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Epochal: Adamu Halilus Film "Shaihu Umar" über den Sklavenhandel (Forum)

Von Thekla Dannenberg
22.02.2018.


Genau für solche Filme braucht man das Forum. Die Wiederentdeckung dieses nigerianischen Filmklassikers "Shaihu Umar" ist ein Ereignis, bewegend, verstörend, bedeutend. Adamu Halilus epochaler Film von 1976 beruht auf dem gleichnamigen Roman des Schriftstellers Abubakar Tafawa Balewa, der als Ministerpräsident Nigeria in die Unabhängigkeit führte. Nach dem Militärputsch 1966 wurde Balewa entführt und ermordet. Der Film ist Legende. Doch er galt als verschollen, bis vor zwei Jahren die Rollen mehrerer Kopien im Archiv der Nigerian Film Corporation wiederentdeckt und mit Unterstützung des Arsenal, des Goethe Instituts und der Bundesregierung restauriert wurden.

Wie Balewas Roman ist auch der Film ein Meilenstein in Nigerias Kulturgeschichte. Er greift ein historisches Kapitel auf, an das sich viele afrikanische Länder noch immer nicht herantrauen: den arabischen und innerafrikanischen Sklavenhandel. Der Film erzählt davon in den glanzvollsten Bilder, selbst in der digitalen Kopie leuchten die Farben und das Licht als sähe man echten Film.

"Shaihu Umar" erzählt seine Geschichte, die vermutlich am Ende des 19. Jahrhunderts spielt, in der etwas bühnenhaften Form, die den frühen afrikanischen Filmen eigen war. Hat man sich erst einmal darauf eingelassen, gerät man auch schnell in ihren Bann: Eine Karawane zieht in einen kleinen Ort im muslimischen Norden Nigerias, wo der berühmte Scheich Umar lehrt. Die Koranschüler kennen und verehren ihn mit beklemmender Demut: "Herr, wie kommt es? Du spricht so gutes Arabisch, und doch blickst Du nicht auf uns herab." Der Weise erzählt ihnen, wie er als kleiner Junge seiner Mutter geraubt wurde, von Sklavenhändlern entführt und weiterverkauft. Erst an eine kinderlose nigerianische Familie, dann an einen arabischen Händler ohne eigenen Sohn.

In Rückblenden folgt der Film dem Lebensweg des Jungen, der nach dem Tod des Händlers Schüler eines berühmten Gelehrten wird, ohne Dramatik. Immer wieder hält er inne, um die Welt zu zeigen, wie sie sich um den Jungen herum gestaltete: Das Leben in den einfachen Dörfern mit Stroh- und Lehmhütten, die Arbeit der Hirten, Geburten und Hochzeitsprozessionen, die Gesänge der Frauen, die Rituale der Krieger. Dann der Zug der Versklavten durch die Wüste: Von Oase zu Oase werden die Nigerianer geschleppt, aneinander gekettet, halb verhungert, halb verdurstet, der Sonne ohne jeden Schutz ausgesetzt. Durch Niger und Libyen nach Ägypten. Die ewig gleiche Route. Beduinen, Nomaden oder Tuareg beherrschen die Sklavenmärkte von Kano oder Ber Kufa.



Manche Bilder scheinen so ruhig und melancholisch wie Stillleben, andere sind überwältigend in ihrer Schönheit. Selbst die Karawanen durch die Wüste sind super ästhetisch: Weiße Kamele ziehen in einer Diagonale durch weißem Sand. Solche Bilder kennt man sonst nur aus den Fotobänden von National Geographic, nur dass sie in Halilus Film nie nach exotischer Erhabenheit heischen.

Den Film durchzieht ein versöhnlicher Ton. Balewa war ein konservativer Autor, und auch der Film bettet sein Thema in geradezu religiöses Zeremoniell: Immer wieder verbeugt er sich ehrerbietig vor den Scheichs und den Emiren, setzt Koranschulen und Schriftrollen ins Bild, preist die Allmacht Allahs. Man muss den islamischen Glauben in diesem Film vermutlich als das Fundament verstehen, auf dem Wahrheitssuche und Versöhnung basieren können.

Der Film zeugt von einem künstlerischen und intellektuellen Aufbruch auch im Norden Nigerias, der heute nicht mehr möglich wäre: Der Norden, von dem "Shaihu Umar" erzählt, ist längst in den Bann des Islamismus gefallen. Afrikanische Autoren, die sich wie etwa der senegalesische Anthropologe Tidiane N'Diaye mit dem arabischen Sklavenhandel beschäftigen, stehen heute isoliert da. Und das nigerianische Filmerbe gerät über die Spektakel, mit denen Nollywood den Markt überschwemmt, in Vergessenheit. Als "Shaihu Umar" im Delphi am Sonntag in Anwesenheit der beteiligten Nigerianer gezeigt wurde, berichteten sie von den Schwierigkeiten, künstlerisch anspruchsvolles Kino in Nigeria zu etablieren. Auch betonten sie, dass sich das Land mit der alten Sklaverei befassen muss, damit sich die Menschen in Europa nicht in eine neue, selbstverschuldete Sklaverei begeben. Wie Recht sie haben! Aber die heutige Sklaverei ist nicht nur selbst auferlegt und nicht nur eine europäische. Die Sklaverei in arabischen Ländern und arabischen Haushalten wird immer noch nicht beim Namen genannt.

Regie: Adamu Halilu. Mit Umaru Ladan, Mairiga Aliyu, Husaini Mohammed und Umaru Dembo. Nigeria 1976, 142 Minuten (Vorführtermine)