Gretel Adorno, Walter Benjamin

Gretel Adorno / Walter Benjamin: Briefwechsel

1930 - 1940
Cover: Gretel Adorno / Walter Benjamin: Briefwechsel
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005
ISBN 9783518584309
Gebunden, 434 Seiten, 26,90 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Christoph Gödde und Henri Lonitz. Die Korrespondenz zwischen Gretel Adorno und Walter Benjamin, die 1930 einsetzt, aber erst mit Benjamins Emigration nach Frankreich ihre volle Intensität erreicht, ist nicht nur ein spätes Zeugnis des intellektuellen Berlin der zwanziger Jahre, sondern auch das Dokument einer großen Freundschaft, die unabhängig von der Beziehung Benjamins zu Theodor W. Adorno bestand. Während Benjamin, neben seinen Alltagssorgen, insbesondere über jene Projekte schreibt, an denen er in den letzten Jahren seines Lebens mit Hochdruck gearbeitet hat - vor allem über den "Baudelaire" -, war es Gretel Karplus-Adorno, die mit aller Macht versuchte, Benjamin in der Welt zu halten. Sie drängte ihn zur Emigration, berichtete von Adornos Plänen und Blochs Aufenthaltsorten und hielt so die Verbindung zwischen den alten Berliner Freunden und Bekannten aufrecht. Sie half ihm durch regelmäßige Geldüberweisungen über die schlimmsten Zeiten hinweg und organisierte eine finanzielle Unterstützung aus dem anfänglich noch vom Deutschen Reich unabhängigen Saarland. In New York angekommen, versucht sie mit ihren Beschreibungen der Stadt und der Neuankömmlinge, Benjamin nach Amerika zu locken. Aber Benjamin schreibt im Frühjahr 1940: "Wir müssen sehen, unser Bestes in die Briefe zu legen; denn nichts deutet darauf hin, dass der Augenblick unseres Wiedersehens nahe ist."

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.08.2005

1923 hatte Gretel Karplus Adorno kennengelernt, 1937 heiratete sie ihn, 1938 emigrierte das Paar in die USA. Hatte sie in dieser Zeit ein Verhältnis mit Walter Benjamin, das zu dem regen und manchmal durchaus zärtlichen Briefwechsel zwischen 1930 und 1940 führte, und liegt hier der Grund für Adornos harschen Umgang mit Benjamin? "Das gewiss nicht", meint Ludger Lütkehaus. Doch immerhin zeuge der Briefwechsel von einer "innigen Freundschaft", die manchmal wohl auch in Liebe umgeschlagen sei. War erst Gretel die Werbende, so änderte sich dies mit der Emigration der Adornos, erfahren wir weiter. Jetzt war es der vereinsamte Benjamin, der ihre Briefe erwartete. Benjamin verteidigt sein Denken gegen Vorwürfe von Adorno, Scholem und Horkheimer und wird immer verzweifelter. Gretel Adorno versucht den Einsamen zu ermutigen, schickt ihm Geld und Bücher. Der Rezensent ist bewegt. Eine kleine Kritik übt er an den Herausgebern: Sie haben sich eines Kommentars enthalten. Insofern hätte diese Ausgabe "auskunftsfreudiger" sein können.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.08.2005

Die eine Seite des Briefwechsels, nämlich die Walter Benjamins, war bekannt. Die andere freilich erweist sich, so Sigrid Weigel, als Überraschung. Nicht zuletzt bekommt man hier "erstmals ein genaueres Porträt" von Gretel Karplus, später Adorno. So kommt man auch einem "Geheimnis" auf die Spur, das sich hinter dem erwähnten "intensiven Beisammensein 1932/33" verbirgt - dem intensiven Beisammensein Benjamins, wohlgemerkt, mit der Verlobten von Theodor W. Adorno. Bis zur Hochzeit erweist sich Gretel - die hier unter dem Pseudonym Felizitas figuriert - als hilfsbereit und aufmerksam, als treue Freundin, die später auch von ihrer Affäre mit Egon Wissing berichtet. Die Rezensentin gesteht, dass sie diesen Briefwechsel nicht nur mit Interesse, sondern sogar mit "Vergnügen" gelesen hat und resümiert ihn als "Dokument einer außergewöhnlichen Freundschaft".
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 23.06.2005

"Vorzüglich ediert" findet Uwe Steiner den Briefwechsel zwischen Walter Benjamin und Gretel Karplus, später Adorno. Dieses "Zeitdokument", so Steiner, gibt Einblick in eine untergegangene bürgerliche Epoche, eine Zeit ganz eigener Innerlichkeitspflege. Allerdings sei von Politik nicht oft die Rede. Während Gretel Karplus in Benjamin den "zärtlichen Beichtvater" und "großen Bruder" sah, empfand er sich als ihr "Adoptivkind". Irgendwann gehen die Briefpartner dazu über, sich als "Felicitas" und "Detlef" zu pseudonymisieren und so eine Briefwelt parallel zu der realen zu kreieren. Sie unterstützt den Exilanten mit gelegentlichen Geldsendungen, dieser arbeitet hartnäckig an seinem "Passagen-Werk".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.04.2005

Was bringt der Briefwechsel von Gretel Adorno und Walter Benjamin Neues unter die Sonne? Nicht viel, meint Gustav Falke, der getreulich eine Affäre von Frau Adorno reportiert - allerdings nicht mit Herrn Benjamin! - und wechselseitige Annäherungen und Befremdungen, Beschwichtigungen und feingeistige Schnäbeleien. Das gilt um so mehr, so der Rezensent, als die Briefe des "Kunstwerk"-Autors in seinen gesammelten Werken schon vorliegen. Von geistesgeschichtlichen Gewittern jedenfalls weiß Falke nichts zu berichten, eher von Mousse-au-chocolat-Rezepten. Auch hält er die Verwissenschaftlichung des Buches - "unter Nachweis aller Verwandten dritten Grades und der Übersetzungen noch des unerheblichsten französischen Romans" - für übertrieben. Eine Leseausgabe, mutmaßt er, wäre dem intimen Charakter der Texte angemessener gewesen.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.03.2005

Die Herausgeber des Briefwechsels zwischen Gretel Adorno und Walter Benjamin "verdienen unseren Dank", schreibt Rezensent Manfred Schneider. Christoph Gödde und Henri Lonitz ermöglichen es dem Leser schließlich, Einblick in eine "ungewöhnliche Freundschaft" zu erhalten. Durch den "intimen Charakter" der Briefe komme man Adorno und Benjamin sehr nahe: Man "fürchtet" um ihr Leben und "hofft" bis zum letzten Augenblick, wie es der Kritiker formuliert. Er zeigt sich besonders angetan von den Erläuterungen, mit denen die Herausgeber "dokumentieren", wie Benjamin Adornos Texte für andere Skizzen nutzt, wie seine Gedanken "über alle Papiere laufen", die er jemals in der Hand hält. Das macht diesen Briefwechsel in den Augen des Rezensenten "einzigartig" und die vorliegende "schöne Edition" umso lesenswerter.