Efeu - Die Kulturrundschau - Archiv

Kunst, Ausstellungen, Architektur

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Efeu - Die Kulturrundschau vom 15.04.2024 - Kunst

Käthe Kollwitz, "Frau und Tod". Städel-Museum, Frankfurt.

Im Frankfurter Städel-Museum sind im Moment die Skulpturen und Grafiken der großen Käthe Kollwitz zu sehen: Es wird auch Zeit, ruft Kia Vahland in der SZ. Es sind besonders die Nuancen in Kollwitz' sozialkritischen Werken, die die Kritikerin hervorhebt. Oft, so Vahland, geht es hier erstmal nicht um einzelne Individuen, sondern um die kollektive Darstellung von, vor allem weiblicher, Armut und Prekarität. Nicht so bei der "Schwarzen Anna" aus Kollwitz' druckgrafischem Zyklus zu den Bauernkriegen: "Sie ist auf dem Blatt von 1905 beim Dengeln zu sehen, beim Schärfen ihrer Sense. Im Entstehungsprozess verdichtete die Grafikerin dieses Motiv immer weiter, bis Anna schließlich die Sense an ihr Gesicht drückt. Das kalte Metall streift ihre große Nase, die Augen sind fast geschlossen. Die kräftige Hand der Bäuerin presst das Schleifwerkzeug an die Sense, und sie scheint sich dabei auf einen Kampf vorzubereiten, als wäre sie David und die Sense ihre Steinschleuder. Uns beachtet sie nicht, obwohl der Bildausschnitt suggeriert, man könne ihren Atem riechen, so nah kommt sie den Betrachtenden. Die Sensenfrau Anna, so viel ist klar, möchte man nicht zur Feindin haben."

Der israelische Filmemacher Amos Gitai ist auch Künstler, erfahren wir von Marcus Woeller in der Welt. In der Villa Kast in Salzburg sind nun einige seiner Werke zu sehen, zum Beispiel vom Herbst 1973, unter dem "unmittelbaren Eindruck des Jom-Kippur-Kriegs", berichtet Woeller: "Abstrakte Zeichnungen hängen da an den Wänden, kraftvolle Striche mit dem Grafitstift, bunte Knäuel aus Pastellkreide auf angegilbtem Papier oder ausgerissenen Zeitungsseiten. Erst langsam, nach und nach, scheinen Gesichter aus dem Gekritzel auf. Erschreckte, leidende, traumatisierte Gesichter ..."

Weiteres: Die FAZ trauert um die afroamerikansiche Künstlerin Faith Ringold. Im Tagesspiegel denken Nicola Kuhn, Krist Gruijthuijsen und Birgit Rieger darüber nach, ob es dieses Jahr in Venedig zu einer "Boycott-Biennale" kommen wird. Peter Kropmanns freut sich in der FAZ über die Wiedereröffnung der Kunstsammlung Bemberg in Toulouse.

Besprochen werden die Ausstellung "Rewilding" im Kunsthaus Baselland (NZZ) und die Ausstellung "Auguste Herbin" im Musée Montmartre in Paris (FAZ), die Ausstellung "Günter Haese zum 100. Geburtstag" im Sprengel Museum in Hannover (taz) und die Ausstellung "Michael Wesely. Berlin 1860 - 2023" im Museum für Fotografie in Berlin (tsp).
Stichwörter: Kollwitz, Käthe, Gitai, Amos

Efeu - Die Kulturrundschau vom 13.04.2024 - Kunst

Ausstellungsansicht: Anri Sala, Noli Me Tangere. Courtesy the artist and Esther Schipper, Berlin/ Paris/ Seoul. Photo: Andrea Rossetti


Stefan Trinks stellt in "Bilder und Zeiten" (FAZ) den albanischen Künstler Anri Sala vor. Video und Musik sind meist die Mittel seiner Wahl, sein Thema die Pause oder die "Lücke zwischen A und B", wie Trinks schreibt. "Umso mehr überrascht aktuell in Seoul eine Galerieausstellung mit einer auf den ersten Blick für den Künstler völlig neuen, aber hochinteressanten Werkgruppe, die das Thema Zeit erneut in eigenwilliger Weise thematisiert: Fresken. Für die menschheitsalte Technik schießt er auf dem Zeitstrahl in seine eigene Vergangenheit zurück, zu seinem Kunststudium an der Albanischen Kunstakademie in den Jahren 1992 bis 1996, in dem er - Abstraktion war böse, solides Handwerk war alles - auch in der Technik des Freskierens ausgebildet wurde. Die Ausstellung steht unter dem Obertitel 'Noli me tangere'", wie auch ein Fresco von Fra Angelico heißt. Und wie bei Fra Angelico schweben Hände in einem Garten. Die Farben führen aber wieder in eine andere Zeit - "sie schillern in grünen und dunkelblauen Tönen, weil Sala den Teint der Haut eines Farbnegativs invertiert hat." Damit, so Trinks, bringt Sala "ein anderes, jüngeres Medium ins Spiel - die analoge Fotografie, die selbst schon wieder anachronistisch ist."

