Bücher der Saison

Kinder- und Jugendbücher

Eine Auswahl der interessantesten, umstrittensten und meist besprochenen Bücher der Saison.
09.11.2020. Eine Maus reist durch Zeit und Raum zum großen Käsefest von Bern. Ein Eichhörnchen verteidigt seinen Baum. Johann rettet die Eisbären vor der Klimakatastrophe. Der arme Rupert wird super reich. Und im Sankt Irgendwas geht eine Klassenreise ganz fürchterlich schief.
Bilderbücher für die Kleinen

Soll ja keiner sagen, dass man nicht schon aus Bilderbüchern was lernen kann, ganz spielerisch, natürlich. Ein echtes Entdeckerbuch empfiehlt SZ-Kritikerin Katrin Blawat mit Rachel Williams' Bilderbuch "Wunder der Natur zum Innehalten und Staunen" (bestellen). Der Titel klingt im Deutschen reichlich gediegen, aber der Inhalt ist so kurz und knackig wie der englische Originaltitel "Slow Down": In 50 Kurzgeschichten erfährt man, warum sich eine Sonnenblume zur Sonne reckt, wie sich ein Schmetterling entpuppt oder wie der Spatz badet, so die Kritikerin, die die nicht nur die Kapitel fasznierend findet, sondern auch die Illustrationen lobt. SZ-Kritiker Fritz Göttler folgt dagegen einer coolen Entdecker-Maus, die sich in Torben Kuhlmanns Bilderbuch "Einstein" (bestellen) auf eine fantastische Reise durch Raum und Zeit begibt, um doch noch am großen Käsefest in Bern, das sie knapp verpasst hat, teilnehmen zu können. Zum Glück gibt's da diesen Herrn Einstein und seine Relativitätstheorie, die weiterhelfen... Göttler erliegt total dem sanften Charme der neugierigen verfressenen Maus. 

Kleine Geschichten aus dem großen Wald erzählt der Brite Jeremy Strong in "Zwei wie Gürteltier und Hase" (bestellen). Die beiden wohnen zusammen, streiten zusammen, sind total unterschiedlich, aber wenn's drauf ankommt, helfen sie sich. So soll's sein, denkt sich in der SZ Verena Hoenig, der besonders die Kohlköpfe und Socken spuckende Tuba des Hasen imponiert. "Richtig dicke Freunde" (bestellen) kann man eben in jeder Form, Farbe und Größe werden, versichern auch Rüdiger Bertram und Heribert Schulmeyer und verweisen auf Storch und Flusspferd, die - ob sie nun gemeinsam zur Eisdiele fahren oder in der Badewanne planschen - viel Spaß zusammen haben. FAZ-Kritiker Fridtjof Küchemann gefiel vor allem der "leise Bildwitz" des Buchs.

Freunde haben heißt natürlich auch teilen. Will man aber nicht immer, nicht das Spielzeug, nicht das Stofftier und auch nicht den Lieblingsbaum wie das Eichhörnchen in Olivier Tallecs "Das ist mein Baum" (bestellen), dass seinen Baum vor lauter Liebe mit einem Zaun umgibt, nicht bedenkend, dass Besitz ganz schön Ärger machen kann. Überhaupt nicht moralisierend, dafür "grandios lustig" zeichnet Olivier Tallec den Lernprozess des Eichhörnchens, versichert eine amüsierte Sylvia Schwab im Dlf Kultur. Und dann gibt's da noch die schwierigen Freunde. Dinos zum Beispiel. Die müssen erst noch lernen: "Wir essen keine Mitschüler" (bestellen). Um das sicherzustellen braucht Autor Ryan T. Higgins eine Reihe herrlicher Dialoge und witziger Zeichnungen, verspricht eine hingerissene Judith von Sternburg in der FR. Zum Glück gibt es auch schon einen zweiten Band, "Wir rocken die Mitschüler" (bestellen).

Außerdem sehr gut besprochen sind Leo Timmers "Das rasante Buch" (bestellen), das jedem Kleinkind das langweilige im Stau stehen versüßen sollte, verspricht die SZ, dann Matthew Forsythes "Pokko und die Trommel" (bestellen), dessen musikbegeisterte Heldin, eine ungestüm trommelnde Fröschin im besten Mädchenalter, FAZ-Kritiker Fridtjof Küchemann verzaubert hat. Großen Spaß hatten die Kritiker schließlich mit Arne Rauterbergs Reimebuch "Kuddelmuddel remmidemmi schnickschnack" (bestellen), das Nadia Budde kongenial illustriert hat. "Was sich reimt, das leimt sich"? Da zieht selbst der rezensierende Dichter Nico Bleutge den Hut.


