Magazinrundschau - Archiv

Encuentros

3 Presseschau-Absätze

Magazinrundschau vom 06.09.2004 - Encuentros

450 Kilometer von Havanna entfernt sitzt der kubanische Dichter und Journalist Raul Rivero eine zwanzigjährige Gefängnisstrafe ab. Obwohl der 59-jährige schwer krank ist, weigert sich die Gefängnisaufsicht, ihm die benötigten Medikamente zu übergeben. "Sie wollen ihn erniedrigen, um ihn innerlich zu brechen", hat seine Frau jüngst der Organisation Reporter ohne Grenzen zu Protokoll gegeben. In einem Offenen Brief an den spanischen Regierungschef, Jose Luis Rodriguez Zapatero, bittet nun der Chefredakteur der kubanischen Zeitschrift Encuentro, Manuel Diaz Martinez, gegen diese "menschenunwürdigen Haftbedingungen" zu intervenieren. Der Umgang mit Rivero kontrastiere nur scheinbar mit den in letzter Zeit anderen politischen Gefangenen zugestandenen Hafterleichterungen, wie Encuentro in einem weiteren Artikel zu diesem Thema berichtet: "Weltweit ist Kuba mit 26 Inhaftierten, nach China, mit 27, das zweitgrößte Gefängnis für Journalisten. Sie wurden im März 2003 zusammen mit rund fünfzig Dissidenten verhaftet und zu Haftstrafen zwischen 14 und 27 Jahren verurteilt".

"Das von Hugo Chavez gewonnene Referendum ist für Venezuela ein schlechtes Symptom. Nicht weil Chavez es gewonnen hat, sondern weil es überhaupt stattfand. Für die Demokratie ist eine zweigeteilte Gesellschaft die denkbar schlechteste Nachricht", schreibt Hector Aguilar Camin in einem kurzen pointierten Kommentar. Der mexikanische Romancier wundert sich sehr, wie jemand so unseriöses wie Chavez derart erfolgreich sein kann. Das "Mysterium Chavez ist das Mysterium des lateinamerikanischen Populismus. Irgendwer müsste mal erklären, wie ein für unsere Länder so schädlicher politischer Habitus weiterhin so erfolgreich sein kann und in der Vorstellung vieler Lateinamerikaner als stolze, würdige, in mancher Hinsicht heroische und wahrhaft volkstümliche Alternative gilt". Mehr aus der venezolanischen Innenperspektive analysiert Yamila Rodriguez Eduarte den Ausgang des Referendums. Nach all den politischen Turbulenzen müsse Chavez sich nun dringend der Wirtschaft zuwenden. "Die zu Vorwahlzeiten mit hohen Erdölpreisen finanzierte Spendierfreudigkeit wird nicht ewig andauern", mahnt sie an.

Alejandro Armengol indes versucht aus kubanischer Sicht den Erfolg von "Lagrimas Negras" zu erklären, einer wunderschönen Aufnahme klassischer Boleros, die von Altmeister Bebo Valdes vertont und von Flamenco-Größe Diego "El Cigala" gesungen werden. In Spanien ist diese geradezu perfekte Platte schon seit bald zwei Jahren ein nur mit Buena Vista Social Club vergleichbares Phänomen. Obwohl auch von einem Kritiker der New York Times zur besten CD von 2003 erkoren, soll sie erst jetzt in Deutschland erscheinen. Entscheidend sei das auf das Wesentliche reduzierte Klavierspiel des Virtuosen Bebo Valdes, meint Armengol. "'Lagrimas Negras' lässt uns mit dem Gefühl zurück, noch ein bisschen in der Bar ausharren zu wollen, bis Sänger und Pianist zurückkehren". (Hier was zum Hören, einen Augenblick warten, dann geht's los)

