Theodor W. Adorno, Thomas Mann

Theodor W. Adorno - Thomas Mann: Briefwechsel 1943-1955

Cover: Theodor W. Adorno - Thomas Mann: Briefwechsel 1943-1955
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002
ISBN 9783518583166
Gebunden, 179 Seiten, 25,60 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Christoph Gödde und Thomas Sprecher. Im Dezember 1945 schrieb Thomas Mann jenen berühmten Brief an Theodor W. Adorno über das Prinzip der Montage in seinem Roman "Doktor Faustus". Die enge Zusammenarbeit an den Spätwerken Adrian Leverkühns - Adorno verfasste detaillierte Entwürfe, die im Anhang des Bandes abgedruckt sind - wurde zur Grundlage dieser Korrespondenz. - Thomas Mann schrieb Adorno über die "faszinierende Lektüre" der "Minima Moralia" und kommentierte ausführlich den "Versuch über Wagner". Adorno begleitete die letzten Werke Thomas Manns, den "Erwählten", "Die Betrogene" und die Wiederaufnahme des "Felix Krull", mit eingehenden Kommentaren und nicht selten mit begeistertem Zuspruch.

Im Perlentaucher: Rezension Perlentaucher

Wer als junger Mann nach Frankfurt ging, um beim von ihm bewunderten Adorno zu studieren, wer sich seine Bewunderung in all den inzwischen vergangenen Jahren nicht hat nehmen lassen, nicht von den Lästerzungen und nicht von der eigenen, sich gerne für Intelligenz haltenden Dummheit, der wird den Briefwechsel zwischen Adorno und Thomas Mann mit sehr gemischten Gefühlen lesen. Von Thomas Mann aus gesehen - und der Briefwechsel gibt uns die Möglichkeit zu dieser Perspektive - hat Adorno etwas penibel Verklemmtes, etwas von höherer, freilich Schwindel erregend höherer Buchhalterei. Man lese nur seinen Brief vom 28. April 1952, in dem er dem mit seinem Felix Krull hadernden Autor ermutigen möchte, doch weiterzumachen und sich nicht täuschen zu lassen, von dessen bürgerlicher Abkunft aus der Jugendzeit des inzwischen durch den Josephsroman, den Doktor Faustus in so ganz andere intellektuelle und literarische Sphären aufgestiegenen Autors...
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.07.2002

In einer äußerst umfangreichen, informativen Rezension bespricht Martin Meyer den Briefwechsel zwischen Thomas Mann und Theodor W. Adorno. Wie Meyer ausführt, berührt die Korrespondenz neben Fragen der Literatur, besonders im Zusammenhang mit der Entstehung von Manns Roman "Doktor Faustus", auch Politisches und Privates. Im wesentlichen referiert Meyer die wichtigsten Themen des Briefwechsels, wobei er immer wieder auch auf das persönliche Verhältnis der beiden Geistesgiganten zu sprechen kommt. Dabei kristallisiert sich Meyer zufolge heraus, dass Adorno als "deutlicher Bewunderer" Manns dem Zauberer bis zuletzt mit größtem Respekt und Abstand, ja bisweilen fast devot begegnete. Ausführlich geht Meyer auf Adornos Mitarbeit am "Doktor Faustus" ein, der ohne Adornos Mitarbeit wohl nicht in seiner jetzigen Form entstanden wäre. Im weiteren Verlauf der Korrespondenz erweitert sich der Horizont der Themen, hebt Meyer hervor, es geht um grundsätzliche Fragen moderner Ästhetik, um Thomas Manns weitere Werke bis zum "Felix Krull", um Fragen des Exils, die Rückkehr Manns nach Europa und um weltpolitische Fragen. Dass Adorno nach Frankfurt zurückkehrt, macht ihm Mann geradezu zum Vorwurf, so dass die Korrespondenz zeitweise merklich abkühlt, berichtet Meyer. Überhaupt: deutlicher als in den Briefen Adornos lassen sich in den Briefen Manns "Stimmungen und Launen der Autorenschaft herauslesen", die auch von der Niedergeschlagenheit und Melancholie Manns Auskunft geben. Mann konnte sich dann aber stets Adornos Zuspruch und Aufmunterung sicher sein, hält Meyer fest, insbesondere als Adorno, der selbst in den späteren Arbeiten Schönbergs ein "konservatives Element" wittert und Strawinsky als "restaurativ" erledigt, im Falle Thomas Manns "unendlich viel gnädiger" urteilte.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 19.06.2002

Vielerlei Erkenntnis hat Rezensent Dirk Knipphals aus dem Briefwechsel zwischen Theodor W. Adorno und Thomas Mann gewonnen. Zunächst das Bild des jüngeren, hinter Mann herlaufenden, sich anstrengenden Adorno, das bei einem Strandspaziergang im Badeort Kempen seinen konkreten Anfang nimmt, und das sich später im Briefwechsel manifestiert. Thomas Mann dagegen, so Knipphals, sei mit Adorno eher "zweckrational" umgegangen. Solange ihm Adorno bei den Arbeiten zum "Doktor Faustus" behilflich war, konnte er sich seiner Aufmerksamkeit sicher sein, doch nach Abschluss des Romans kam der Rückfall ins Strandbild: Adorno läuft Mann nach. Daher, so Knipphals, stammen auch die "wirklich wichtigen Briefe aus der Hand Adornos". Seine Briefe aus dem Nachkriegsdeutschland nennt der Rezensent wahre "Zeitdokumente", aus denen die seltsame Verunsicherung der nach Deutschland zurückgekehrten Exilanten spreche. Das "Strandbild", findet Knipphals, könne man übrigens auch "sinnbildhaft" deuten, als Hinterherhecheln des gequälten Essayisten hinter dem glorreichen Romancier.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.04.2002

