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Zeigt, was Mut ist: Zeresenay Berhane Meharis 'Difret' (Panorama)

Von Anja Seeliger
14.02.2014. Zeresenay Berhane Meharis Film "Difret" zeigt am Beispiel eines jungen Mädchens, das sich gegen die traditionelle Entführung durch einen unerwünschten Verehrer wehrt, die Umbrüche in Äthiopien.


"Difret", der Debütfilm des äthiopischen Regisseurs Zeresenay Berhane Mehari, basiert auf einer wahren Geschichte, heißt es gleich zu Anfang in den Credits. Es geht um ein 14-jähriges Mädchen, Hirut Assefa, das auf dem Nachhauseweg von der Schule entführt und vergewaltigt wird. "Telefa" heißt diese Sitte, Entführung zum Zweck der späteren Heimat. Das Mädchen kann schließlich fliehen, wird entdeckt und erschießt ihren Entführer. Dafür droht ihr die Todesstrafe. Die Anwältin Meaza Ashenafi, die eine Hilfsorganisation für Frauen gegründet hat, nimmt sich ihrer an und erwirkt am Ende ein Urteil, dass erstmals "Telefa" juristisch verurteilt, dem Mädchen Notwehr zubilligt und es freispricht.

Um es gleich zu sagen: "Difret" ist kein besonders guter Film. Die Kamera ist oft unangenehm dicht an den Protagonisten dran. Es gibt unbeabsichtigte Erzählsprünge und es wird ständig erklärt, was man auch zeigen könnte. Aber "Difret" ist trotzdem ein interessanter Film. Was wissen wir hier schon über Äthiopien? Man lernt, wie groß der gesellschaftliche Umbruch ist und was sich schon alles verändert hat. Man sieht die Armut auf dem Land und den Reichtum in der Stadt. Als Hirut in der Stadtwohnung von Meaza ein Telefon klingeln hört, erschrickt sie zu Tode. Sie kennt nur ein Telefon: das auf dem Tisch es wachhabenden Polizisten. Man sieht die Männer auf ihren Pferden, Gewehre schwenkend und in einer inoffiziellen Gerichtsverhandlung des Dorfes "Telefa" als Traditionswert verteidigen. Wie konnte das Mädchen es wagen sich wehren? Daran sei nur die Schule schuld. In dieser Szene steht der Vater auf und verteidigt seine Tochter. Schon die Älteste habe er durch eine Entführung verloren, wie der Wind habe sie rennen können, jetzt sitze sie angekettet zu Hause, mit einem Trunkenbold als Ehemann und vier Kindern. Er habe Hirut dieses Schicksal ersparen wollen und sie deshalb auf eine Schule geschickt. Sie sei nicht bereit für die Ehe, dass habe er auch dem Freier gesagt.

Es ist die eindrucksvollste Szene des Films. Die Männer des Dorfs kamen auf ihren Pferden angeritten, um sich mitten in der Landschaft unter einem großen Baum zu treffen und den Fall zu beraten. Die Aggression, die in der Luft liegt, ist enorm. Man versteht, was es den Vater kostet, die Liebe zu seinem Kind über die Anforderungen der Dorfgesellschaft zu stellen. Aber er steht auf und spricht. Er überlässt es nicht allein der Anwältin, seine Welt zu verändern. Allein schon wegen dieser Szene ist der Film trotz seiner technischen Unbeholfenheit unbedingt sehenswert.

Anja Seeliger

Difret. Regie: Zeresenay Berhane Mehari. Darsteller: Meron Getnet, Tizita Hagere. Äthiopien 2013, 99 Minuten (Panorama Special, alle Vorführtermine)