Kinderbücher 6 bis 12 Jahre

Das Eis schmilzt, das Wasser steigt und plötzlich stehen Eisbären und Eskimos vor Johanns Tür am Ammersee. FAZ-Rezensent Andreas Platthaus ist entzückt vom Einfall des inzwischen über neunzigjährigen Hans Traxler, die Klimakatastrophe in dem Kinderbuch "Die grünen Stiefel" (bestellen) anzusprechen. Dystopisch wird es dabei nicht, versichert der Kritiker, der sich über die Selbstzitate und Ironien des Künstlers amüsiert, und auch der Botschaft zustimmen mag, die ein wenig Selbstbeschränkung fordert für die Abwendung solcher Horrorszenarien am Ammersee. Um Massentierhaltung und einen Mord geht's in Jean-Claude Mourlevats Kinderkrimi "Jefferson" (bestellen). Ein Frisör und Tierschützer ist ermordet worden. Igel Jefferson und sein Freund, das Schwein Gilbert, nehmen die Ermittlungen auf... SZ-Kritiker Michael Schmitt hat viel Spaß mit diesem Buch, das mit seinen 228 Seiten ein richtiger kleiner Schmöcker ist. Vielleicht etwas altmodisch, meint er, aber der pensionierte Lehrer und Autor Mourlevat begegnet allen Figuren mit Sympathie und elegant schreiben kann er auch, versichert Schmitt.

Super reich, wer wäre das nicht gern? Der bettelarme Rupert ganz bestimmt. Er kann sein Glück kaum fassen, als ihn der Zufall in die unermesslich reiche Familie Rivers verschlägt. SZ-Rezensentin Hilde Elisabeth Menzel hat sich köstlich amüsiert mit Polly Horvaths "Super reich" (bestellen). Denn die Rivers sind nicht nur reich, sondern auch außerordentlich exzentrisch. Rupert verdient einen Haufen Geld beim Glücksspiel, verliert es wieder und wieder in eine Reihe Abenteuer vestrickt - so schön wie ein Monty-Python-Film, versichert Menzel. Dann wäre da noch der fünfte und - angeblich - letzte Band der Rico-und-Oskar-Reihe von Peter Schössow und Andreas Steinhöfel zu annoncieren: In "Rico, Oskar und das Mistverständnis" (bestellen) zerstreiten sich die beiden Freunde, weil Rico sich verliebt hat, und das ausgerechnet in dem Moment, in dem es einen Kinderspielplatz zu retten gilt. Also führt jeder seine eigene Rettungsmission. Ein herrlicher Kinderroman über Liebe, Mut und Freundschaft, versichert in der FAZ ein hingerissener Fridtjof Küchemann. Die Kritikerinnen in Zeit und Dlf Kultur sind nicht weniger begeistert, zumal Bild und Text wunderbar zusammen passten.

Die energische Nora in Anna Woltz' "Sonntag, Montag, Sternentag" (bestellen) ist geschlagen mit drei nervtötenden Brüdern, gegen die sie sich mit Erfindungsreichtum zur Wehr setzt. Der hilft ihr auch, die Ängste des neuen Nachbarjungen zu beschwichtigen, der weint, wenn er öffentlich reden muss, aber ein Referat über sein Lieblingsthema, die Sterne, halten soll. Im Dlf ist Ursula Nowak hin und weg von diesem Buch, das sie wärmstens für Erstleser empfiehlt. Über Sterne lernt man ganz nebenbei auch noch was, verspricht sie. "Der Katze ist es ganz egal" (bestellen), als der achtjährige Leo seiner Familie sagt, dass er jetzt Jennifer sei. Und auch Leos Freunde haben kein Problem damit: Sie sind jetzt eben Jennifers Freund. Lob gab's dafür von Maria Riederer im Dlf und Sylvia Schwab in Dlf Kultur, denen besonders gefiel, dass Autor Franz Orghandl und die Illustratorin Theresa Strozyk das Thema der Identitätsfindung nicht als Problem behandeln, sondern als "herrlich lockere" Geschichte erzählen.

Empfohlen werden schließlich noch zwei Kindersachbücher: "Einfach Programmieren lernen mit Scratch" (bestellen) von Diana und Philipp Knodel - eine wunderbare Einstiegshilfe für zukünftige Hacker, versichert in der SZ Bernd Graff. Carole Saturnos "Griechenland" (bestellen) führt als Pop-Up-Buch in die Geschichte und Kultur der alten Griechen ein und ist ein "Prachtband" für Jung und Alt, lobt in der SZ Michael Stierstorfer.