In seiner ebenso umfangreichen wie enthusiastischen Besprechung des von Christoph Gödde und Thomas Sprecher "sorgfältig edierten" Briefwechsels von Thomas Mann und Theodor W. Adorno wertet Rezensent Richard Klein die Beziehung zwischen dem Dichter und dem Philosophen als "Jahrhundertkonstellation, deren ästhetischer und philosophischer Reiz noch lange nicht verstanden ist". Gegenüber Erika Manns Versuchen, den Beitrag Adornos zu Manns "Doktor Faustus" klein zu reden, zeigt der Briefwechsel nach Einschätzung des Rezensenten ganz deutlich, dass Adorno kein bloßer Vermittler von musikalischem Expertenwissen, sondern tatsächlich ein Koautor war. Von Anfang sei Adorno mit dem Ganzen des Romans vertraut gewesen und habe in dessen Konzeption an entscheidenden Stelle eingegriffen. Klein erblickt die größte Bedeutung des Briefwechsels aber nicht im "unmittelbar Philologischen". Er möchte die Aufmerksamkeit mehr auf den "bislang unterschätzen" Perspektivenreichtum der Konstellation Mann/Adorno gelenkt sehen und wirft die Frage auf (die er dann aber nicht beantwortet), was den Dialog zwischen den beiden "Unberührbaren" des 20. Jahrhunderts ermöglicht und begünstigt hat. Erstaunlich findet Klein die Intensität, mit der sich Mann auch über den Faustus hinaus auf Adornos Rat einließ. Verblüffender noch erscheint dem Rezensenten Manns konstantes Interesse an Adornos Werken, begegnete Mann doch den Autoren seiner Zeit meist mit Indifferenz und Kälte. Adorno seinerseits verehrte Mann wie sonst nur noch Alban Berg, berichtet Klein, er tritt ihm als ein "etwas pretiöser, überartikulierter Potentat des Geistes gegenüber". Adorno spiele gleichzeitig die Rolle des Ausnahmeintellektuellen und des schwärmerischen, um Anerkennung buhlenden Kindes. Bemerkenswert erscheint Klein auch Adornos versöhnlicher Ton nach seiner Rückkehr aus dem Exil 1949 in Bezug auf das Nachkriegsdeutschland, ein Ton, den Mann nicht teilen mochte, was er Adorno auch ziemlich barsch zu verstehen gab.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.04.2002

Rezensent Andreas Bernard findet in diesem Briefwechsel viel Aufschlussreiches über Thomas Manns poetologische Verfahren und Adornos Bewunderung für den "Großdichter". Wie Bernard in seiner langen Besprechung ausführt, ist der Briefwechsel in den ersten Jahren ganz von der gemeinsamen Arbeit an Manns Roman "Doktor Faustus" geprägt. Der 31 Jahre jüngere Adorno fungierte hier als "respekterfüllter, zuweilen leicht unterwürfiger" Berater, schreibt Bernard. Als wichtigsten Bezugspunkt ihres Arbeitsprojekts wertet er den "Montage"-Brief Manns, worin Mann Adorno detailliert mit seinen poetologischen Verfahren beim "Doktor Faustus" vertraut macht. Bernard erblickt darin eine Diskussion der "Grundfragen moderner Ästhetik". Während Mann dem Rezensenten zufolge nach dem "Montage"-Brief zunehmend kürzer und lakonischer wird, versucht Adorno in seinen Kommentaren zum "Doktor Faustus" und später zum "Erwählten", zur "Betrogenen" und zum "Felix Krull" seine ästhetischen Positionen zu schärfen. Der Rezensent hebt hervor, dass der Briefwechsel nicht nur über die theoretische Fragen der Literatur Auskunft gibt, sondern auch Einblicke in persönliche Lebenszusammenhänge gewährt. In diesem Zusammenhang erwähnt er insbesondere Adornos überraschend positiven Ton über das Nachkriegsdeutschland nach seiner Rückkehr aus dem Exil 1949, der im starken Kontrast zur "Unerbittlichkeit des Sounds in den Nachkriegstexten" Adornos steht. Thomas Mann betreffend empfiehlt der Rezensent die parallele Lektüre seiner Tagebücher, die deutlich machen, wie sehr ihm Adorno bisweilen auf den Geist ging. Während Mann beispielsweise nach Erhalt von Adornos Benjamin-Aufsatz in einem Brief an Adorno den Begeisterten gab, fällt er im Tagebuch folgendes Urteil: "Recht snobisch und supergescheit.".
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