Efeu - Die Kulturrundschau

Tatta tatta tuiiEe tuiiEe

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20.12.2023. SZ und Welt lauschen begeistert dem Silbensalat Kurt Schwitters in einer Aufführung der "Ursonate" am Deutschen Theater Berlin. Wim Wenders singt in seinem neuen Film "Perfect Days" seine eigene Melodie, meint der Filmdienst. DJ-Karrieren können enden, wenn man in Tel Aviv oder Jerusalem auftritt, lernt die SZ. Der Tagesspiegel hört in der Berliner Philharmonie vier Versuche, Mahlers Zehnte zu vollenden, aber ein neuer Mahler war nicht unter den Komponisten. Die Welt sinniert im Linzer Lentos Kunstmuseum über die dunklen Aspekte der lokalen Kunstgeschichte.
9punkt - Die Debattenrundschau vom 20.12.2023 finden Sie hier

Film

Einfach viel zu schöne öffentliche Toiletten: "Perfect Days" von Wim Wenders

Mit seinem in Japan gedrehten Drama "Perfect Days" um den duldsam-stoischen Kloreiniger Hirayama ist Wim Wenders bereits in Cannes gefeiert worden, zum regulären Kinostart legen die Filmkritiker noch einmal nach - und dann schickt Japan den Film auch noch ins Rennen für den Auslandsoscar. Zu Recht, denn es ist wohl sein "schönster Spielfilm seit Langem", freut sich Thomas Abeltshauser im Freitag. Dieser "Hirayama ist in seinem Leben gut aufgehoben, und auch in Wenders' Bildern, die, in der klassischen 'Academy Ratio' im Verhältnis 1.33:1 weniger Platz an den Rändern lassen, als man das heute gewohnt ist, und deshalb auch weniger Raum für Störsignale", beobachtet Lukas Foerster im Filmdienst. Um Sozialrealismus geht es dem deutschen Auteur dabei gerade nicht, der Film ist "eine reine Kinofantasie, die Fantasie eines Lebens, das sich in der Form, die es sich selbst gibt, genug ist. Man mag an Wenders' Begeisterung für die an der Oberfläche ähnlich seelenruhigen Filme von Yasujiro Ozu denken, oder auch an das ähnlich stilbewusste und popkulturgetränkte Werk von Jim Jarmusch. Aber letztlich singt Wenders seine eigene Melodie."

"Mit den schlichten Gesten und der reduzierten Handlung, in der sich die Dinge meistens am Rand ereignen, erzählt Wenders nebenbei ziemlich viel", hält Tim Caspar Boehme in der taz fest. "Sein Hauptdarsteller Kōji Yakusho trägt dieses Geschehen mit einer zurückgenommenen Selbstverständlichkeit, als habe er sein Leben lang nichts anderes getan." Man frage sich gar, ob Wenders wohl "ein Plädoyer für die Würde der Arbeit vorschwebte. Für derlei Interpretationen ist 'Perfect Days' jedoch denkbar ungeeignet. Dafür sind die Orte, an denen Hirayama im Einsatz ist, einfach zu schön. Und zu gepflegt. Umgekehrt könnte man in dieser Hinwendung zu etwas, das man sonst als gegeben voraussetzt, ein Plädoyer für die Würde des Klos erkennen." Hirayamas "Aufgehen in der Gegenwart und in ordnungsschaffenden Gewohnheiten ist Zen-Buddhismus nach Art von Wim Wenders", meint Robert Wagner im Perlentaucher. "Seinen Ort hat er vor allem anderen in den Freuden an kleinen Dingen. Im Sonnenlicht, das durch die Baumkronen flackert. Vor allem aber in der Erfüllung, die es bereitet, Klos zu putzen. Warum er so gründlich sei, es wird eh wieder dreckig, fragt ihn ein Kollege einmal. Aber gerade an diesem Punkt, wenn er der endlosen Entropie am unglamourösesten Ort der Welt unaufhörlich Einhalt gebietet, unterstreicht 'Perfect Days' ohne Nachdruck, dass wir uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen sollten - und ist dabei durchaus überzeugend." In der Zeit schreibt Katja Nicodemus über den Film.

