Efeu - Die Kulturrundschau

Keine Grimassen, reine Verzückung

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16.02.2024. Die Berlinale ist in vollem Gange: Die politischen Querelen haben FAZ, NZZ und Tagesspiegel noch nicht vergessen, die SZ freut sich über Cilian Murphy im Eröffnungsfilm. Der Perlentaucher bemängelt ein einfallsloses Retrospektive-Programm, das der taz hingegen gut gefällt. Die SZ lässt sich mit William Forsythe vom postmodernen Ballett verzauben. Die FR sieht das Frankfurter IG-Farben-Haus mit Laura J. Padgett mal aus einer anderen Perspektive. Zu einem möglichen Comeback der Monogamie in der Literatur macht sich die Welt Gedanken. Zeit Online lässt sich gerne von den sanften Klängen Helado Negros wecken. Die Feuilletons trauern um Johanna von Koczian.
9punkt - Die Debattenrundschau vom 16.02.2024 finden Sie hier

Film

Die Berlinale ist eröffnet - und wird, beobachtet Andreas Kilb in der FAZ, von allen Seiten politisch bedrängt. Das Programm hingegen hält sich sonderbarerweise weitgehend fern von den realen und diskursiven Schlachtfeldern der Gegenwart: "Aus Russland, das in Berlin früher reichlich vertreten war, ist aus naheliegenden Gründen kein einziger Film zu sehen, aber auch aus der Ukraine läuft nur je ein Beitrag im Forum und im Panorama. Als 'Berlinale Special' wird immerhin - um auf den zweiten Kriegs- und Krisenherd zu sprechen zu kommen - das neue Werk des israelischen Regisseurs Amos Gitai gezeigt, eine Verfilmung von Ionescos 'Nashörnern', die vom zunehmenden Wahnsinn unter den Bewohnern eines Wohnblocks in Tel Aviv handelt. Einen palästinensischen Film durfte man nach Lage der Dinge nicht erwarten, und es gibt ihn in Berlin auch nicht."

Auch die Ein/Ausladung von AfD-Politikern (siehe auch hier und hier) wird weiterhin diskutiert. Der Regisseur Christian Petzold, dieses Jahr Mitglied der Wettbewerbsjury, positioniert sich auf der Eröffnungspressekonferenz deutlich: "Ich denke, es ist kein Problem, fünf Personen von der AfD im Publikum zu haben. Wir sind keine Feiglinge. Wenn wir es nicht aushalten, dass fünf Personen von der AfD im Publikum sitzen, werden wir unseren Kampf verlieren." Für Andreas Busche im Tagesspiegel verweist die Ein- und anschließende Ausladung der AfDler auf ein "Grundproblem" des Festivals: "Inwieweit soll ein Filmfest auch zivilgesellschaftliche Aufgaben übernehmen und protokollarischen Gepflogenheiten folgen? Oder sollte es lediglich eine Bühne bieten, auf der gestritten werden kann, über Filmkunst und Politik?" Auch die NZZ kommentiert. Robert Ide hingegen sehnt sich angesichts des Tohuwabohus im Tagesspiegel nach etwas ganz anderem. Nämlich nach Ex-Berlinaleleiter Dieter Kosslick und seinem "wärmenden roten Schal der Zuneigung".