In der Welt staunt Hans-Joachim Müller über den gewaltigen Erfolg der Caspar-David-Friedrich-Ausstellung in Hamburg, der sich in Berlin wohl wiederholen wird. Woran mag es liegen? Weil jeder alles in die Bilder interpretieren kann? Weil sie immer "zu symbolischer Fantasiearbeit angeregt" haben? Oder liegt es an dieser "Übereinstimmung von gesehener, erlebter und erträumter Welt, die Ununterscheidbarkeit von Innen- und Außenbildern. Dass Sehen und Séance nur zwei Worte für dieselbe Sache sind, das haben wir vor diesem Werk gelernt. Und nur davon handeln Caspar David Friedrichs Bilder, vom stummen Dastehen, vom Geschehenlassen, von der Sprachlosigkeit, die das kampflose Beteiligtsein begleitet. Immer herrscht diese feierliche Ausnahmestimmung, Andacht, Gelassenheit. Und keiner tut etwas, keinem sieht man an, dass er sich die Aufklärungs-Emphase zu eigen gemacht hätte und sich mit großer Gebärde aus selbstverschuldeter Unmündigkeit befreien würde. So geht es in diesen Bildern weder um Frust und Enttäuschung noch um demütig fromme Bescheidung. Ihr Motiv ist überlegene Vernunft, die die Dinge sein lässt, wie sie sind."

Weitere Artikel: Die FAZ stellt mit vielen Fotos den Fotografen Francis Kokoroko vor, der die Auswirkungen des Klimawandels und der illegalen Goldgräberei auf den Kakaoanbau in Ghana und der Elfenbeinküste dokumentiert hat. In der FR schreibt Monika Gemmer zu 150 Jahren Impressionismus, die das Musée d'Orsay mit einer großen Jubiläumsausstellung feiert, die Franz Zelger in der NZZ bespricht. Hannes Hintermeier besichtigt für die FAZ die neu eröffnete Albertina Klosterneuburg.

Besprochen werden außerdem eine Installation von Isabel Tueumuna Katjavivi im Museum Neukölln, die an den Kolonialismus im damaligen Deutsch-Südwestafrika erinnert (BlZ) und die Klima Biennale in Wien (die Sophie Jung in der taz zu einigen kritischen Gedanken anregt: "Man kann sagen, die freie Kunst wird hier instrumentalisiert, auch für das Stadtmarketing von Wien. Der Weg zur Auftragskunst ist nicht sehr weit. Derzeit wird viel über politische Einflussnahme auf die Kunst debattiert. Am Donnerstag noch übergab die Initiative #standwithdocumenta eine Petition an den Aufsichtsrat der documenta gGmbH, um sich gegen die Einführung von Verhaltensregeln für die zukünftigen künstlerischen Leiter:innen der documenta zu stellen. Es heißt, 'Codes of Conduct' würden die Kunstfreiheit einschränken. Vielleicht sollte man mit Kritik woanders ansetzen, nämlich an einem derzeitigen Verständnis von freier Kunst, die einer politischen Agenda dienen solle.")

Efeu - Die Kulturrundschau vom 12.04.2024 - Kunst

Galka Scheyer: Porträt, ca. 1930. Bildrechte: The Blue Four Galka Scheyer Collection, Norton Simon Museum.

