Philipp Weiss

Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen

5 Bände. Roman
Cover: Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen
Suhrkamp Verlag, Berlin 2018
ISBN 9783518428177
Kartoniert, 1064 Seiten, 48,00 EUR

Klappentext

In "Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen" erzählt Philipp Weiss von der Verwandlung der Welt im Anthropozän - jener Epoche der Erdgeschichte, in welcher der Mensch zur zentralen gestaltenden Kraft geworden ist. Zwischen Frankreich und Japan, zwischen dem 19. und dem 21. Jahrhundert, in Form von Enzyklopädie, Erzählung, Notizheft, Audiotranskription und Comic entwirft dieser Roman ein Panoptikum unserer fliehenden Wirklichkeit.
Die siebzehnjährige Paulette erlebt im Jahr 1871 den Aufstand der Pariser Kommune, bereist als eine der ersten europäischen Frauen das Japan der Meiji-Ära und liegt über hundertdreißig Jahre im Eis der französischen Alpen geborgen. Die Klimaforscherin Chantal, ihre Ururenkelin, folgt ihren Spuren nach Fernost, entwirft eine zynische Geschichte des Universums und entflieht zugleich einer Liebe und deren umstülpender Kraft. Der von ihr zurückgelassene Künstler Jona begibt sich auf die Suche, findet in Japan aber nicht Chantal, sondern eine vielfache Katastrophe: ein Erdbeben, eine Welle, einen Atomunfall. Der neunjährige Akio läuft tagelang durch zerstörtes Gebiet. Trost findet er bei Satoshi, einem obdachlosen Tagelöhner und AKW-Nomaden, der langsam an den Folgen der Strahlung stirbt. Durch einen Phantomschmerz getrieben, irrt die junge Japanerin Abra durch Tokio und verliert sich in den einsamen Schleifen ihres virtualisierten Selbst.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 22.01.2019

Cornelia Geißler warnt vor Kopfweh als Resultat dieser Lektüre. Das Romanprojekt von Philipp Weiss hat für sie etwas von dem riesigen Informationsstrom, der durchs Internet rauscht. Dass sie sich von dem fünfteiligen, herkömmliche Leseerwartungen sprengenden Textkonvolut dennoch angezogen fühlt, liegt zum einen an der Vielfalt der Schriften und Gestaltungsweisen bei den einzelnen Bände, zum anderen an den Bezügen, mit denen der Autor seine Texte verbindet. So entsteht aus den Protokollen eines japanischen Jungen nach der Reaktor-Katastrophe in Fukushima, den Aufzeichnungen einer jungen Frau aus der Zeit Ende des 19. Jahrhunderts und einem Comic über eine Japanerin mit Armprothese laut Geißler ein Gesamtkunstwerk, dessen Schlüssel (Tipp der Rezensentin!) der Leser im Buch "Terrain vague" finden kann. Bei Geißler siegt schließlich die Entdeckerfreude über den Kopfschmerz.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.10.2018

Ein Buch "über alles" sollte es werden, weiß Rezensent Burkhard Müller, der sich erwartungsvoll durch mehr als tausend Seiten, verteilt auf fünf Bände, gearbeitet hat. Mit dem Hinweis des Autors Philipp Weiss, hier gehe es um "das Verhältnis des Menschen zu Natur und Technik im Anthropozän" versucht der Kritiker dann auch so etwas wie einen Zusammenhang der fünf Bände zu erkennen - was, wie er bekennt, schon bei der Genre-Festlegung scheitert: Journal, Cahier, Protokoll, Comic und Sachbucheinträge entdeckt Müller hier - was zunächst nichts Schlechtes bedeutet. Wenn der Kritiker dann allerdings feststellen muss, dass lediglich der Schauplatz Japan, mit Fukushima im Zentrum, und ein paar lose Verbindungen der Figuren den Roman zusammenhalten, darüber hinaus zwar einiges, meist weithin Bekanntes über Klimageschichte, die Sauerstoffkatastrophe im Präkambrium, Platons Höhlengleichnis oder Schrödingers Katze erzählt wird und auch die erzählerischen Passagen nicht selten zwischen Kitsch und "Peinlichkeit" versanden, wird der Rezensent zwar nicht glücklich, kommt aber doch zu dem nach seinem Verriss ziemlich erstaunlichen Schluss: "Ein Projekt, das im Großen scheitert, ist interessanter als eines, das im Kleinen glückt".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 01.10.2018

Insa Wilke bedauert den dramaturgischen und gestalterischen Aufwand um den Debütroman von Philipp Weiss und die von ihr aufgewendete Lesenszeit. Die Arbeit der Buchgestalterin Pauline Altmann findet sie herausragend, den Umfang des Projekts beeindruckend und die in den insgesamt fünf Heften erzählten, teils enzyklopädisch angelegten Geschichten um Ich und Welt durchaus interessant. Nur nach einem guten Satz sucht sie auf über eintausend Seiten vergebens, stattdessen gibt es viel Geschwätzigkeit, meint sie. Ihr Verdacht: Der Autor, ein Theatermann, verwechselt Substanz mit Impulsen und Effekten. Lernen lässt sich daraus laut Wilke immerhin, was Literatur kann und braucht und was nicht. Den einen welterschließenden Satz braucht sie definitiv, findet Wilke.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 24.09.2018

Ekkehard Knörer kommt gut klar mit diesem Fünfteiler von Philipp Weiss, eigentlich ein Wahnsinnsprojekt, wie Knörer zugibt, in dem die beiden zentralen Tendenzen das Streben nach dem Ganzen und der völlige Zerfall sind. Dass keiner der fünf Teile dem anderen gleicht, weder in Form, Genre, Gestaltung, Ton noch in Stil, wenngleich der Leser auch auf vage Verbindungen wie  wiederkehrende Figuren und Motive stößt, lässt sich Knörer gefallen. Wenn Unordnung Ordnung sein und eine finstere Menschheitsgeschichte (der Band "Cahiers") neben einem bewusstseinserweiternden Manga (der Band "Die glückseligen Inseln") stehen soll, warum nicht, findet er.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.09.2018

Rezensent Christian Metz hat alle Achtung vor dem 1000-seitigen Debüt von Philipp Weiss. Verneigen möchte er sich vor der schieren Textmenge, der äußerlichen Schönheit der Ausgabe mit allerhand typografischen Spielereien und dem Anspruch des Autors, verschiedenste Erzählweisen zu einer abwechslungsreichen Textlandschaft zu formen. Der enzyklopädische Ansatz der Großerzählung aber birgt laut Metz Probleme, wie der Rezensent beispielhaft an einem der fünf Bände zu zeigen versucht. Etwa die Überwältigung durch das Material aus sämtlichen Wissensgebieten oder aber, wie Metz ausführt, die klischeehafte Kondensierung eines ganzen Jahrhunderts in der Rollenprosa einer einzigen Figur.
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