Außer Atem: Das Berlinale Blog
Fassade für die Liebe: "Elisa y Marcela" von Isabel Coixet (Wettbewerb)
Von Thierry Chervel
13.02.2019.
Coixet erzählt das in einem sehr romantischen Modus, in digitalem Schwarzweiß, mit nebelverhangenen Naturpanoramen und auffällig vielen Sexszenen - Traum einer Sexualität ohne Gewalt und Penetration! Der einzige Sex mit einem Mann - Marcela lässt sich von einem haarigen Naturbuschen aus dem Dorf schwängern, um die Fiktion, in der sie lebt, plausibler zu machen - wird nicht gezeigt.
Die beiden fliegen auf, werden von den spanischen Behörden verfolgt, flüchten nach Portugal, wo sie ebenfalls auffliegen, aber von einem milden Beamten gerettet werden - um den Preis des Kindes, das der kinderlos Verheiratete von ihnen adoptiert.
Das ganze ist ein bisschen kunstkinomäßig verschmockt, wie man es auf Festivals gerne hat, man hält es aber aus zwei Gründen aus: Vor allem, weil Coixet die Geschichte zunächst als die Geschichte zweier Liebender erzählt und nicht als die Geschichte der bösen Mitwelt, die sie behindert, und zweitens weil der Film in der Rekonstitution der Welt, in der die beiden leben, nicht ungenau ist - die Nonnenschule, an der sie sich kennenlernen, die Dorfschule, an der sie dann als Lehrerinnen unterrichten, wirken nicht kulissenhaft. Statt lesbischer Sexszenen hätte ich gern mehr davon gesehen: Wie lief wohl in Spanien in einer Dorfschule um 1900 eine Schulstunde ab?
Der Film basiert auf einer realen Geschichte. Elisa und Marcela sind dann nach Argentinien gegangen, wo sie unbehelligt leben konnten. Ihre Ehe wurde nie annulliert, werden wir im Abspann informiert. Und dann wird aufgezählt, in wievielen Ländern der Welt Homosxualität heute noch strafbar ist. Gewiss, aber in den meisten Fällen sind es wohl Männer, die wie im Iran wegen Homosexualität an Kränen aufgehängt werden. Wir warten also auf den Berlinale-Wettbewerbsbeitrag, der Homosexualität im Iran, Saudi Arabien, den afrikanischen Ländern oder China thematisiert.
Thierry Chervel
"Elisa y Marcela". Von Isabel Coixet, mit Natalia de Molina, Greta Fernández, Sara Casanovas, Tamar Novas, María Pujalte. Spanien 2018, 113 Minuten (Alle Vorführtermine).
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