Außer Atem: Das Berlinale Blog

Was zu lachen: Emmanuelle Bercots 'Elle s'en va' (Wettbewerb)

Von Thomas Groh
15.02.2013.


Abrechnung auf grünen Wiesen: Kaum kommt der Deneuve das französische M-Wort über die Lippen, hält der enervierend gut gelaunte Dreikäsehoch - im Film ihr Enkel, zu dem sie kaum eine Beziehung hat - die Hände auf: Für jeden Kraftausdruck ist ein Euro fällig. Deneuve kann nicht zahlen, denn sie hat kein Geld. Mit Reichtum gesegnet bin auch ich nicht, aber den Euro leg' ich gerne hin: Dieser Film ist richtig Scheiße! Kassier' mich ab, wer will!

Tatsächlich fühlt man sich, nach dem letztjährig herausragendem und diesjährig durchweg solidem bis sehr gutem Wettbewerb, im Nu in schlimmste Berlinalezeiten zurückversetzt - und das ausgerechnet noch im Festival-Endspurt. Was soll, was will dieser Film - hier, im Wettbewerb, und überhaupt? Man steht vor einem Scherbenhaufen aus mangelnden Ambitionen, mangelnden Ideen und mangelndem Witz und würde, wäre man nach endlosen zwei Stunden von diesem Knüppel nicht völlig sediert, sehr gerne hilflos mit den Schultern zucken. So also fühlt sich ein Harald Martenstein, denke ich mir, der sich im Tagesspiegel darüber beschwert hat, dass es zu wenig auf diesem Festival zu lachen gibt (bitte sehr, hier: alter Mann mit Gicht dreht unbeholfen Kippe - wat hamse jelacht im Saal!), so also, denke ich mir, fühlt sich Martenstein nach zwei Stunden James Benning im Forum. Oder nach anderthalb Stunden "Leviathan" im Forum Expanded.


Dabei ist die Bewegung, die den Film in Gang setzt, sehr nachvollziehbar: Catherine Deneuve, von der alten-rüstigen Mutter zum ewigen Teenie verdammt (oder aber selbst nicht in der Lage, mit knapp 60 wirklich erwachsen zu werden), nimmt Reißaus aus ihrem Leben. Erst wollte sie Zigaretten holen gehen, dann fährt sie weiter. Anruf hier, Anruf da - tuckert's durchs Land (running gag: Sie kann keine Karten lesen), landet mit einem jungen Über-Charmeur im Bett, gabelt ihren Enkel auf und landet mitten in einem Klischeebild des alten Wohlfühl-Frankreich, am gedeckten Tisch im sommerlichen Garten, ein Gläschen Wein, ein wenig Politik und der schnelle, glucksende Sprung ins Bett.

Nun interessiert sich Regisseurin Emmanuelle Bercot in dem Film schlicht für gar nichts, dies aber exzessiv. Nicht für die Figuren, nicht fürs Alter. Nicht für die Räume oder das Soziale. Nicht für Politik oder wenigstens den Humor. Es entsteht kein Bild, keine Montage, keine Assoziation von Interesse - oder gar der Hauch einer Erkenntnis. Der ästhetische Wagemut unterbietet glatt noch Degeto-Schmus - und soll man der Deneuve ernsthaft dafür gratulieren, dass sie Mut zum alten Damenfuß hat? Und reicht die Aussicht darauf, dass am Abend eine ja ohne weiteres unumstrittene Grande Dame des Kinos über den Roten Teppich spaziert, denn wirklich schon dafür aus, um dem uninteressantesten Krempel Wettbewerbsweihen zuzugestehen?

Der letzte Satz des Films (und man ahnt düster, dass der ganze Zirkus wirklich nur auf solches Blafasel hinaus wollte): "Das Leben geht weiter." Der Film an dieser Stelle gottlob nicht mehr. Nichts wie raus aus dem Kino!

Thomas Groh

"Elle s'en va" (On my Way). Regie: Emmanuelle Bercot. Mit Catherine Deneuve, Nemo Schiffman, Gérard Garouste, Camille, Claude Gensac u.a., Frankreich 2013, 116 Minuten (alle Vorführtermine)