Immerhin werden jetzt auch Filme gezeigt (einen guten Überblick bieten wieder die Kritikerspiegel bei critic.de und artechock). Der diesjährige Eröffnungsfilm "Small Things Like These" spielt im Irland er 1980er und dreht sich unter anderem um junge Frauen, die in einem von der katholischen Kirche betriebenen Heim misshandelt werden. Regie führt Tim Mielants, die Hauptrolle übernimmt mit Cillian "Oppenheimer" Murphy ein waschechter Star. Es geht zwar, passend zur Diskurslage, um schwere Themen wie Zivilcourage, aber wirklich begeistert zeigt sich die Kritik nicht. "[D]ie bedrückende Schwere der Bilder macht Mielants' Film trotz seiner schlanken 95 Minuten zu einer freudlosen Sache", meint Andreas Busche im Tagesspiegel. Auch Andreas Kilb sieht in der FAZ nicht mehr als "eine Übung im gehobenen Filmstil". Susan Vahabzadeh findet in der SZ immerhin Gefallen am Hauptdarsteller: "Für ein großes Gesellschaftstableau bräuchte es vielleicht mehr, als 'Small Things Like These' zu bieten hat, aber dafür spiegelt sich alles im Gesicht von Cillian Murphy, was man nicht sieht. Er spielt mit solcher Intensität, so bewegend, dass man ihm gleich den nächsten Preis zutraut." Weitere Besprechungen: critic.de, Tip, Berliner Zeitung, fimstarts.

Im Perlentaucher blickt Thomas Groh auf die diesjährige Retrospektive, und ist ziemlich ernüchtert: Anstatt wie früher ein anspruchsvolles filmhistorisches Programm mit Kopien aus aller Welt zusammen zu stellen, zeigt die verantwortliche Deutsche Kinemathek diesmal budgetbedingt "unter dem Schlagwort 'Das andere Kino' lediglich Filme aus dem eigenen Archivbestand, die man jüngst digital restauriert hat. Weil das alleine schwerlich als 'Retrospektive' durchgeht, werden die Filme als Querschläger annonciert: unangepasste Filmkonzepte, unangepasste Filmentwürfe (was nebenbei bemerkt stark an die Retrospektive 2016 über das deutsche Kino in Ost und West 1966 und an die Retrospektive 2019 'Selbstbestimmt - Perspektiven von Filmemacherinnen' erinnert). Mit 20 Filmen ist die Auswahl denn auch gefühlt schmaler denn je. Zumal die Martin Scorsese gewidmete Hommage in diesem Jahr auf ein Minimum eingedampft ist. So wenig Filmgeschichte war auf der Berlinale selten." Mit "kreativem Witz" hat die Kinemathek auf die Sparzwänge reagiert, meint hingegen Claudia Lenssen in ihrem Durchgang durch die Retrospektive in der taz.

Außerdem: Hans-Georg Rodek macht sich in der Welt Gedanken über mögliche zukünftige Spielstätten des Festivals. Besprochen werden der Panoramafilm "The Outrun" von Nora Fingscheidt (taz), der Panoramafilm "I Saw the TV Glow" von Jane Schoenbrun, (taz) die queeren Filme des diesjährigen Festivals (Tagesspiegel), iranische Filme im Forum und Panorama (Tagesspiegel) und Lana Gogoberidzes "Mother and Daughter, or the Night Is Never Complete", der im Forum Spezial zu sehen ist (critic.de).

Abseits der Berlinale trauern die Feuilletons um die im Alter von 90 Jahren verstorbene Schauspielerin Johanna von Koczian, die vor allem durch ihre Rolle in Kurt Hoffmanns "Wir Wunderkinder" bekannt wurde. Willi Winkler erinnert sich in der SZ: "Koczian besaß genau die Leichtfüßigkeit, über die der deutsche Nachkriegsfilm so gern verfügt hätte, für die er aber dann doch keine Verwendung hatte. (...) Koczian hielt tapfer mit, versuchte sich im Musical, trat unter Helmut Käutner im Theater am Kurfürstendamm in 'Teenagerlove' auf. Der gute alte deutsche Film zerging in den Sechzigern. Koczian trat in Fernsehserien auf, zeigte sich im 'Kommissar', hatte eine Hauptrolle in 'Stewardessen', wurde in der 'Landärztin' vernutzt und erschien zuletzt auch noch im 'Traumschiff' als Erinnerung an die Diva, die sie nie ganz wurde." Für die FR ruft Harry Nutt Koczian nach. 

