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Erzählt von Schuld und Sühne: Shin Dong-seoks "Last Child" (Forum)

Von Anja Seeliger
21.02.2018.


Shin Dong-seoks Film "Last Child" ist klassisches psychologisches Erzählkino vom besten. Es ist eine einfache Geschichte: Ein Junge ertrinkt beim Versuch, einen anderen zu retten. Die Eltern verkraften den Verlust nicht, die Ehe droht auseinanderzubrechen. Bis der Mann den Jungen kennenlernt, Kihyun, für den sein Sohn gestorben ist.

Kihyun wird gerade verprügelt. Der Mann rettet ihn, gibt ihm etwas zu essen und bringt den verschlossenen Teenager zum Reden. Er wohnt allein, seine Mutter ist tot, sein Vater weggezogen. Mit Pizza ausliefern bringt er sich irgendwie über die Runden. Der Mann fängt an, sich zu kümmern, trifft ihn, ermuntert ihn, einen Schulabschluss zu machen und bietet ihm schließlich an, in seiner Firma, einem Handwerksbetrieb für Renovierungen anzufangen. Seine Frau kann es nicht fassen. Sie kann dem Teenager nicht verzeihen. Doch dann nähern sich die drei langsam an. Holprig, aber es wird fast so etwas wie eine neue Familie aus ihnen.

Der Film beschreibt diesen Prozess, unsentimental, langsam, chronologisch. Es gibt kaum Rückblenden. Eigentlich lebt der ganze Film von der Zurückhaltung des Regisseurs: Man sieht keinen Stil, bemerkt keine Tricks oder cleveren Einfälle, man wird ganz in die Geschichte hineingesogen ohne es zu merken. Das ist auch den drei wunderbaren Schauspielern zu verdanken, denen Shin die Bühne bereitet. Manchmal könnte man meinen, man sähe einem Dokumentarfilm zu, so natürlich nehmen die Dinge ihren Lauf.

Kihyun hält es irgendwann nicht mehr aus: Seine Geschichte war gelogen, lernen wir. Es beginnt ein Kampf um Aufklärung und um Gerechtigkeit für den toten Sohn, der alle drei an ihre Grenzen treiben wird. Und wir sehen zwei Stunden lang drei Menschen zu, die schlechter sind und besser als sie zuerst erscheinen. Und die sich dieses besser sein hart erkämpfen müssen.

Last Child. Regie: Shin Dong-seok. Mit Choi Moo-seong, Kim Yeo-jin, Seong Yu-bin u.a. Republik Korea 2017, 124 Minuten. (Vorführtermine)