Magazinrundschau - Archiv

Clarin

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Magazinrundschau vom 23.11.2010 - Clarin

"Der Zugang zum Wissen wird gleichzeitig immer freier und immer stärker bewacht." Horacio Bilbao stellt das kürzlich erschienene Buch Argentina copyleft (s. a. hier) vor: "'Gesetze aus dem 19. Jahrhundert regulieren die Kultur des 21.', erklärt Herausgeberin Beatriz Busaniche. 'Die heute geltenden Copyright-Bestimmungen sind für einen völlig anderen sozialen und technischen Kontext gedacht.' Die neue Art der Rechteverwertung in Gestalt von 'Lesegenehmigungen via E-Books' wiederum, warnt Busaniche, 'droht unsere bisherige Lektürepraxis volkommen zu verändern. Indem wir das auf Papier gedruckte Buch durch einen Kindle oder iPad ersetzen, verlieren wir unter anderem die Möglichkeit, Bücher weiterzuverkaufen, auszuleihen, noch einmal zu lesen usw.' Argentinien nimmt derweil in einem 2010 von der Organisation Consumers International erstellten Ranking Platz sechs auf der Liste der Länder mit den restriktivsten Urheberrechtsbestimmungen ein. Eine kürzlich ohne nennenswerte öffentliche Debatte beschlossene Gesetzesänderung verhinderte so etwa, dass eine 1961 entstandene Aufnahme mit Musik der jüngst verstorbenen Sängerin und Nationalheldin Mercedes Sosa öffentliches Gemeingut wurde, indem das Urheberrecht kurzerhand um 20 Jahre verlängert wurde - auch rückwirkend, so dass andere Werke der Sängerin, deren Rechte bereits frei geworden waren, wieder in Privatbesitz zurückfielen."

Magazinrundschau vom 29.09.2009 - Clarin

"Die Zukunft setzt keine Energien mehr frei." Hector Pavon interviewt den französischen Soziologen Michel Maffesoli, der gerade in Buenos Aires ein Seminar abhält: "Arbeit, Vernunft, Zukunft, das waren die drei großen Werte der Moderne. In unserer Zeit - wir nennen sie provisorisch Postmoderne, einfach weil es noch keinen passenden Ausdruck dafür gibt, 2050 sind wir vielleicht soweit, dass wir einen haben - dreht sich dagegen fast alles um Kreation, Imagination, Gegenwart. Und während Europa das Laboratorium der Moderne war, sind Lateinamerika und Ostasien die Laboratorien dieser 'Postmoderne'. Hier arbeitet man intensiv an diesen Dingen, hier spielt die Imagination eine große Rolle, hier geht es nicht nur um Arbeit, sondern immer auch um Kreation, hier gibt es Zukunft, aber immer auch Gegenwart. Auch in Europa gab es Zeiten, die ganz auf die Gegenwart ausgerichtet waren, die Renaissance etwa oder das 3. und 4. Jahrhundert, die Zeit des Untergangs Roms - und eine solche Zeit steuern wir meiner Einschätzung nach gerade wieder an."

Magazinrundschau vom 23.06.2009 - Clarin

Jose Manuel Lara Bosch, Chef des Grupo Planeta, der mächtigsten Verlagsgruppe der spanischsprachigen Welt, träumt vom Rentnerdasein: "Wenn es endlich soweit ist, schnappe ich mir einen der kleinsten und unangepasstesten Verlage unserer Gruppe und mache wieder auf Kleinverleger, der selbst darüber entscheidet, wie die Buchcover aussehen, der persönlich in die Druckerei geht und die Gerüche dort genießt? Das war zu meinen Anfängen die lustigste Zeit meines Verlegerlebens. So soll es dann wieder sein: kein Unternehmer mehr, sondern bloß noch einfacher Verleger, der seine Bücher selbst an den Mann bringt. Ein großes Problem ist allerdings die Internetpiraterie - ich verstehe schon, dass alle unbedingt für alles möglichst wenig bezahlen wollen, man denke bloß an die Billigfluglinien, Hotels ohne Personal, etc. - aber der völlige Nulltarif, das geht nicht. Vorgehen sollte man aber nicht gegen private Internetnutzer, sondern gegen die Besitzer der 40 Websites, über die etwa in Spanien 80 Prozent der Piraterie abgewickelt werden: diese Leute machen nämlich wirklich ein Geschäft - kurioserweise vor allem mit Werbung von Telekommunikationsfirmen?" (Und wenn sie genug Geld verdient haben, träumen sie wahrscheinlich davon, einen kleinen Verlag zu gründen und den Duft alter Druckmaschinen zu schnuppern...)
Stichwörter: Duft, Geld, Geruch, Internetpiraterie

