Klappentext
Sich immer eine Hintertür offen halten, nie alles von sich preisgeben, die Dinge plötzlich von ganz anderer Seite betrachten: Volker Reinhardt erzählt das Leben des philosophischen Virtuosen Montaigne (1533-92) ) konsequent in seinem historischen Kontext, der Zeit der Bürgerkriege in Frankreich. So erhält der Parlamentsrat, Romreisende, Bürgermeister von Bordeaux und Kammeredelmann scharfe Konturen, und wir können den Philosophen in seinem Schlossturm, der mit souveräner Distanz auf sich und die Welt blickt, besser verstehen. Schloss Montaigne, auf dem Höhepunkt der Bürgerkriege: Es klopft. Ein Mann wurde überfallen und begehrt eilig Einlass. Nach und nach treffen seine Begleiter ein. Montaigne schöpft Verdacht: ein trickreicher Überfall! Doch er lässt alle gastfreundlich ein. Die Naivität des Schlossherrn erweicht schließlich den Anführer, der das Signal zum Abzug gibt. Der Krieg zwingt zu unkonventionellen Überlebensstrategien. Montaigne empfiehlt mit dieser Episode "Natürlichkeit" im Verhalten und zugleich kluge Verstellung. Das ist auch die Strategie seiner Essays: Ob er über Freundschaft und Ehe, gute Gespräche und Erziehung oder über seine Krankheiten, Spleens und Obsessionen schreibt, immer wirkt er ganz arglos und spielt doch mit seinen Lesern. Bisher wurde die Biographie Montaignes meist aus seinen verführerisch authentisch klingenden Schriften abgeleitet. Volker Reinhardt geht den umgekehrten Weg und macht von Montaignes Leben aus die Essays neu verständlich: als eine Überlebensphilosophie in Zeiten der Gewalt, die uns bis heute direkt anspricht.
BuchLink. In Kooperation mit den Verlagen (Info):
Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 28.02.2023
Das Buch hat den Rezensenten Thomas Ribi offenbar so in Schwung gebracht, dass ihm die Rezension eher zu einer Hommage auf Michel de Montaigne gerät, der ihm aus Volker Reinhardts Biografie so lebendig entgegenzutreten scheint. Als freien Denker feiert Ribi den Autor der Essais, erzählt aber auch über seine Zeit als Bürgermeister von Bordeaux und über seine gescheiterten diplomatischen Missionen in einem Zeitalter brutaler Religionskriege. Über die Machart von Reinhardts Buch zählt Ribi nicht so viel. Wichtig ist ihm aber, dass Reinhardt viel mit externen Quellen arbeitet, statt nur Reflexe des Biografischen in Montaignes Texten zu suchen. Diese treten Ribi darum um so plastischer vor Augen.
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