"Frau, deutsche Jüdin in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Provinz: diese drei Kriterien scheinen verlässliche Garanten für das vollständige Vergessen einer Persönlichkeit zu sein", überlegt Bettina Brosowsky in der taz, und ist froh, dass diesem Vergessen im Städtischen Museum Braunschweig mit der Ausstellung "Galka Scheyer und die Blaue Vier" nun endlich etwas entgegen gesetzt wird. Zunächst selbst Malerin, wird sie später als Kunstvermittlerin in den USA bekannt und vertritt Alexej Jawlenski, Paul Klee, Wassily Kandinsky und Lyonel Feininger, die "blauen Vier": Sie "erhoffte sich eine kunstaffine und finanziell liquide Klientel aus der Filmbranche. Ein manischer Sammler wie der Regisseur Josef von Sternberg kaufte dann zwar bei ihr, aber das reichte nicht. Scheyer musste erst einmal den Einfluss der Frauen in den USA auf den Kunstmarkt entdecken. Denn sie waren es, die auch bei bescheidenen Mitteln selber sammelten oder über familiäre wie institutionelle Kunstkäufe entschieden." Zusätzlich zur Braunschweiger Ausstellung gibt es nun auch eine Biografie, die Gilbert Holzgang verfasst hat, weiß Jens Hinrichsen im monopol und resümiert: "Wer ihn noch nicht gehört hat, sollte sich den Namen merken. Ihre Künstlerinnenkarriere verfolgte sie nicht so intensiv, dass sie dort Herausragendes leistete. Aber als Unterstützerin großer Persönlichkeiten der klassischen Moderne hat sie Kunstgeschichte geschrieben. Man könnte Galka Scheyer einen 'stillen Star' der Moderne nennen - wenn ihr Rufname 'Galka' (russisch: Dohle) nicht auf ihre Stimme, die durchdringend gewesen sein soll, gemünzt wäre."

Im großen FR-Gespräch laviert der neue hessische Kulturminister Timon Gremmels um die Zukunft der Documenta herum. Verhindern, dass es wieder zum Eklat kommt (unsere Resümees), möchte er "durch eine deutlich sensiblere Documenta GmbH und eine deutlich sensiblere künstlerische Leitung. Wobei man natürlich darauf aufpassen muss, dass die künstlerische Freiheit gewahrt bleibt. Die Sorgen, dass diese eingeschränkt werden könnte, nehme ich ernst. Wichtig ist, dass alle Beteiligten eine klare Haltung haben und wir wissen, wie eine künstlerische Leitung sich zu diesen Themen positioniert." Wie genau diese klare Haltung aussehen soll, wird aber auch in seiner Antwort auf die Frage, wieso der israelbezogene Antisemitismus gerade in der Kulturszene erstarkt, nicht so ganz klar: "Dieser Konflikt wird im Bereich der Kunst und auch der Wissenschaft stellvertretend für die ganze Gesellschaft ausgetragen. Sie werden auch mit den besten Regelungen nicht verhindern können, dass etwas passiert."

Der Hamburger Bahnhof hat die Dauerausstellung mit Werken von Joseph Beuys in der Kleihueshalle dank einer Schenkung der Familie des Sammlers Erich Marx deutlich erweitern können, freut sich Ingeborg Ruthe in der Berliner Zeitung. Die Frage "Was würde er für eine Kunst zur krisengeschüttelten Welt von heute machen?" beantwortet eine korrespondierende Ausstellung der Klangkünstlerin Naama Tsabar: "An den Hallenwänden hat Tsabar ausladende, in den Raum gebogene, klangschluckende, teils mit Kohlefasern behandelte Filzmatten befestigt, eine Art monumentales Tonstudio - oder ein Konzertsaal. Sie und ihre Kuratorin Ingrid Buschmann bringen uns die Rauminstallation als 'Soziale Skulptur' im Sinne von Beuys nahe. Als Einbeziehung des Publikums in den Resonanzraum und als musische Performance."

Weiteres: Fatima Hellberg wird neue Direktorin des Wiener Mumok, melden Standard und monopol. Polen fährt aus politischen Gründen mit zwei Ausstellungen zur Biennale, lässt sich der SZ entnehmen.

Besprochen werden: Der Fund eines neuen Wandgemäldes in Pompeji (FAZ) und die anstehende "Affordable Art Fair" in Berlin (Berliner Zeitung).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 11.04.2024 - Kunst

Die israelische Künstlerin Yael Bartana wird bei der Biennale in Venedig ihr "Generationenschiff" im deutschen Pavillon zeigen. Ein der jüdischen Mystik entlehntes Raumschiff, das das "Aufbrechen ins All" als "ultimative Diaspora" versteht, wie sie im Zeit-Gespräch erläutert. Sie kommt auch auf den Wunsch vieler in Berlin lebender Israelis zu sprechen, vor allem nach dem 7. Oktober wieder nach Israel zurückzugehen, "trotz des Eindrucks, dass fast die gesamte Welt Israel ausradieren möchte. Es ist unsere Heimat, wir teilen eine Sprache. Wir sind dort mit dem Gedanken aufgewachsen, dass wir die verfolgten Juden sind und Israel der einzige Staat ist, der uns rettet. Diese Erzählung ist selbstverständlich problematisch, denn Israel ist für sehr viele Menschen kein sicheres Land. Ich kann mir nur vorstellen, dort zu leben, wenn alle Bürger Israels die gleichen Rechte haben und die Besatzung beendet wird. Viele Menschen wurden getötet, damit dieses Land so existieren kann, wie es heute existiert. Es ist fatal, wohin uns die rechte, messianische Politik in Israel in den vergangenen Jahren geführt hat. Aber es gibt diese messianische Verrücktheit auch auf der anderen Seite." Die UN müsse übernehmen, um den Krieg in Nahost zu beenden, ergänzt sie, aber: "Ich muss aufpassen - wenn ich hier zu offen die israelische Regierung kritisiere, dann kann es passieren, dass ich ausgerechnet von Deutschen antisemitisch genannt werde."

