Mord und Ratschlag
Sex und Reinfall
Die Krimikolumne. Von Ekkehard Knörer
08.05.2008. Der Rotbuch-Verlag übernimmt eine der aufregendsten amerikanischen Krimireihen - die Pulp Fiction Revival-Unternehmung "Hard Case Crime". Dazu gehört Mut, denn der deutsche Buchmarkt liebt das Hartgesottene in der Regel eher nicht. Leider sind die ersten drei Bände qualitativ eher gemischt, immerhin "Abschied ohne Küsse" des Schotten Allan Guthrie kann überzeugen.
Es gehört deshalb Mut zum jüngsten Projekt des Rotbuch-Verlags: Er übernimmt, unter der qualitätssichernden Aufsicht der Expertin Lisa Kuppler, die Reihe "Hard Case Crime", die seit einigen Jahren in den USA Furore macht (hier die Website der Original-Reihe, hier die der deutschen Version). Deren Konzept: Zum einen werden alte, teils völlig vergessene Autoren, Klassiker und Sub-Klassiker der Pulp-Literatur neu aufgelegt und bekommen dafür neue Cover, die als Pastiche alter Cover im drastischen Stil daherkommen. Zum anderen schreiben mal schon ziemlich oder sehr bekannte - Stephen King! -, mal im Genre bestens eingeführte - Max Allan Collins -, mal bisher eher Kennern vertraute - Domenic Stansberry - Autoren (und ganz gelegentlich sogar eine weibliche Autorin) neue Texte aus dem Geist und Ungeist der ganz hartgesottenen alten Meister. Erfinder und Herausgeber der Reihe ist Charles Ardai, der als Internet-Unternehmer zu sehr viel Geld kam, von dem er dies Herzensprojekt mitfinanzieren konnte. Unter dem anagrammatischen Alias Richard Aleas - neuerdings auch unter seinem richtigen Namen - schreibt Ardai selbst preisgekrönte harte Kriminal-Romane für "Hard Case Crime".

Standardsituationen sind die Grundherausforderung des Genres. Alles ist schon dagewesen, die Regeln sind ebenso bekannt wie die möglichen Regelverstöße. Tausendundeinmal wurde der Held von der Falschen verführt, tausendundeinmal ist er dem Lockruf des Geldes gefolgt, tausendundeinmal hat er am Abgrund gestanden, tausendundeinmal gemordet und tausendundeinmal ist er Zeuge oder beinahe Opfer von Morden geworden. Das alles ist nachzuschlagen schon bei den großen Alten Cain, Hammett, Chandler & Co. und dann erst recht bei den Groschenroman-Serientätern der vierziger- und fünfziger Jahre. Da können einem, gerade als nachgeborenem Helden einer solchen Geschichte, schon mal Zweifel kommen: "Warum in aller Welt wollte ich eigentlich die Frau noch und das Geld? Eine gute Frage. Ich wusste es nicht genau, aber auf jeden Fall wollte ich sie, und das war die einzige Frage, auf die es ankam."
Oder auch nicht. Ein bisschen hilfloslos nämlich wirkt "Abzocker" schon. Es geht nicht - wie etwa beim großen Charles Willeford - gerade um die Absurdität des eigenen Handelns als dessen eigentlichen Motor. Vielmehr passiert hier, was passieren muss, der Ton bleibt naiv, die Sprache - naja, um Finessen der Sprache geht es bei dieser Sorte Literatur ohnehin nicht. Es läuft dafür alles auf ein Finale hinaus, das an Sadismus schwer zu übertreffen ist, ein Strafszenario, in dem das Opfer so schuldig wird, wie es die Täterin zuvor kaum war.


Guthrie findet für diese Geschichte einen Ton, dem das Wissen um die Künstlichkeit dieser Sorte Literatur anzumerken ist, der das ganze dennoch nicht - wie letztlich Starr & Bruen - verjuxt. Um nicht mehr und nicht weniger als den richtigen Umgang mit dem Haarsträubenden geht es schließlich in dieser Sorte Literatur. Darum, den blutigen Konventionen des Genres ein paar Wahrheiten abzugewinnen darüber, wie finstere Zeitgenossen ticken bzw. wie jedermanns finstere, kleinliche und brutale Seiten aussehen. Pulp Fiction ist auch die Einübung in die Fähigkeit, menschlichen Abgründen weder hysterisch noch sentimental noch verlogen voyeuristisch ins Auge zu blicken. Der Grat zwischen schierem Zynismus, bloßer Drastik des Effekts und dem Unernst des Pastiche ist da arg schmal. Nicht nur muss die Wut, die einen so etwas schreiben lässt, echt sein. Es muss eine/r darüber hinaus ein Könner des Kruden sein, damit man diese Wut beim Lesen auch zu spüren bekommt.
Manchmal liegen selbst Könner wie Block, Starr und Bruen ein wenig daneben. Das ist kein Grund, "Hard Case Crime", diesem mutigen Vorstoß ins Grobe, nicht den Erfolg zu wünschen, den die Serie ihres Konzepts und manchen noch zu erwartenden Highlights wegen sehr wohl verdient.
Lawrence Block: Abzocker. Übersetzt von Ludwig Nagel (ergänzt und bearbeitet von Lisa Kuppler). Rotbuch Verlag 2008. 221 Seiten. 9,90 Euro.
Ken Bruen & Jason Starr: Flop. Übersetzt von Richard Betzenbichler. Rotbuch Verlag 2008. 287 Seiten. 9,90 Euro.
Allan Guthrie: Abschied ohne Küsse. Übersetzt von Gerold Hens. Rotbuch Verlag 2008. 286 Seiten. 9,90 Euro.
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