Außerdem: In der Welt gratuliert Dennis Sand dem Berliner Underground-Regisseur Jörg Buttgereit zum 60. Geburtstag (eine Auswahl seiner tollen Hörspiele gibt es in der Audiothek der ARD). In der Zeit würdigt Peter Kümmel den Regisseur und Schauspieler Jan Georg Schütte anlässlich von dessen neuer ARD-Serie "Das Fest der Liebe".

Besprochen werden Sean Durkins Wrestlerdrama "The Iron Claw" (FD), Frant Gwos chinesischer SF-Blockbuster "Die wandernde Erde 2" (FAZ), Simon Verhoevens "Girl You Know It's True" über den Milli-Vanilli-Skandal (taz, Zeit Online, Standard), die Stephen-King-Adaption "Kinder des Zorns" (FR), Takashi Yamazakis "Godzilla Minus One" (SZ) und die SRF-Serie "Davos 1917" (NZZ, SZ).
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Bühne

"Ursonate" am Deutschen Theater Berlin. Mathilda Switala, Moritz Kienemann, Janek Maudrich, © Elke Walkenhorst

Wer der Weihnachtsbeschaulichkeit entkommen will, der sollte sich, empfiehlt Peter Laudenbach in der SZ, Claudia Bauers Inszenierung der "Ursonate" am Berliner Deutschen Theater anschauen. Gemeinsam mit dem Komponisten Peer Baierlein verwandelt sie das lustvoll sprachzersetzende Gedicht des Dadaisten Kurt Schwitters in eine "raffinierte Sprechoper. (...) Tiefsinn und anstrengende Behauptungen von Avantgarde und Dekonstruktion sind nicht zu befürchten: Worte sind an diesem Abend zum Spielen da, nicht zum Rechthaben. Die energische erste Zeile des Jahrhundert-Poems verspricht nicht zu viel: 'Fümms bö wö tää zää Uu'. Damit ist eigentlich alles gesagt. Vokabeln lösen sich auf zu Vokalen, heben ab und werden zu hart rhythmisierter Klangmusik. Um es mit Schwitters zu sagen: 'Rrrrrum!' Mitten im Deutschland der Weimarer Republik, im politischen Getöse zwischen dem Ersten Weltkrieg und Hitlers Diktatur, zerlegte der Experimentalkünstler die Sprache und mit ihr sämtliche Ideologien und andere Sinnstiftungs-Zumutungen zu Silbensalat. Wenn sein Werk eine Botschaft hat, dann höchstens ein rätselhaftes 'Tatta tatta tuiiEe tuiiEe'."

Auch Jakob Hayner ist in der Welt sehr angetan von der "Ursonate" ("versponnene und verspielte Huldigung des Nonsens"). Aber, meint er, das Deutsche Theater hat einen solchen Erfolg auch bitter nötig. Denn zuletzt machte sich dort ein massives Premieren-Problem breit: "Wo das Thema bereits als zeitgenössisch und aktuell gilt, ist die künstlerische Durcharbeitung oft besonders schwach: In 'Der Auftrag / Psyche 17' trifft Heiner Müller auf Elemawusi Agbédjidji, einen Autor aus dem Togo. Doch das Drama um Revolution, Kolonialismus und Verrat wird durch banale Bildsprache und plumpe Kommentierung unterlaufen (...). Und bei 'Männerphantasien' nach Klaus Theweleits Theorieklassiker wird der Inhalt kaum spielerisch entwickelt, sondern schlicht ins Publikum deklamiert. Das Ärgerliche ist nicht, dass der eine oder andere Abend misslingt, das ist im Theater normal. Was hier stört, ist der Eindruck, dass man es mit einer Regie zu tun hat, die Erfahrungen im Theater eher verhindert statt ermöglicht."