Bild: Lubaina Himid RA: "Naming the Money". 2004. National Museums Liverpool, International Slavery Museum, Gift of Lubaina Himid, 2013. Courtesy the artist, Hollybush Gardens, London and National Museums, Liverpool © Spike Island, Bristol. Photo: Stuart Whipps

Sicher, in der musealen Aufarbeitung der Kolonialzeit gibt es einiges zurechtzurücken, meint Gina Thomas in der FAZ. Aber das, was britische Museen derzeit veranstalten, scheint Thomas doch so, "als wäre eine vom Sockel gestürzte Elite durch eine andere ersetzt worden, die für sich jedoch eine höhere Moral in Anspruch nimmt", wie sie etwa mit Blick auf die Ausstellung "Entangled Pasts, 1768-Now" in der Londoner Royal Academy schreibt, die Arbeiten von britischen Künstlern der afrikanischen, karibischen und südasiatischen Diaspora Werken etwa von Joshua Reynolds oder J.M.W. Turner gegenüberstellt und mit einer Triggerwarnung am Eingang eröffnet: "In der Royal Academy wird der Besucher darauf hingewiesen, dass hier Fragen von Sklaverei und Rassismus behandelt werden und dass einige Werke 'historisch rassistische Begriffe' sowie gewaltsame Bilderwelten enthielten. Der Hinweis geht mit der Empfehlung einher, sich an einen Mitarbeiter zu wenden, um Näheres zu erfahren. Im Katalog beschreibt eine der Kuratorinnen in postkolonialem Jargon das Dilemma, eine Ausstellung über die Mitwirkung von Kunst und Künstlern 'in diesen miteinander verschränkten Geschichten und gelebten Vermächtnissen' zu machen, ohne neue Orte des Traumas zu schaffen oder die Schrecken von Kolonialismus, Rassismus, Versklavung und Vertragsknechtschaft zu beschönigen."

Auch dieses Jahr hat sich Philipp Meier für die NZZ auf der Art Basel Hong Kong umgesehen, die, erstmals wieder so groß wie vor Covid, sogar politische Kunst zeigt - natürlich nur, so lang es nicht gegen China geht. Aber durch das verschärfte, zugleich vage gehaltene "Sicherheitsgesetz" setzen die Teilnehmenden lieber auf Selbstzensur, denn "wo die rote Linie verläuft bezüglich Meinungsfreiheit - und für den Kunstmarkt insbesondere bezüglich Kunstfreiheit -, das müssen jetzt die internationalen Galeristen, die westlichen Messebetreiber und lokalen Kuratoren der Kunstinstitutionen in der Stadt selber herausfinden." Und so "dominierte dekorative Wohnzimmer-Kunst."

Weitere Artikel: Warum soll Eike Schmidt, der als Direktor schaffte den Uffizien frische Luft, saubere Klos, kalte Cola und Besucherrekorde zu bescheren, nicht auch der nächste Bürgermeister in Florenz werden, fragt Hanno Rauterberg in der Zeit.

Besprochen werden die Ausstellung "In Nobody's Service" in der Galerie Wedding, organisiert vom Kollektiv un.thai.tled, das auf Ausbeutung und kulturelle Klischees in Pflege, Sexarbeit und anderen Dienstleistungen aufmerksam machen will (taz) und die Herta-Günther-Ausstellung in der Berliner Galerie Sandau & Leo (BlZ).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 10.04.2024 - Kunst

Joseph Beuys - mit Fahrrad auf den Stufen des Haupteingangs der Kunstakademie Düsseldorf © Hans Lachmann, Lizenz: CC BY-SA 2.0 DEED

