Judith N. Shklar

Über Hannah Arendt

Cover: Über Hannah Arendt
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2020
ISBN 9783957577979
Kartoniert, 120 Seiten, 14,00 EUR

Klappentext

Herausgegeben und aus dem Amerikanischen übersetzt von Hannes Bajohr. Judith N. Shklar beschäftigte sich ihr Leben lang mit Hannah Arendt. In ihren Texten zeichnet sie ein ambivalentes Bild der 22 Jahre älteren Philosophin, kommt in ihrem Werk sowohl anerkennend als auch voller Witz und polemischer Schärfe immer wieder auf sie zurück. Shklar schätzt Arendt vor allem für ihre Gedanken zu Exil und Staatenlosigkeit und für ein Ethos, das das Versprechen der Politik und des jederzeit möglichen absoluten Neuanfangs hochhält. Zugleich aber kritisiert Shklar sie als hochtrabende Metaphysikerin und enttäuschte Marxistin mit einem Hang zu politischer Romantik. "Über die Revolution" ist für Shklar ein "blamables Buch", während "Arendt in Eichmann in Jerusalem" mit dem Hochmut des selbsterklärten Parias lediglich "epigonal und amateurhaft" über Politik zu reflektieren weiß. Gegen Arendts heldenhaftes Verständnis von Politik und ihre Blindheit für historische Ungerechtigkeiten stellt Shklar das Lob eines unpersönlichen Prozeduralismus und ihren eigenen Liberalismus der Furcht und der Rechte - so ist Shklars Werk nicht zuletzt gegen Arendts Denken entstanden. Mit den hier versammelten Texten ist es nun möglich, das Verhältnis zweier zentraler politischer Theoretikerinnen des 20. Jahrhunderts nachzuvollziehen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 17.09.2020

In einer Doppelrezension denkt Rezensent Christian Thomas nach über die Aktualität von Hannah Arendts Reflexionen zu Flüchtlingen und Staatenlosigkeit.  Er folgt der Kategorie der "Überflüssigen", aus Arendts großer Arbeit "Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft", auf die sich auch die Autorin Judith Shklar besonders bezieht. Der Kritiker zieht umstandslos die  Situation der Flüchtlinge in Mora heran, dem abgebrannten Lager auf Lesbos, um darauf zu verweisen, dass mit ihnen auch heute umgegangen werde wie mit Menschen, die keiner braucht. Ihn beeindruckt die Kategorie des "tragischen Denkens", die Shklar Arendt zubilligt, eines Denkens, das von der Gemachtheit und Machbarbeit politischer Umstände ausgehe. Er fragt sich auch, ob Shklar mit ihrem Vorwurf an Arendt recht hat, dass nämlich deren Titulierung des massenhaften Durchschnittsmenschen als "Mob" und "Philister", arg "snobistisch" sei. Aber das Zugespitzte solcher Formulierung hat ihn am Ende wenig gestört und er hofft mit Shklar, die EU könne jene demokratische Institution sein, die man laut Arendt brauche, um aus Rechtlosen endlich Bürger zu machen, die Rechte besitzen.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 09.05.2020

Marko Martin scheint gebannt von Judith N. Shklars Versuch, die Ungenauigkeiten im Werk Hannah Arendts herauszuarbeiten. Zu entdecken ist für Martin sowohl Shklars furchtlose wie aktuelle Kritik an Arendts Romantizismus als auch ihre Traurigkeit über Arendts Mangel an Solidarität gegenüber den osteuropäischen Juden. Die ganze Tragik und Zerrissenheit Arendts wird Martin hier bewusst, da von der Autorin "präzis herausgearbeitet". Shklar erweist sich für Martin in dieser Edition als "illusionslose" Beobachterin mit ethischer und ästhetischer Energie und beträchtlichem Einfühlungsvermögen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.02.2020

Rezensent Dieter Thomä fragt sich, was Hannah Arendt Judith N. Shklars Kritik an ihrem Werk wohl entgegengehalten hätte. Der Band mit Texten Shklars über Arendt scheint Thomä einerseits von Bewunderung der Jüngeren für die Ältere zu sprechen, in den Jahren 1957-1984 aber auch von "brüsken", ja "brutalen" Einwänden. Kontextuell erschlossen durch das Nachwort des Herausgebers Hannes Bajohr verraten die Texte laut Thomä u.a. Shklars "hintersinnige" Berufung auf Nietzsches Unterscheidung von antiquarischer und monumentalischer Geschichtsschreibung zum Zweck einer Kritik an Arendts wohlwollender Sicht auf die antike Republik und die Gründerväter der US-Demokratie.
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