Magazinrundschau vom 19.01.2004 - Encuentros

Auf Kuba ist der private Zugang zum Internet weiter eingeschränkt worden. Der war zwar schon vorher schwierig, aber immerhin dank einem florierenden Handel mit Einwahlnummern und Passwörtern noch möglich. Damit ist nun Schluss: "Diejenigen, die sich darauf spezialisiert hatten, illegale Zugänge zu verkaufen, müssen nun ihr Geschäft aufgeben oder ernste Konsequenzen fürchten, während ein paar Hunderttausend informellen Nutzern keine andere Alternative bleibt als die Rückkehr in die Höhle der Desinformation, der Isolation und der Rauchzeichen", schreibt Jose H. Fernandez aus Havanna in der Internet-Ausgabe der kubanischen Zeitschrift Encuentros. Amnesty International und Reporter ohne Grenzen haben bereits protestiert. Ob das etwas nutzt, ist fraglich: "Wir stehen immer für eine Diskussion zur Verfügung, aber die kubanische Regierung hat darauf noch nie reagiert. Kuba ist eine Mauer, die jeglichen Dialog abschmettert", beklagt sich der internationale Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen, Robert Menard, in einem offensichtlich schon zuvor geführten Interview.

Indes versuchen sich die Priester der in Kuba weitverbreiteten Santeria-Religion in der Vorhersage, was 2004 so bringen wird. Eine kleine Auswahl aus der traditionellen Neujahrs-Prophezeihung dieser sogenannten Ifas: "Verlust angesehener religiöser und öffentlicher Persönlichkeiten", "Verrat auf höchster Ebene", "Verschärfung des Machtkampfes" und "radikaler Wandel in allen sozialen Schichten" (allerdings ebenso: "Zunahme der ausländischen Investitionen", "Ausbreitung der Handelsmarine", "Klimawandel" und "Empfehlungen zur Wahrung der familiären Einheit"). Wie dem Bericht in Encuentros zu entnehmen, gibt es allerdings noch einen anderen, mit den Ifas konkurrierenden Priesterverband, der auf eine "Zunahme des Verbrechens" tippt. "Wir haben da verschiedene Methoden", erklärt einer der Beteiligten die Meinungsunterschiede. Das von dem kubanischen Schriftsteller Jesus Diaz gegründete Magazin hat übrigens Ende 2003 eine neue Printausgabe auf den Markt gebracht (Inhaltsangabe hier).

Magazinrundschau vom 01.12.2003 - Encuentros

Entdeckung Nummer zwei ist die Internet-Ausgabe von Encuentros, einer Zeitschrift zum Ideenaustausch zwischen daheim gebliebenen und ins Exil gegangenen kubanischen Intellektuellen, die in den Neunzigern vom mittlerweile verstorbenen Romancier Jesus Diaz gegründet wurde. Ansprechendes und klar gegliedertes Layout, ausführliche Reportagen, aktuelle Meldungen, lebendige Diskussionen auf der Leserbriefseite: Encuentros ist mit das Beste, was das spanischsprachige Internet derzeit zu bieten hat. Die Beurteilung der aktuellen Lage auf Kuba fällt dabei sehr kritisch aus. Woran liegt es, dass sich so viele Frauen auf der Insel das Leben nehmen?, wird zum Beispiel in Miami gefragt . Ein Bericht aus La Havanna indes beschreibt, wie im Zuge der Drogenbekämpfung gleich die Punkmusik mit unterdrückt wird.

Dabei blickt Encuentros auch über den Tellerrand und diskutiert zum Beispiel mit der venezolanischen Historikerin und Ethnologin Elizabeth Burgos über die lateinamerikanische Linke. Die Lebensgefährtin von Regis Debray und "Entdeckerin" der guatemaltekischen Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu hat mittlerweile sehr wenig für Fidel Castro übrig. Kritisch geht Burgos, die in Paris lebt, auch mit Europas "herablassender Haltung" gegenüber Lateinamerika und der häufigen Verklärung Kubas ins Gericht: "Hier in Paris wird gemeint, dass die Menschen in der Dritten Welt sich mit ein bisschen Medikamenten und Erziehung zufrieden geben sollten. Was sie hierzulande nie akzeptieren würden, halten sie dort für normal".

Der bereits erwähnte Eliseo Alberto steuert auch hier einen Text bei: eine wunderbare Reportage über Kid Chocolate. Der hieß mit richtigen Namen Eligio Sardiñas Montalvo und war zwischen 1930 und 1933 Boxweltmeister im Fliegengewicht. Bevor er später an seinem eigenen Erfolg zu Grunde ging, gelang es allenfalls seinen "111 Geliebten, ihn im Nahkampf niederzustrecken".