Nicola Kuhn macht sich im Tagesspiegel Gedanken über Joseph Beuys. Anlass ist eine dem Künstler gewidmete Sammlungspräsentation im Berliner Hamburger Bahnhof. Beuys gehört, führt Kuhn aus, "zu den Hausheiligen des Museums", Besucher können nun zum Beispiel das beziehungsreiche Hauptwerk "Straßenbahnhaltestelle" entdecken. Wie aber blicken wir von der Gegenwart aus auf den Künstler? "Die Ausstellung erinnert an eine der großen Figuren der Kunst des 20. Jahrhunderts und verleugnet trotzdem nicht, dass mit Beuys' Tod die Strahlkraft seines Werks, zumindest seiner Botschaft von einer radikal demokratischen Gesellschaft verloren ging. Unter die aktuellen Kommentare von Claudia Roth bis Peter Raue, denen in einer Audiostation gelauscht werden kann, mischen sich viele skeptische Stimmen: Den einen gefällt die Stofflichkeit nicht mehr, die anderen fordern eine Aufarbeitung seiner NS-Vergangenheit."

Außerdem: Michael Wurmitzer porträtiert im Standard ein neues Museum in Niederösterreich: die Albertina Klosterneuburg. Die Münchener Pinakothek der Moderne versteht keinen Spaß - und bestraft einen Angestellten, der ein eigenes Bild in den Räumlichkeiten aufgehängt hatte. Ursula Scheer rekonstruiert den Vorfall für die FAZ, auch der Guardian berichtet.

Besprochen werden eine dem Schweizer Fotografen René Groebli gewidmete Schau im Wiener Westlicht (Standard), die Schau "Kunst als Beute. 10 Geschichten" im Berliner Humboldt Forum (monopol; "gut verdaubare Häppchen-Form"

Efeu - Die Kulturrundschau vom 09.04.2024 - Kunst

DSungi Mlengeya | Wallow, 2022 | Privatsammlung, Courtesy of Afriart Gallery © Sungi Mlengeya 

Die Schönheit der Unterschiedlichkeit wird SZ-Kritikerin Emily Weber in der Wiener Albertina Modern vor Augen geführt. Die Ausstellung "The Beauty of Diversity" bemüht sich, so die Kritikerin, künstlerische Positionen abseits des Kanons abzubilden als Ergänzung zur klassischen Sammlung, denn natürlich: je älter:" desto weißer, männlicher, westlicher sind sie". Weber ist beeindruckt: "Eine weibliche Person of Color, sie sieht aus, als würde sie tanzen, blickt den Betrachtenden selbstbewusst in die Augen. Das Weiß ihrer Kleidung geht im weißen Hintergrund auf. So entsteht ein Negativraum mit Platz für Interpretation. Das Porträt ist typisch für das Werk von Sungi Mlengeya, die sich mit der Repräsentation schwarzer Frauen und Weiblichkeit beschäftigt." Zum Ende der Ausstellung stellt sich für Weber aber doch die Frage, was die hier gezeigten Werke eigentlich gemeinsam haben, außer ihrer "Diversität" - es wäre für die Kritikerin jedenfalls ein Gewinn, wenn sie auch ganz allein für sich stehen könnten.

Claus Leggewie berichtet in der FR vom Streit um ein Kunstwerk der Gruppe Gelitin (Wolfgang Gantner, Ali Janka, Florian Reither und Tobias Urban): Das Brunnenprojekt "Wir Wasser" in Favoriten besteht aus "33 kubistisch-surreale Betonfiguren, die um eine Fontäne gruppiert sind" - das "harmlose" Kunstwerk wurde zum Gegenstand einer heftigen Debatte, befeuert von rechts, so Leggewie - ein Symptom für die schlechte soziale Lage in Wien-Favoriten: "Was die Ressentiments der Kunstbanausen letztlich antrieb, ist die in Favoriten umgehende und von denselben Desinformationsmedien geschürte Unsicherheit, seit es dort an einigen Brennpunkten Bandenkriege und die nicht völlig aufgeklärte Vergewaltigung einer Zwölfjährigen gab."

Außerdem: Jens Hinrichsen besucht für den Tagesspiegel die Kyiv Perenniale, die gerade in Berlin stattfindet. Ebenfalls dort schreibt Birgit Rieger einen Nachruf auf den Künstler und Gewerkschaftler Herbert Mondry.