Szene aus "Antigone in Butscha". Foto © Philip Frowein


Einen eindringlichen Theaterabend erlebt FAZ-Kritikerin Philine Bickhardt am Züricher Schauspielhaus. Der ukrainische Regisseur Stas Zhyrkov inszeniert hier "Antigone in Butscha", ein Stück, in dem eine Schweizer Kriegsfotografin und eine Ukrainerin gemeinsam in einem Keller ausharren, während oben der Krieg tobt. Manches gerät etwas platt, gesteht Bickhardt ein, aber was erwartet man vom Theater eines Landes, das um seine bloße Existenz kämpft? "Entgegen der westlichen Tradition des Hinterfragens von Darstellungsmöglichkeiten ist dieses Theaterstück von der Notwendigkeit des Bezeugens geleitet. Warum sich in Metafragen verlieren, wenn Zeugnis abgelegt werden muss? Der Regisseur überträgt diese Unbedingtheit auf die Figur der Schweizer Kriegsfotografin, problematisiert zugleich aber auch die Vermarktung des Sterbens. Einmal in Butscha angekommen, lässt sie das Kriegsgeschehen nicht mehr los. ... 'Antigone in Butscha' ist auch ein Plädoyer gegen die Gleichgültigkeit einer Schweiz, die sich nach dem 24. Februar lange nicht positionierte und stattdessen russischen Oligarchen in aller Ruhe gewährte, ihr letztes Geld aus Schweizer Banken zu retten."

Besprochen wird die Meta-Operette "Lass uns die Welt vergessen" an der Volksoper Wien (Welt).
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Architektur

Nach der Abwahl der rechtspopulistischen Polnischen PiS-Regierung gerät eines ihrer Prestigeprojekte ins Wanken, erläutert Viktoria Großmann in der SZ: Der Wiederaufbau des Sächsischen Palais auf dem Warschauer Plac Piłsudskiego. Unter anderem stellt sich die Frage, wer die Kosten übernimmt. Eine finanzielle Beteiligung Deutschlands, dessen Truppen das Gebäude 1944 sprengten, steht im Raum. Die Architektin Marta Sękulska-Wrońska plädiert dafür, den Bau trotz aller Schwierigkeiten zu stemmen. Denn "noch habe Warschau seine Mitte nicht wiedergefunden. 'Man hat uns früher gesagt, die Ruinen sollen uns an den Krieg gemahnen', sagt die 40-Jährige. 'Aber ich denke, wenn wir wieder herstellen, was durch die Tragödie des Krieges verloren ging, stellen wir Kontinuität her. So können wir die ganze Geschichte erzählen und den Wert des Lebens betonen.' Nicht die Ruinen, sondern die wiederaufgebauten Symbole der jungen, polnischen Republik sollten stattdessen an die Geschichte erinnern."
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Literatur

Iris Radisch war für die Zeit in Sierre, wo sich die Rilke-Gesellschaft zum 100. Geburtstag der Elegien traf: "Vier Tage lang ging es darum, herauszufinden, was die Elegien uns heute noch bedeuten und wie man sie verstehen kann. Die Engel und die Vögel, die in ihnen bedeutende Rollen spielen. Die Seelenlandschaften, die sie entwerfen. Die Fluss- und Gesteinsmetaphern, in denen sich Rilkes hypermodernes, dynamisches Weltverständnis ausspricht. Den Klangrausch, ohne den ihre bis heute anhaltende Magie nicht zu begreifen ist. Die großen Schwierigkeiten, die es bereitet, sie überhaupt in andere Sprachen zu übersetzen. Auch der österreichische Schriftsteller Clemens Setz kam nach Sierre und erzählte, dass er vor Kurzem bei einem Spaziergang in der Nähe von Wien überraschend in ein 'heftiges, in die leere Luft beißendes Weinen' ausbrach, als er Artisten auf einer Wiese dabei beobachtete, wie sie sich hochstemmten zu einer wackeligen Menschenpyramide. Er verstand nicht, warum ihn dieser Anblick so erschütterte. Später fiel es ihm ein. Es war die Erinnerung an Rilkes zuletzt im Turm in Sierre geschriebene fünfte Elegie, in der die 'Saltimbanques', die Akrobaten, aneinander hochklettern und dabei etwas Wunderbares und Verlorenes schaffen."

