Ulrich Johannes Schneider

Der Finger im Buch

Die unterbrochene Lektüre im Bild
Cover: Der Finger im Buch
Piet Meyer Verlag, Bern - Wien 2020
ISBN 9783905799576
Broschiert, 175 Seiten, 28,40 EUR

Klappentext

Wir folgen einem Finger - einem kleinen, langen, krummen, gichtigen, eleganten oder schönen Finger, der zwischen den Seiten eines Buches steckt. Wir sehen dabei eine Person, die liest. Ihr Blick zeigt tiefe innere Bewegung an. Diese intime Verbindung zwischen Buch und Lesergestalt ist in der Kunst selten, doch die Künstlerinnen und Künstler sind durchaus prominent: Tizian, Raffael und Rubens gehören ebenso dazu wie Angelika Kauffmann oder Bassano. In dreißig Gemälden, Skulpturen und Fotografien erkundet Ulrich Johannes Schneider dieses eine, vermeintlich kleine ikonografische Detail westlicher Bild- und Buchgeschichte: den Finger im Buch. Allerdings tauchen allgemeinere Fragen auf. Was bedeutet Lesen überhaupt? Was lernen wir aus diesen stummen Zeugen der Buchkultur? Und wie sehr gleichen wir selbst den dargestellten Frauen und Männern?

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 06.07.2020

Bernd Noack ist den Hinweisen fröhlich gefolgt, die der Autor ausstreut bei seinem Gang durch die Museen und Galerien, um die diversen, in den Seiten eines Buches steckenden Finger aufzuspüren. Er zählt auf, welche Personendarstellungen in der Kunstgeschichte uns Schneider vorführt und gibt den einen oder anderen Gedanken wieder, den sich der Autor gemacht hat über das Lesen, die Innigkeit der Lesebeziehung und ihre Unterbrechung für den eigenen Gedanken oder die Ansprüche der Welt. Am Ende findet er, dass "wir auch selber so etwas Rätselhaftes" in uns fänden, dächten wir über diese Geste einmal länger nach.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.06.2020

Arno Widmann lernt mit dem Philososophiehistoriker Ulrich Johannes Schneider, mit dem Finger im Buch zu lesen, genauer erörtert und fantasiert der Autor über dreißig Gemälde, auf denen jemand den Finger im Buch stecken hat. Widmann ist hin und weg - von der schönen Aufmachung des Buches wie von Schneiders inspirierenden Überlegungen zum Lesen und zur Kunst. Etwa zur Maria mit Kind von Raffael oder Foschis Lesender von 1535. Auf die autoerotische Komponente des Fingers im Buch kommt Widmann schließlich von allein. Lesen Sie selbst.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.04.2020

In ein E-Book kann man keinen Finger stecken, um gedankenvoll in die Ferne zu blicken und über das Gelesene zu meditieren. Aber eine Reflexion über die "Sehnsuchtsfigur" Buch ist zugleich eine über den Medienwandel, schreibt Lothar Müller in seiner gedankenreichen Rezension zum Buch Ulrich Johannes Schneiders. Als Direktors der Universitätsbibliothek in Leipzig kann Schneider kann ohnehin nicht über das Buch als bloßen historischen Gegenstand nachdenken, so Müller. Er arbeitet in einer Buchmessenstadt, muss also von vornherein den Medienwandel stets mitbedenken. Der Finger im Buch sagt für Müller auch etwas über die Vorstellung vom "Deep Reading" aus, das laut der allgegenwärtigen Kulturkritik im digitalen Zeitalter verloren zu gehen drohe. Je tiefer die Lektüre, so zeige es Schneiders Bildergalerie, durch die er als ein Cicerone führe, desto eher musste Lektüre immer schon unterbrochen werden. Müller muss es nicht dazu sagen: Schneiders Meditation über das unterbrochene Lesen in der Kunst hat ihn begeistert.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.04.2020

Das Wunderhübsche kann auch das sehr Tiefsinnige sein. Ganz bezaubert ist Rose-Maria Gropp von der Idee und Ausführung dieses Büchleins, so bezaubert, dass sie es auf der Aufmacherseite des FAZ-Feuilletons bespricht. Dem Buch liegt erstmal eine Wahrnehmung zugrunde: Es gibt in der Porträtmalerei, wenn auch selten, den Topos des Lesenden, der mit einem Finger im Buch ins Leere sinniert. Aus dieser Figur, so Gropp, könne Schneider in Kapiteln wie "Lesen als Hingabe" oder "Lesen verändert" eine Menge über das Wesen von Lektüre selbst herauslesen. Und dies um so mehr, als das Medium, um das es geht, das physische Buch, gerade durch digitale Lektüre ersetzt zu werden droht. Aber gerade in den Augenblicken der Unterbrechung, so Gropp nach Schneider, sei "das Lesen ganz bei sich", denn es gibt keine geistige ohne physische Einverleibung des Stoffes. Gropp rät dringend, den Finger in dieses Buch zu stecken.
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