Besprochen werdne die Ausstellung "Anselm Kiefer - Angeli caduti" im Palazzo Strozzi in Florenz (tsp), die Ausstellung "Constant Vision" mit Werken von Jorinde Voigt in der Liebermann-Galerie in Berlin (FR), die Ausstellung "Entangled Pasts. 1768-now. Art, Colonialism and Change" an der Royal Academy in London (taz), die Ausstellung "Echos der Bruderländer" im HKW (taz) und die Ausstellung "Bijoy Jain: Studio Mumbai - Breath of an Architect" in der Pariser Fondation Cartier (tsp).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 08.04.2024 - Kunst

FAZ-Kritiker Hans-Christian Rößler wandelt durch die neue Schau des Picasso-Museums in Málaga und kann hier den Künstler in seiner "Gleichzeitigkeit" und nochmal ganz neu entdecken. Denn das Museum setzt vor allem darauf, die widersprüchlichen Seiten des Malers in Szene zu setzen, so Rößler: "In Málaga bürstet man auch bei anderen Fragen gegen den Strich. Es ist kein Zufall, dass in dem Saal, in dem es um sein Verhältnis zu Frauen geht, eine Wand starke und kreative Frauen vereint: Sie sind Kämpferin, Musikerin und Malerin und nicht seine Opfer, auf die sie zuletzt oft reduziert worden waren. Der politische Picasso hält sich in Málaga im Hintergrund. Der Spanische Bürgerkrieg und der Zweite Weltkrieg haben die Farbe Grau; die Auswahl zeigt statt expliziter Gewalt das Leiden. Die gespenstische 'Büste einer Frau' aus dem Jahr 1941 reduziert ihr Gesicht auf eine rüsselartige Nase mit Zähnen, die aus einem fleischlosen Kiefer ragen; Farbe tropft wie Blut aus ihrer Kleidung. Knapp zwei Jahrzehnte später greift er 1962 die Kriegsstimmung mit dem 'Gefesselten Hahn' (El gallo atado) wieder auf. Er liegt wehrlos neben einem Messer, bereit für seine Folterer."

Weiteres: FAZ und Tagesspiegel melden, dass Eike Schmidt, der ehemalige Direktor der Uffizien in Florenz, nun für die Stadt als Bürgermeister kandidieren will. Besprochen wird die Ausstellung "Käthe Kollwitz"im Museum of Modern Art in New York (NZZ).
Stichwörter: Picasso, Pablo, Malaga

Efeu - Die Kulturrundschau vom 06.04.2024 - Kunst

Irritierende Dinge passieren in der russischen Museumwelt, notiert der Kunsthistoriker Konstantin Akinscha in der FAZ: Ein Rembrandt-Mal-Wettbewerb russischer Gefangener etwa, die Ausstellung von drei angeblichen Werken von Leonardo da Vinci und nicht zuletzt eine Schau in der Petersburger Eremitage, in der die 82-jährige Mutter des Söldnerführers Prigoschin ausstellen darf: "Violleta Prigoschin ist eine Wochenendkünstlerin, die gefährdete Baudenkmäler malt. Die Qualität ihrer Werke unterscheidet sich kaum von den Beiträgen des genannten Wettbewerbs. ... Russischen Beobachtern zufolge hatten ihre Werke in der Vergangenheit jedoch eine magische Kraft: Oftmals vergessene und verfallene architektonische Kleinode, die sie abbildete, wurden von den Behörden unerwartet restauriert. Sie malte auch die Ruinen des syrischen Palmyra, das sie auf Einladung ihres Sohnes besuchte, als die Wagner-Gruppe an der Seite Assads gegen die Terrorgruppe 'Islamischer Staat' kämpfte und unerhörte Militärverbrechen beging. Die Ausstellung in der Wyborger Filiale der Eremitage hat offensichtlich einen starken symbolischen Wert. Wenn nach Stalins Worten 'der Sohn nicht für den Vater verantwortlich ist', ist in Putins Russland die Mutter nicht für ihren Sohn verantwortlich, vor allem, wenn sie die Mutter von Jewgeni Prigoschin und nicht die Mutter von Alexej Nawalny ist."

Der Schweizer Künstler Ugo Rondinone hat die heutige Ausgabe der NZZ mitgestaltet. Philipp Meier schreibt begeistert: "Rondinone widersetzt sich dem Gebot einer subversiven Moderne. Er zeigt uns, dass Kunst nicht hässlich sein muss. Seine Kunst schockiert nicht, sie begeistert. Seine Sternenbilder sind zwar dunkel, aber leuchten gleichwohl hell. Seine Sonnenbilder sind Lichtspender und Hoffnungsträger. 'Ich möchte die Leute nicht deprimieren', sagt Ugo Rondinone. Und macht Kunst eben anders. Er schwimmt gegen den Mainstream. Darin liegt fast etwas Skandalöses. Auch Rondinone ist dem Zeitgeist unterworfen. Wer nicht Revoluzzer ist in der Kunstwelt, der bleibt ein Unbekannter. Rondinone aber ist weltbekannt. Er ist ein Starkünstler." Im Interview mit Benedict Neff unterhält sich der Künstler außerdem über seine künstlerischen Anfänge als Schüler einer Nonne, die Schwulenszene der Achtziger Jahre und darüber, warum er sich als "Künstler des Lichts" begreift.