Magazinrundschau vom 09.06.2009 - Clarin

Beatriz Sarlo, die grande dame des argentinischen Feuilletons, spricht in einem sehr lesenswerten Interview über ihr soeben erschienenes Buenos-Aires-Buch "La ciudad vista" ("Die geteilte Stadt"): "Die nostalgische Perspektive scheint mir denkbar ungeeignet. Ein Großteil dessen, was heute in und mit den Städten geschieht, mag schlecht sein, aber es gibt trotzdem viele Alternativen, die nicht darin bestehen, einfach nur die Vergangenheit wiederherstellen zu wollen. Wir müssen uns fragen, was für eine Stadt wir haben wollen - eine für die Mittelschicht, wie in den Stadtvierteln mit starkem Kulturleben, die ich unter anderem in dem Buch vorstelle, oder eine Stadt für alle. Es hängt auch davon ab, ob wir die Entscheidung der Immobilienbranche überlassen, oder ob es dem Staat und den Bürgervereinigungen gelingt, mit darüber zu entscheiden, wo die Leute leben sollen. Gesellschaft - das ist genau das, was mich mit denen, die anders sind als ich, verbindet."
Stichwörter: Buenos Aires, Mittelschicht

Magazinrundschau vom 24.02.2009 - Clarin

"Gomorrha"-Autor Roberto Saviano, gerade zu Besuch in Argentinien, genießt es offensichtlich, einmal nicht über die Mafia zu schreiben. Dafür feiert er ausgiebig den neuen Fußball-Mythos Lionel Messi: "Messi spielen sehen ist wie Musik hören, als fügten sich vor deinen Augen die Teile eines auseinandergefallenen Mosaiks wieder zusammen, es ist wie eine Darlegung der Formeln von John Nashs Spieltheorie. Wie ein Schachspieler hat Messi die großen Spielzüge seines Meisters Maradona im Kopf, und manchmal gelingt es ihm tatsächlich, sie haargenau nachzuspielen. Messi hat sich übrigens nicht deshalb auf ein Interview mit mir eingelassen, weil ich Schriftsteller bin, sondern weil ich aus Neapel komme: Für einen Bewunderer Maradonas wie ihn ist das so, als begegnete ein Muslim jemandem, der in Mekka geboren ist."

Magazinrundschau vom 10.02.2009 - Clarin

Der uruguayische Schriftsteller Juan Carlos Onetti wäre am 1. Juli 2009 100 Jahre alt geworden. Mario Vargas Llosa hat aus diesem Anlass einen langen Essay zu Onettis Werk verfasst. Die spanische Ausgabe ist vor kurzem erschienen, die deutsche Übersetzung folgt im Mai. Im Interview mit Clarin findet Vargas Llosa "Onettis Welt unendlich traurig und demoralisierend - aber wenn man sieht, dass jemand so gut schreiben kann, möchte man meinen, so schlimm kann es um diese Welt eben doch nicht bestellt sein. Außerdem zeigt er, dass wir Menschen in der Literatur nicht bloß eine Entschädigung für all das erlittene Leid finden, sondern durch die Lektüre ungeheuer bereichert werden und die unglaublichsten Dinge erleben können."

Magazinrundschau vom 03.06.2008 - Clarin

"Wie werden die Städte der Zukunft sein?", fragt N, das Magazin der argentinischen Zeitung Clarin, und der spanische Architekt Santiago Calatrava gibt in einem seiner seltenen Interviews überraschend optimistische Antworten: "Ich glaube, so rasend schnell wie im 20. Jahrhundert vor allem in Europa werden die Städte nicht mehr wachsen. Dass die Einwohnerzahl einer Stadt innerhalb von gerade einmal zwei Generationen von 2000 auf zwei Millionen steigt, das wird sich so wohl nicht wiederholen. Im 21. Jahrhundert werden wir uns mit der Stadt aussöhnen. Durch öffentlichen Nahverkehr und Verbesserung der Infrastruktur werden die Städte als Orte, in denen es sich angenehm leben lässt, wiedergeboren werden. Ich glaube, das wird ein großartiges Jahrhundert." (Hier ein fast einstündiger Beitrag über und mit Calatrava in der Show des amerikanischen Talkmasters Charlie Rose.)