Besprochen werden unter anderem Milan Kunderas Essay "Der entführte Westen. Die Tragödie Mitteleuropas" (Zeit), Stefanie Sargnagels Buch "Iowa" (SZ), der Briefwechsel zwischen Walter Gropius und Alma Mahler (NZZ) sowie Zoltán Danyis "Rosenroman" (FAZ). Mehr ab 14 Uhr in unserer aktuellen Bücherschau.
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Kunst

Arnold Böcklin, Schloss am Meer (Mord im Schloss), 1859Foto: Museum Folkwang Essen - ARTOTHEK


In Linz war während der Zeit des Nationalsozialismus ein "Führermuseum" geplant. Die Deutsche Niederlage setzte den Plänen ein Ende. Das Linzer Lentos Kunstmuseum arbeitet nun in der Schau "Reise der Bilder" die dunklen Aspekte der lokalen Kunstgeschichte auf. Hans-Joachim Müller ist in der Welt beeindruckt von der Akribie, mit der man nun öffentlich Rechenschaft darüber gibt, wie die geraubte Kunst ins Haus gekommen ist. Dabei führen alle, fast alle Wege zu Wolfgang Gurlitt, jenem Kunsthändler, den Kokoschka einst 'Zauberprinz' genannt haben soll. Wobei nicht geklärt ist, ob es als Ehrentitel gemeint war oder zur Kennzeichnung eines windigen Charakters. Jedenfalls wird nach dem Besuch der Ausstellung und mehr noch nach der Lektüre der vorzüglichen Begleitmonografie nicht mehr viel Märchenstimmung übrig geblieben sein. (...) Dass Wolfgang Gurlitt als "Vierteljude" galt, behinderte den Fortgang seiner Kunsthändlerkarriere nicht sonderlich. Er konnte reisen, kaufen, verkaufen und genoss das Wohlwollen der faschistischen Nomenklatura. Wie er es schaffte, sich immer wieder aus allen Lebensfallen zu befreien und unverdrossen auf Erfolgskurs zu bleiben, gehört zu den unverratenen Familiengeheimnissen."

Weitere Artikel: Die Besucherzahlen deutscher Museen nähern sich wieder den Vor-Covid-Margen, berichtet unter anderem Monopol. Unabhängig davon leiden freilich insbesondere die Berliner Museen unter akuter Finanznot, weiß Tobias Timm auf Zeit Online. Drei Empfehlungen macht eine Unternehmensberatung der Documenta, um eine Wiederholung des letztjährigen Antisemitismusskandals zu verhindern, meldet die FAZ. Olga Kronsteiger moniert im Standard die nach wie vor mangelhafte Aufarbeitung der NS-Geschichte der Wiener Horten Collection. Für Monopol unterhält sich Sebastian Frenzel mit Carolyn Christov-Bakargiev, der Leiterin der Documenta 13.

Besprochen werden die Ausstellungen Caspar David Friedrich in der Hamburger Kunsthalle ("Wie traurig, wie schön. Das ist der paradoxe Kern der Caspar David Friedrich'schen Kunst- und Lebensauffassung: Die unsterbliche Kunst erkundet, was die Vergänglichkeit ist. Ihr entkommt keiner, im besten Fall geht man zu zweit in die Natur oder vor die Ruine, die an die Natur zurückfällt", schreibt Boris Pofalla in der Welt), "Mythos und Massaker. Ernst Wilhelm Nay und André Masson" in der Berliner Sammlung Scharf-Gerstenberg (FAZ), "Thomas Huber. Lago Maggiore" im Lugano Arte e Cultura (NZZ), "Heilige Frauen in der Orthodoxen Kunst" im Ikonenmuseum Recklinghausen (FAZ), Sophia Domagałas Ausstellung "LIBERTÉ (être belle)" im Berliner Mountains (taz Berlin), die Gruppenausstellung "One and More Chairs" in den Berliner Mehdi Chouakri Wilhelm Hallen (Welt), die Dauerausstellung "Zerreißprobe. Kunst zwischen Politik und Gesellschaft. Sammlung der Nationalgalerie 1945-2000" in der Neuen Nationalgalerie Berlin (FR), Sandra Mujingas Installation "Fleeting Home" im Museum für bildenden Künste Leipzig (taz), Andreas Greiners KI-Installation "Game of Life" in der Berliner Galerie Dittrich & Schlechtriem (Monopol) und in einer Doppelbesprechung zwei Ausstellungen im Kunstverein Braunschweig: "Anna Ehrenstein: Imagined Inevitabilities" und "Dennis Siering: Unnatural Territories" (taz Nord)
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Musik

