Nicht nur wegen der "Dame mit dem Hermelin" sorgt derzeit die Ausstellung "Gesichter der Renaissance" für Aufsehen, sondern auch wegen der langen Warteschlange davor. Schon am Eröffnungstag standen etwa 3.000 Besucher bis zu zwei Stunden geduldig am windigen Kupfergraben vor dem Bode-Museum, um die Meisterwerke italienischer Porträtkunst zu bewundern. Hat man sich einmal bis zum Ticketschalter durchgekämpft, heißt es wieder warten. Zutritt bekommt man ins Museum wie auf dem Amt. Man zieht eine Nummer und wird aufgerufen. Mit dem Unterschied, dass man beim Bezirksamt nicht zwei Stunden anstehen muss, um die Nummer zu bekommen.

Tageskarten gibt es nur hier, nicht übers Internet, denn der Onlineverkauf ist zusammengebrochen. Wegen der großen Nachfrage, beteuern die Veranstalter. Nur wer bereit ist, den doppelten Preis zu bezahlen, kann sich an den Vorverkaufsstellen VIP-Karten besorgen, die den Sofortzutritt garantieren. Nicht einmal die Frühaufsteher haben mehr eine Chance, denn die sogenannten "Early-Bird-Tickets" mit denen man schon ab neun Uhr in die Ausstellung kommt, sind bereits jetzt restlos ausverkauft. Ein Kartenchaos, das Wartezeit zur Preisfrage macht. Nicht nur dass man entweder mehr zahlen oder ergeben vor dem Museum ausharren muss. Noch dazu haben die Veranstalter für diejenigen, die sich ihre Karten in der Schlange erstehen, allerlei gut getimete Ratschläge vorbereitet (in fünf Minuten zu Dussmann oder ins Strandbad Mitte auf eine ermäßigten Kaffee). Das dysfunktionale Verkaussystem wird mit dem Versprechen freier Mußestunden geschönt. In formschönen Managementvokabular wird dann auch noch mit modernen Kommunikationsmitteln Zeiteffizienz gepriesen. Entweder kann man im Internet gebannt den Einlass-Counter verfolgen, oder sich per SMS-Service 30 Minuten vor dem ersehnten Einlass, daran erinnern lassen, mit der Nummer in der Hand zurück zum Eingang zu laufen. Anstehen muss man dann trotzdem und hätte statt "Wartezeit-Tipps" lieber die Karten von zuhause aus bestellt.

Absurd, denn die "Zeitfenster" und "VIP-Karten" erzeugen, was die Stiftung preußischer Kulturbesitz für nicht mehr zeitgemäß hält - Schlangen: "Verbindliche Zutrittszeiten für Museen wurden von den Tagungsteilnehmern als wegweisendes Serviceangebot bewertet. Die Warteschlange, in Marketing und Medien immer noch gern als Qualitätsindikator beschworen, scheint mehr und mehr ein Auslaufmodell zu sein." So steht es in einer der Ankündigung der Fachtagung "Neues-Museum - ein Bildungserlebnis mit Servicequalität" von 2010. Diese erhellende Einsicht ziehen die Veranstalter aus dem Ansturm auf die Impressionisten-Ausstellung 2007, dem letzten großen "Bildungserlebnis", an dem damals 677.000 Besucher teilhaben wollten. Nicht zu vergessen die Moma-Schau in der Neuen Nationalgalerie, bei der die Menschen bis zu elf Stunden in der Schlange stehen mussten. Vom Serviceangebot ist aber immer noch wenig zu spüren, meint auch Sebastian Leber im Tagesspiegel, der mit den 'Gesichtern der Renaissance' ein typisches berlin-Ritual zurückgekehrt sieht: "Die stundenlange Warterei gilt manchen gar als Qualitätsbeweis einer Schau. Als Versprechen, dass einen im Innern tatsächlich Großes erwartet. Was alle sehen wollen, wird sich schon auch lohnen". Fragt sich nur noch, was von dieser Ausstellung stärker im Gedächtnis bleibt - Renaissance-Gesichter oder Warteschlangenspektakel.