Weiteres: In der Welt gibt Boris Pofalla einen Ausblick auf die diesjährige Biennale in Venedig und die zu erwartenden politischen Spannungen. Peter Richter feiert in der SZ 150 Jahre Impressionismus. Hans-Joachim Müller besucht für die Welt die neu eröffnete Villa Flora in Winterthur.

Besprochen werden die Ausstellung "Momsters" mit Werken von Leiko Ikemura in der Gallerie CFA in Berlin (tsp) und in einer Doppelbesprechung die dem Impressionismus gewidmeten Ausstellungen "1863-1874. Revolution in der Kunst" im Wallraf-Richartz-Museum in Köln sowie "Paris 1874. Inventer l'Impressionnisme" im Musée d'Orsay in Paris (SZ).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 05.04.2024 - Kunst

Cosima von Bonin: Emporkömmling, 2023. Bild: Courtesy of the Artist and Petzel, New York.

Schräg, zugleich lustig und abgründig findet Lisa Berins in der FR die Ausstellung "Feelings" von Cosima von Bonin in der Frankfurter Schirn. Als roter Faden führt Daffy Duck durch die Kunstwerke: "Daffy ist so was wie der Protagonist dieser Schau. Ein immer wieder scheiternder, sich immer wieder aufraffender Idiot, getrieben von Geltungssucht und anderen niederen Motiven. Daffy ist einer wie du und ich. (Und deshalb irgendwie doch ganz sympathisch.) Am Ende steht die Ente stolz auf einem Podest, die Hände glorreich gen Himmel erhoben, als warte sie auf Applaus der Besucherinnen und Besucher. Die besserwisserischen Bugs-Bunny-Häschen sind in die Tonne gedrückt - alle Aufmerksamkeit gehört Daffy, für diesen einen kurzen Moment nur, bevor der nächste Absturz folgt." Überhaupt entdeckt Berins haufenweise popkulturelle Referenzen: "Es geht um Vermarktung und Konsum. Auch das Bambi taucht in zwei textilen Bildern auf. Das Rehlein hat scheinbar seine Flecken verloren, sie liegen auf einer Picknickdecke herum (das ist jetzt eine ziemlich freie Interpretation) - vielleicht sind sie ihm vor lauter Stress abgefallen?"

Im Wende Museum Los Angeles besucht Andreas Platthaus für die FAZ die eindrückliche Schau "Visions of Transcendence - Creating Space in East and West", die Kunst von Gefängnisinsassen sowohl aus den USA als auch aus früheren Ostblockstaaten vereint. Es sind Werke, die unter widrigen Umständen entstanden sind und von diesen Bedingungen, auch anonym, zeugen: "Wer wüsste ohne ihre Werke noch von einem Skandal wie der vierjährigen Internierung von 53 chinesischen Bootsflüchtlingen in den Neunzigerjahren, die erst durch ein Machtwort von Präsident Clinton beendet wurde. Ihre 233 Schicksalsgenossen von der Golden Venture, wie das Schiff hieß, auf dem sie mehr als ein Jahr unterwegs gewesen waren, hatte man da bereits abgeschoben. Der aus Pappmaschee gebastelte Miniaturpavillon, den das Wende-Museum zeigt, ist ein bewegendes Zeugnis des Heimwehs der seinerzeit vor der rigorosen Ein-Kind-Politik Geflohenen."

Weiteres: Bedeutende Werke des jüngst verstorbenen Bildhauers Richard Serra (unser Resümee) verkommen in Lagern oder Bahnhofsdepots, ärgert sich Bernhard Schulz im monopol. Ólafur Elíasson zeichnet für die neuen Fenster im Greifswalder Dom verantwortlich, die zu Ehren des 250. Geburtstags von Caspar David Friedrich in Auftrag gegeben wurden - Ingeborg Ruthe schaut für die FR vorbei.

