung der Frankfurter Schule, wenn es also um Massenkonsum, den "autoritären Charakter" und Öffentlichkeit geht. Hier scheinen ihm deutlichere Zuspitzungen lieber gewesen zu sein. Aber der so zweischneidig urteilende Rezensent stellt am Ende immerhin fest, dass dieses Buch von allen Einführungen in die Frankfurter Schule immerhin das "unterhaltsamste" sei.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.10.2019

Ein seltsames Buch hat Rezensent Jörg Später zu annoncieren. Dass der Journalist Stuart Jeffries neue Perspektiven auf die Frankfurter Sozialphilosophie versucht, findet er erst einmal in Ordnung, Nebenfiguren wie Erich Fromm ins Licht zu rücken erfrischend, und der weite Blick auf ein ganzes Jahrhundert macht für den Rezensenten auch Sinn. Leider reflektiert Jeffries seine Rede von der Frankfurter Schule nicht, so Später. Dass es eine solche überhaupt gab, war schließlich keinem der im Buch auftretenden Herren bekannt, meint der Rezensent. Ein bisschen anstrengend erscheinen ihm Jeffries' Hang zum ausgiebigen Kommentieren und zur Stilblüte. Richtig ärgerlich aber findet er die vielen Sachfehler im Band. Dass Scholem ein jüdischer Mystiker war und Habermas ein Revoluzzer, hält er für Gerüchte.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 08.10.2019

Marko Martin findet das Buch des britischen Publizisten Stuart Jeffries inspirierend, und das nicht nur, weil der Autor die deutsche Geistesgeschichte so verdammt gut kennt, sondern auch, weil er sie gut lesbar vermittelt in historischen Exkursen, biografischen Porträts von Adorno bis Franz Neumann und mittels Diskurs-Analyse. Die Gruppenbiografie funktioniert laut Martin erstaunlich gut. Die Relevanz der Frankfurter Schule wird sichtbar, meint er, ebenso ihr New Yorker Zweig um Hook, Dewey, Mead und deren Kritik an den Frankfurtern. Die Parallelen zwischen linker und rechter Kulturkritik kommen dem Kritiker allerdings zu kurz.