Das israelische DJ-Duo Red Axes und deren Veranstalter Guy Dreifuss sprechen in der SZ über die ausbleibende Solidarität der internationalen Clubszene nach dem 7. Oktober. Sie beobachten eine Atmosphäre der Angst: Trostnachrichten bleiben auf private Kommunikation beschränkt, lediglich große Namen wie Sven Väth positionierten sich auch in der Öffentlichkeit eindeutig. "Viele andere DJs haben Angst, sich auf Social Media zu äußern, selbst die, die bei ihren Auftritten Tausende Tickets in Israel verkaufen, waren still", sagt Dreifuss. Niv Arzi von Red Axes ergänzt: "Heute wird man als internationaler DJ auf Social Media in die Luft gejagt, wenn man in Israel spielt. Social Media hat die globale öffentliche Meinung gegenüber Israel in den vergangenen Jahren dermaßen aufgeheizt, dass DJ-Karrieren enden können, wenn man Tel Aviv oder Jerusalem oder eines der Festivals auf seinem Tour-Schedule hat. Aber für mich hat das auch etwas Reinigendes. Jetzt sind die Masken ab."

Teodor Currentzis hat mit dem SWR Symphonieorchester in der Berliner Philharmonie sein Mahler-Projekt vorgestellt, für das die vier Komponisten Alexey Retinsky, Philippe Manoury, Mark Andre und Jay Schwartz je eigene Vorschläge erarbeitet haben, wie sich Mahlers unvollendete Zehnte zu einem Beschluss bringen lassen könnte. Vom Mahler-Rumpf ging es nahtlos über in die Neukompositionen und auch zwischen diesen ist kein Bruch, berichtet Udo Badelt im Tagesspiegel frustiert: Diese Herangehensweise ist alles andere als vorteilhaft. "Gerade neue Musik müsste anders präsentiert werden: jedes Werk für sich, mit Erläuterungen und Einführungen, die helfen zu verstehen und wertzuschätzen. ... Wie ein Ertrinkender an der Holzplanke krallt man sich so an den wenigen wiederkehrenden, identifizierbaren Strukturen fest. Das wäre vor allem ein durchaus eindrucksvolles, gewaltiges Glissando gegen Ende des Abends, mutmaßlich von Jay Schwartz: ein stufenloses, chromatisches Gleiten der Tonhöhe nach oben. Was bekanntlich enormes Unwohlsein und Beklemmung beim Hören auslöst, da das nach Ende, Abschluss, Auflösung lechzende Ohr nichts findet, es einfach immer weitergeht. Schwartz gestaltet dieses Glissando monumental aus, in immer neuen Anläufen schwillt es an, fällt auch wieder."

Deutlich gnädiger fällt Wolfgang Schreibers Urteil in der SZ aus: Retinsky "gab sich den Mahler-Konvolusionen lustvoll ohrenbetäubend noch einmal hin", Manoury bot "zauberische Klangfarben in feinmotivischer Arbeit. Andreas hingegen gab es "leiseste Bläser, Klangschatten pianisssimi, naturhaft raschelnde Geräusche. Apokalypse dann in 'Theta' von Jay Schwartz, der eine doppelt erhitzt Steigerungsdramaturgie aufbaute: nach oben strebende Glissandobewegungen, scheinbar endlos, im Crescendo immer brachialer werdende Klänge. Fazit: Mahlers Zehnte ins Heute gekippt, über Grenzen hinweg ausgeschöpft. Was für eine glänzende Idee!"

Außerdem: Spürbar fad wird es Tobi Müller zumute, wenn er für Zeit Online auf das Popjahr 2023 schaut, das vor allem im Zeichen der Beatles und der Rolling Stones stand. Mit bloßer Kanonpflege hat das wenig zu tun, findet er. Insbesondere im Fall der Beatles läuft in den letzten Jahren eine gut geölte Social-Media-Maschinerie.
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