Besprochen werden: "An seltsamen Tagen über Flüsse in die Städte und Dörfer bis ans Ende der Welt" von Ute und Werner Mahler in der Kunsthalle Erfurt (taz), die Frühjahrsausstellung "Hier" des Neuen Kunstvereins Aschaffenburg (FAZ) und "I Spy With My Little Eye" von Lukas Glinkowski und Stefan Hirsig in der Berliner Galerie Smac (Berliner Zeitung).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 04.04.2024 - Kunst

Bild:Billie Zangewa, Midnight Aura, 2012. Courtesy the artist, Lehmann Maupin and Stedelijk Museum Amsterdam. Photo by John Hodgkiss.

In der SZ seufzt Till Briegleb: Wollte die Schau "Unravel. The Power of Politics of Textiles in Art" in der Londoner Barbican Art Gallery doch gerade zeigen, dass Textilkunst eben keine reine Frauenkunst ist. Und dann werden laut Briegleb ausschließlich Arbeiten von Frauen und einigen schwulen Männern gezeigt, textile Werke von weißen, heterosexuellen Künstlern wie Joseph Beuys oder Michelangelo Pistoletto fehlen gänzlich. Davon abgesehen aber lernt Briegleb hier die subversive Kraft der Textilkunst kennen, in den Werken, die "Geschichten von politischem Widerstand oder erlittenen Traumata" erzählen: "Das reicht von prominenten Arbeiten wie Tracey Emins Patchwork-Decken von 1999, auf denen sie ihre Vergewaltigung als 13-Jährige thematisiert, oder Louise Bourgeois' visualisierten Körperängsten aus deformierten rosa Stoffpuppen bis hin zu Voodoo-Tapisserien aus Haiti mit weißen Reitern, die schwarze Zombies aus dem Friedhof zur Arbeit holen, oder Stickereien, die den spanischen Kolonialismus oder die wirtschaftliche Ausbeutung indigener Lebensräume behandeln."

Bild: Louise Rösler: Tivolivariation, 1967. Museum Atelierhaus Rösler-Kröhnke, Foto: MGGU / Uwe Dettmar © Anka Kröhnke

Als Frauenkunst dürfen auch die Werke der Berliner Malerin Louise Rösler, der das Frankfurter Museum Giersch derzeit eine große Retrospektive widmet, nicht verstanden werden, hält Judith von Sternburg in der FR fest. Das sahen die Zeitgenossen noch anders, erinnert Sternburg, die zunächst aus Kritiken der Fünfziger- und Sechzigerjahre zitiert, in denen die Arbeiten der Malerin auf ihr "reizvolles Frauentum" reduziert wurden. "Das hatte alles nicht viel mit Louise Röslers Bildern zu tun", erkennt Sternburg in der aktuellen Schau: "Zunächst expressionistisch farbigen, aber nicht dramatischen, sogar eher kühlen Großstadtansichten - Straßen und Plätze in Berlin und Paris, wo sie ebenfalls einige gute Jahre lebte und die Perspektive einer Flaneurin einnahm -, später zunehmend ins Abstrakte gehenden, quirlig kleinteiligen Stücken. Experimentierfreudige, kraftvolle Bilder für Menschen, die Details entdecken und komplexe Kompositionen bestaunen wollen."

Der Neue Berliner Kunstverein hatte kürzlich zwei Künstlerinnen achselzuckend ziehen lassen, die drohten, ihre Ausstellungen abzusagen, weil das Haus ihre Meinung zum Gaza-Krieg nicht teilt. (Unser Resümee) "Streikaufrufe führen zu Spaltung und Positionierungszwang", betont im Gespräch mit der Berliner Zeitung nochmal Marius Babias, Direktor des n.b.k.: "Der n.b.k. hat in der Vergangenheit mit palästinensischen und israelischen Künstler:innen und Kurator:innen zusammengearbeitet, die sich in diesem Konflikt ganz explizit verortet haben, aber sie haben der Institution nicht ihre jeweiligen politischen Positionen aufzwingen wollen. Der n.b.k. stellt weltbekannte Künstler:innen aus, die zu den ersten gehören, die ihre Stimme erheben. Was ich sagen will: Wir räumen sehr viel Sprechmacht ein. Aber als Institution möchte sich der n.b.k. politisch nicht instrumentalisieren lassen. Wir wollen die Integrität, den Schutzraum, die Autonomie und die Unabhängigkeit der Institution weiter aufrechterhalten."

Besprochen werden die Ausstellung "Kotti-Shop/SuperFuture - Formen der Verhandlung" in der Berlinischen Galerie (taz), die Ausstellung "Frieda Angenehm: Solo Art Show, Frieda im All" in der Berliner Sustainable Clubwear Galerie (taz) und die Ausstellung "Comfort Zone" mit Arbeiten von Miriam Jonas in der Berliner Galerie Russi Klenner (Tsp)