Howard Eiland, Michael W. Jennings

Walter Benjamin

Eine Biografie
Cover: Walter Benjamin
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783518428412
Gebunden, 1021 Seiten, 58,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von von Irmgard Müller und Ulrich Fries. Mit zahlreichen Abbildungen. Im ersten Satz erklärt dieses umfassende, facettenreiche Porträt Walter Benjamin zu einem "der wichtigsten Zeugen der europäischen Moderne". Damit ist das Programm des Buches vorgegeben: Detailliert wird der Zeuge in seinen Suchbewegungen verfolgt, wie er in herausragender und parteiischer Form den Geist seiner Zeit artikuliert, schwankend zwischen Jugendbewegung, Zionismus, Marxismus und Messianismus. Benjamins Hoffnung, einmal "erstrangiger Kritiker der deutschen Literatur" zu werden, erfüllte sich zu Lebzeiten nicht. Subjektive Dispositionen und objektive Verhältnisse drängten diesen Autor zunehmend in eine randständige, wenngleich von Freunden und Bewunderern geachtete Existenz. Wirtschaftliche Not, Verfolgung und Flucht prägten seine letzten Lebensjahre. Die Auseinandersetzungen um die Deutungshoheit über Benjamins Werk (und Leben) setzten bald nach Kriegsende ein: Wer vollstreckte das Testament in seinem Sinne - Theodor W. Adorno oder Hannah Arendt? Gershom Scholem oder die Neomarxisten Berliner Prägung? Oder gar die Studentenbewegung?


Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 01.12.2020

Für Rezensent Rudolf Walther macht diese monumentale Benjamin-Biografie ihre vielen Vorgängerinnen obsolet. Die beiden amerikanischen Literaturwissenschaftler Howard Eilands und Michael W. Jennings rekonstruieren in unvergleichlicher Fülle und Genauigkeit das Leben und Schreiben des großen Denkers, der immer wieder mit dem Leben und der Politik hadern musste, wie Walther erinnert. Vor allem anhand der ausführlichen Korrespondenzen mit Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und Gershom Scholem zeichnen Eilands und Jennigs die Entstehung von Benjamins Schriften nach, seine Liebesbeziehungen, seine stets prekäre Finanzlage und seinen undogmatischen Marxismus ("Immer radikal, niemals konsequent"). Besonders berührt resümiert Walther die traurigen Jahre im Exil, in das Benjamin von den Nazis getrieben wurde, in dem er aber auch einige seiner bedeutendsten Essays verfasste.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 30.11.2020

Vollkommen hingerissen und ausführlich berichtet Jörg Später von seinem Leseerlebnis. Noch mehr Benjamin? fragt er sich. Und findet dies eben doch "die beste" Biografie, die von Walter Benjamin vorliegt. Dass sie streng chronologisch vorgeht, gibt manchen seiner zu Kult gewordenen Werke einen neuen Dreh, findet der Rezensent, und lobt auch die Haltung der Biografen zu Adorno und Horkheimer, beschreibt sie als eine Umkehrung der Verhältnisse während der Emigration. Das Außerordentliche dieses Denkers, der zwischen intellektuellen Innovationen - etwa dem "Denkbild" - und auf die Vergangenheit zielenden Rätseln, zwischen "Mythos und Vernunft" changierte, der mit Frauen nicht glücklich sein, aber ohne sie, und besonders ohne seine pragmatische Frau Dora, gar nicht existieren konnte, all das werde aufwändig und ausführlich dargestellt. Trotzdem sei das Buch, so findet der Kritiker, nicht nur für Experten geschrieben. Und wenn die Darstellung des Benjamin'schen Lebens zum Ende hin immer langsamer und langsamer würde und schließlich "in Port Bou die Zeit still" stehe, so sind keine Wünsche offen geblieben, findet ein faszinierter Jörg Später.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.11.2020

Für den hier rezensierenden Literaturwissenschaftler Wolfgang Matz besteht der größte Gewinn der Benjamin-Biografie von Howard Eilands und Michael W. Jennings in der auf umfangreichem Material gründenden "lebensgeschichtlichen Entmythologisierung". Dass Benjamin nicht länger als Pariser Flaneur auftritt, sondern als bedrohter Exilant, gehört dazu. Herausragend ist das Buch für Matz aber auch wegen der gleichberechtigten doppelten Perspektive auf die persönliche wie auch auf die intellektuelle Entwicklung Benjamins. Hier leisten die Autoren viel und schaffen einen neuen Standard, indem sie frühere Grabenkämpfe meist umschiffen, meint er. Neues liest Matz etwa über Benjamins Familiengeschichte und den Einfluss seiner Frau Dora. Beim Blick auf die Auseinandersetzungen zwischen Benjamin, Adorno und Scholem verfallen die Autoren allerdings wieder in genau jene Ressentiments, die zu überwinden sie laut Matz angetreten sind. Ebenso heben sie bestimmte Beziehungen und Einflüsse hervor, während sie andere "verdunkeln", kritisiert der Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.10.2020

Kaum eine Arbeit über Walter Benjamin kann in den Augen von Rezensent Stefan Müller-Dohm mit dieser Biografie mithalten. Die beiden amerikanischen Literaturwissenschaftler Howard Eiland und Michael Jennings entwerfen kein neues Bild, räumt Müller-Dohm ein, auch bei ihnen ist Benjamin der Großbürger und Ausnahmeintellektuelle, der in seinem Schreiben blitzartige Einsichten und hochverdichteten Analysen mit stilistischer Brillanz verband, und in seinem Auftreten auch noch mit einer geradezu "zeremoniellen Höflichkeit". Aber wie plausibel sie seine verhinderte akademische Karriere, seine gescheiterte Ehe, seine misslungene Flucht aus dem von den Nazis besetzten Europa schildern, ohne in Spekulationen zu verfallen, das rechnet der Rezensent den beiden Autoren hoch an.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 09.10.2020

Rezensent Michael Opitz fragt nach dem "Neuwert" der Benjamin-Biografie von Howard Eiland und Michael W. Jennings und findet ihn in der umfassenden Darstellung von Benjamins Leben und Werk. Die akribische Materialsammlung und schiere Detailfülle, etwa in Bezug auf Benjamins Verhältnis zu seinen Eltern oder seiner "Reiselust", ergeben für Opitz eine erschöpfende Lebenschronik. Dass den Autoren bei der Interpretation früher Texte mitunter die eigenen akademischen Steckenpferde durchgehen, was die Verständlichkeit schmälert, kann Opitz verzeihen, ebenso, dass der Band keine Neuentdeckungen präsentiert. Ein Verdienst der Autoren besteht für den Rezensenten darin, dass sie dem Leser ein Gefühl für "Zeitverläufe und Dauer" in Benjamins Leben und Schaffen vermitteln.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 26.09.2020

Rezensent Christian Thomas liest das dicke Benjamin-Buch der beiden Philologen Howard Eiland und Michael Jennings als intellektuelle Biografie mit kritischen Untertönen. Laut Thomas machen die Autoren kein Geheimnis daraus, dass sie Benjamins "Vergegenwärtigungsstrategien" fragwürdig finden. Benjamins traumhaft bewahrendes Erinnern, seine geschichtsphilosophischen Thesen rund um den "Engel der Geschichte" nennen sie eine "esoterische Doktrin", so der Rezensent. Im übrigen liefern die Autoren laut Thomas die Chronologie der täglichen Realität von Benjamins Leben und Werk, einen detailreichen Blick auf das "Lebenswerk einer gewaltigen intellektuellen Anstrengung" in seiner "beklemmenden Totalität".