Außer Atem: Das Berlinale Blog

Trash-Sex im Kellerloch: Hans Peter Mollands 'En Ganske Snill Mann'

Von Thomas Groh
16.02.2010. An obskurem Sex ist dieser Wettbewerb gewiss nicht arm. Im begähnenswerten "Greenberg" geht Ben Stiller Greta Garwig sehr unvermittelt an die Wäsche und bricht ebenso unvermittelt wieder ab. Im sehr großartigen "Caterpillar" gibt es mehrfach Amputiertensex. Dass in "En Ganske Snill Mann" dann eine Frau fortgeschrittenen Alters mit deutlich ins Bild gesetzten schwieligen Beinen plötzlich ihre ranzige Unterhose auszieht, sich flach aufs Bett legt und den in ihrem Kellerloch untergebrachten Ex-Knasti mit traurig-fahlem Altherrenhintern anfährt, ob er denn zum Beischlaf noch eine Einladung benötige, um anschließend, bei erfolgter mechanischer Bebeischlafung, auf wildes "Jesus Christus"-Schreien zu verfallen, hat dann aber doch eine sehr eigene Qualität. Die erstgenannten Filme verhalten sich in der Zwischenzone von Hinsehen und Distanzwahren. "En Ganske Snill Mann" verfolgt nur ein Projekt: Die konsequente Desavouierung jeder seiner Figuren. Dass dabei plump um die Komplizenschaft eines amüsierwilligen Publikums gebuhlt wird, ist das eigentlich Unappetitliche.
An obskurem Sex ist dieser Wettbewerb gewiss nicht arm. Im begähnenswerten "Greenberg" geht Ben Stiller Greta Garwig sehr unvermittelt an die Wäsche und bricht ebenso unvermittelt wieder ab. Im sehr großartigen "Caterpillar" gibt es mehrfach Amputiertensex. Dass in "En Ganske Snill Mann" dann eine Frau fortgeschrittenen Alters mit deutlich ins Bild gesetzten schwieligen Beinen plötzlich ihre ranzige Unterhose auszieht, sich flach aufs Bett legt und den in ihrem Kellerloch untergebrachten Ex-Knasti mit traurig-fahlem Altherrenhintern anfährt, ob er denn zum Beischlaf noch eine Einladung benötige, um anschließend, bei erfolgter mechanischer Bebeischlafung, auf wildes "Jesus Christus"-Schreien zu verfallen, hat dann aber doch eine sehr eigene Qualität. Die erstgenannten Filme verhalten sich in der Zwischenzone von Hinsehen und Distanzwahren. "En Ganske Snill Mann" verfolgt nur ein Projekt: Die konsequente Desavouierung jeder seiner Figuren. Dass dabei plump um die Komplizenschaft eines amüsierwilligen Publikums gebuhlt wird, ist das eigentlich Unappetitliche.



Um was geht's? Genannter Ex-Knasti, Ulrik (Stellan Skarsgard), kommt nach 12 Jahren Haft wieder frei. Mord, irgendwas Mafiöses und Eifersucht war auch im Spiel. Draußen erwartet ihn sein schmerbäuchiger Provinz-Pate, dessen kriminellen Umtriebe auch schon bessere Zeiten gesehen haben. Er versorgt ihn mit: Wohnung (das Kellerloch, ein Knast, glaubt man, ist Komfort dagegen), Job (in einer Autowerkstatt) und Waffen (für einen Mord - die Geschichte von damals muss gesühnt werden). Es erwartet ihn: Eine knollige, zu bebeischlafende Haushälterin, eine zornige, aber dennoch ebenfalls zu bebeischlafende Ex-Frau, ein proper geratener Sohn mit hochschwangerer Frau sowie eine kaltschnäuzige Arbeitskollegin, die zu bebeischlafen sie ihm - freilich: zunächst - mit harschen Worten nicht in Aussicht stellt.

Viel im Tonfall dieses norwegischen Films ist einem anderen Filmemacher aus dem hohen Norden entlehnt: Die Verknappung der Gesten und Dialoge lädt zum Vergleich mit Aki Kaurismäki förmlich ein. Und doch, Regisseur Hans Peter Molland hat ganz anderes im Sinn. Den Humanismus des finnischen Kollegen, dessen Zugewandtheit zu den Figuren, sein Interesse an deren Eingebundenheit in soziale Strukturen sucht man hier vergebens, Molland kopiert allenfalls die äußerliche Lakonie: Ulrik wirkt mitunter wie ein vulgär-camus'scher Fremder im eigenen Leben, ein duldsamer Betrachter seines Daseins, den Mollands Kamera fortwährend verrät.



Was dabei das Schlimme ist: Der Film ist voller Gewalt - und er interessiert sich nicht die Bohne für sie, jedenfalls nicht weiter als bis zum billigen Lacher nötig. Man merkt hier nochmals nachdrücklich, wie reflektiert etwa der vielgescholtene Tarantino mit seinen Rachethemen umgeht, welche doppelte Böden er einbaut, welche Reflexionsräume er eröffnet, wenn hier - in stumpfer Logik, dass Gewalt soweit okay geht, wenn sie nur den richtigen trifft - Arme und Nasenbeine gebrochen, Menschen erschossen und in Autopressen zu Klump verarbeitet werden. Gänzlich ungebrochen formuliertes Ziel bleibt dabei ständig der billige Affekt, die Abfuhr einer zuvor angestachelten Spannung, verkleidet in eine, äußerlich betrachtet, herzige Geschichte von einem alten Mann, der sich ein Leben überhaupt erst wieder aufbauen muss.

Schwarzer Humor, der das sein will, geht denkbar anders als dieses kleinbürgerliche, unverhohlen sadistische Derivat.

Hans Peter Molland: "En Ganske Snill Mann - A Somewhat Gentle Man". Mit: Stellan Skarsgard, Jannike Kruse Jatog, Jan Gunnar Röise, Jorunn Kjellsby, Björn Floberg, Aksel Hennie u.a. Norwegen 2009, 105 Minuten. (Vorführtermine)