Magazinrundschau vom 01.08.2006 - Clarin

Carmen Balcells, eine der mächtigsten und einflussreichsten Frauen des spanischsprachigen Literaturbetriebs, Agentin unter anderem von Gabriel Garcia Marquez, Mario Vargas Llosa und Isabel Allende, hat sich zum ersten Mal seit zwanzig Jahren zu einem Interview bereit erklärt. Und prompt spricht sie recht offen: "Die Aktivitäten von Leuten wie mir gehören nicht ans Licht der Öffentlichkeit. Aber wenn ich bedenke, wie viel ich für die selbe Seitenmenge zu bezahlen hätte, um Werbung zu schalten, dann darf ich mir eine solche Gelegenheit zur Promotion meiner Projekte nicht entgehen lassen. Mein Ziel ist es, das Einkommen meiner Erfolgsautoren irgendwann auf das Niveau von Tennisspielern, Opernsängern oder Fußballstars zu heben. Mein persönliches Ziel war immer die Unabhängigkeit - und der einzige Weg dorthin ist die ökonomische Unabhängigkeit: soviel Geld besitzen, dass man nicht mehr darüber nachdenken muss. Am meisten aber reizt mich die Macht, ich möchte zu diesem Dutzend von Personen gehören, die sich die Präsidenten an den Tisch holen und über die Zukunft entscheiden, ohne dass wir anderen davon erfahren."

Magazinrundschau vom 09.05.2006 - Clarin

In der ersten April-Ausgabe der London Review of Books hatte Slavoj Zizek philantropische Kapitalisten wie Bill Gates, George Soros oder Ted Turner als "liberale Kommunisten" verdammt. Fernando A. Iglesias feuert zurück: Nicht die Kapitalisten sind das Problem, sondern die Linke. "Der Linken des neuen Jahrtausends fehlt kein Programm - ihr fehlen Phantasie, Wille, Mut und Anstand. Wäre sie imstande, sich die grundlegenden Werte des kapitalistischen Liberalismus zu eigen zu machen und sich für die Klassengesellschaft einzusetzen, aber gegen deren Verwandlung in eine Erbengemeinschaft, für eine Welt, in der persönlicher Verdienst und Leistung zählen anstelle des Zufalls in Form ererbter Vermögen, für einen humanistischen Individualismus statt nationaler Stammesgemeinschaften und Familienclans, so überwände sie endlich den progressiven Feudalismus, in dem sie es sich so bequem eingerichtet hat. Wie muss es um eine bestimmte 'Linke' bestellt sein, dass man sich genötigt fühlt, ausgerechnet Bill Gates zu Hilfe zu kommen!"

Als Antwort hierauf reklamiert Zizek für sich in einem Interview eine "Bartleby-Politik": "Vielleicht besteht die nächstliegende wahrhaftige Handlung darin, der Versuchung zu handeln, zu widerstehen."

Magazinrundschau vom 11.04.2006 - Clarin

"Wir brauchen einen neuen Luther. Aber der bin nicht ich." Frisch eingetroffen in Buenos Aires, um einen neuen Lehrstuhl für Ethik und Kulturwissenschaften zu eröffnen, spricht der italienische Philosoph Gianni Vattimo einmal mehr über das vertrackte Verhältnis von Religiosität und Demokratie: "Offenbar benötigt unser demokratisches Leben Religiosität, und bis heute schien die Integration von Gesellschaften gewährleistet, wenn sie über eine gemeinsame Religion verfügen. Aber ist das nicht ein Mythos? Meinem Eindruck nach sind im Gegenteil Unterschiede nötig. Ich bin überzeugt, der Lebendigkeit einer Demokratie täte es gut, sich auf das Primat der Nächstenliebe zu einigen: die Nächstenliebe legt uns nahe, den anderen als anderen anzunehmen, statt ihn auf uns selbst zu reduzieren. Schon Platon hat ständig die Frage der Einheit oder Vielheit diskutiert, aber er hat nie erklärt, weshalb die Einheit eigentlich besser sein soll als die Vielheit. Warum, um Himmels willen, soll die Einheit besser sein?"