Jugendbücher

FAZ-Rezensent Tilman Spreckelsen hat schon viele Bücher übers Mobbing gelesen, doch Michael Siebens Jugendroman "Das Jahr in der Box" (bestellen) findet er herausragend. Es geht um den 16-jährigen Schüler Paul, der - von Berlin in eine Kleinstadt gezogen - dort vom Klassenanführer drangsaliert wird. Wie Sieben das beschreibt, wie er Paul sich im nachhinein der Geschehnisse bewusst werden lässt und wie er ihn neue Freunde unter den Außenseitern finden lässt, ohne diese in Klischees versinken zu lassen, das hat dem Kritiker imponiert. Auch Elisabeth Steinkellner erzählt in "Papierklavier" (bestellen) aus der Perspektive einer Außenseiterin, der 16-jährigen Maia, die sich um ihre drei Geschwister (alle mit verschiedenen Vätern) kümmert, aber auch ganz normale Teenagerprobleme hat. Um mit all dem fertig zu werden, führt sie ein Tagebuch, eben ihr "Papierklavier", erzählt in der Zeit Kathrin Hörnlein, die das als lässig erzählte Milieu- und Coming-of-Age-Geschichte liest. Einziger Mangel für sie: Das Buch ist mit seinen 140 Seiten einfach zu kurz.

Tamara Bach erzählt in "Sankt Irgendwas" (bestellen) von einer Klassenfahrt, die in die Binsen ging. Was genau passiert ist, verraten die Rezensenten nicht, nur dass die Schüler, die das Geschehen aufrollen, gegen die Lehrer zusammenhalten. Es gibt einiges an Situationskomik, verspricht Anna Heidrich in der SZ. Darüber hinaus erzählt Bach pointillistisch und universell von den Debatten unserer Zeit, Gender, Sexismus etc., erklärt in der FAZ Anna Vollmer, die ganz gerührt ist von dieser verschworenen Klassengemeinschaft. Gut besprochen wurde auch "Das Salzwasserjahr" (bestellen), in dem die Autorin und Theaterpädagogin Nora Hoch von einem Austauschjahr erzählt, dass den jungen Surfer Jannick nach Australien verschlägt. Hier lernt er u.a., dass das Leben keine perfekte Welle ist, notiert in der SZ Antje Weber, der der Roman sympathisch ist. Linn Skabers "Being Young" (bestellen) schließlich ist kein Roman, sondern eine Kompilation von Interviews, die Autorin Linn Skaber mit norwegischen Jugendlichen geführt hat, über ihre Ängste und ihre Wünsche. Eine "beinahe poetisches", facettenreiches Porträt des Erwachsenwerdens, lobt in der SZ Susan Jörges, der auch die Illustrationen von Lisa Aisato gut gefallen haben.

Auch einige neue Fantasyroman gibt es, Albert Wendts "Tok-Tok im Eulengrund" (bestellen) zum Beispiel, das in Anlehnung an Shakespeares "Sturm" von drei Wissenschaftlerinnen erzählt, die auf einem verlassenen Fabrikgelände leben und einen Vogel beobachten, dessen Gefieder sich als Tarnkappe auch für militärische Zwecke verwenden ließe. Um Kinder von dem Gelände fernzuhalten und den Vogel vor Entdeckung zu schützen, erfinden die drei einen Kinderschreck namens Kahler Baba. SZ-Kritikerin Sigi Seuss hat sich prächtig unterhalten und total spannend ist die Geschichte auch, versichert sie. Spannend geht es auch zu in Burkhard Spinnens "Fipp, Vanessa und die Koofmichs" (bestellen), das um ein Ufo kreist, das vor dem Bundeskanzleramt landet. Vanessa, die Tochter des Hausmeisters dort, und ihr Freund Flip beobachten heimlich die drei Aliens, die von Bord gehen und auf der Friedrichstraße in einen derartigen Shoppingrausch verfallen, dass die Weltwirtschaft einzubrechen droht. Das wird mit viel Sprachwitz und "teuflischem Vergnügen" erzählt, versichert eine hochamüsierte Roswitha Budeus-Budde in der SZ angesichts eines Showdowns mit vielen kleinen Mädchen.

Hingewiesen sei schließlich noch auf den vierten Band von Cornelia Funkes "Reckless"-Reihe: In "Auf silberner Fährte" (bestellen) verschlägt es Jacob und Fuchs diesmal nach Japan und Korea. Elizabeth Lims "Ein Kleid aus Seide und Sternen" (bestellen) ist der Auftakt zu einer Fantasyreihe um eine talentierte Schneiderstochter, die im königlichen Näh-Wettbewerb mutig gegen Männer antritt und allerlei Abenteuer erlebt. Und Laurel Snyder nimmt uns mit auf die "Insel der Waisen" (bestellen), auf der immer 9 Waisenkinder leben. Jedes Jahr kommt ein neues Kind und ein älteres dafür die Insel verlassen. Bis sich jemand weigert. Eine "klug konstruierte Allegorie" auf den schmerzvollen Abschied von der Kindheit, lobt Philipp Bovermann in der SZ.