Außerdem: Im Standard berichtet Stefan Brändle über MeToo-Fälle im französischen Kino. Besprochen wird das Bob-Marley-Biopic "One Love" (Zeit Online).
Archiv: Film

Kunst


Marlene Dietrich, fotografiert von Cecil Beaton, 1932. Bild: Helmut Newton Foundation.

In der Newton-Stiftung kann Bernhard Schulz (Tagesspiegel) in der Ausstellung "Chronorama. Photographic Treasures of the 20. Century" das fotografische Archiv des Verlags Condé Nast kennenlernen, der unter anderem die Vogue herausgegeben hat, hier aber gar nicht nur das Perfekte, Hochstilisierte zeigt: "Es ist viel mehr von den Zeitläuften zu sehen, als man unter dem Signum 'Modefotografie' erwarten würde. (…) Jahrzehnt für Jahrzehnt geht die Ausstellung durch, immerzu akzentuiert von Porträtfotos der Größen der Zeit, von Charlie Chaplin bis James Joyce, aber früh auch schon Paul Robeson und später James Baldwin. 'Die kostbaren Artefakte repräsentieren ein spezifisches und subjektives Geschichtsbild, das die westliche Kultur- und Wirtschaftselite widerspiegelt', heißt es im Einführungstext der in Berlin von Matthias Harder kuratierten Ausstellung, und das soll wohl der erwartbaren Kritik an der Einseitigkeit der Vogue-Fotografie entgegnen. Aber es gilt doch festzuhalten, dass die ungeschminkte Realität immer wieder hervorlugt, gerne als architektonischer Meilenstein wie dem Empire State Building 1930, aber auch in Gestalt Stalins auf dem Roten Platz, übernommen von der offiziellen Agentur 'Sovfoto', die mit Mode nun wahrlich nichts am Hut hatte."

Judy Chicago. Bild: judychicago.com

Die feministische Künstlerin Judy Chicago, "mit 84 eine Titanin in einer Welt, die immer noch von Titanen dominiert wird", bekommt mit "Herstory" im New Yorker New Museum eine erste Retrospektive, die Andrian Kreye für die SZ besucht hat: "Die Subversion männlicher Domänen und Sexualisierung der Formen sind in der Retrospektive als einzige wahrnehmbare rote Fäden in ihrer Arbeit zu erkennen. Mal sanft, mal humorvoll, oft auch aggressiv. Auf dem Foto 'Gunsmoke' zum Beispiel, einer Art Randnotiz zu ihren 'Atmospheres', auf dem ein Mann zu sehen ist, dem jemand mit der Brutalität einer oralen Vergewaltigung einen Pistolenlauf in den Mund zwingt. Da stimmt sie mit der Musik ihrer Zeit überein, als in den Siebzigerjahren statt Genre-Traditionen und handwerklicher Formalismen Haltung und Gestus zu den entscheidenden Stilmitteln des Punk und des Avantgardejazz gehörten. Wobei man gerade das Handwerk in ihrem Gesamtwerk nicht unterschätzen darf. Egal, ob Gemälde, Performance, Skulpturen aus Glas, Kunststoff oder Metall, Schwäche zeigte Chicago in keiner Phase."

In der FR bewundert Sylvia Staude die Fotografien von Laura J. Padgett, die sich intensiv mit dem Frankfurter IG-Farben-Haus auseinandergesetzt hat. Sie sind in der Galerie Peter Sillem ausgestellt: "Dass die Details ihr wichtig sind, der Blick auf die Formen, die Spiegelung der einen in einer anderen Form, auch wenn die Größenverhältnisse sehr unterschiedlich sind, das zeigen die Fotografien, die Padgett jeweils als Diptychen zusammengestellt hat. (...) Etwa wenn Padgett einen Blick aus dem Fenster zusammenstellt mit dem Detail einer längst nicht mehr genutzten Heizungsanlage, einer Schaltzentrale, wo kleine rote Lämpchen auf mittlerweile rissigem, Raum-Umrisse nachzeichnendem Untergrund einst aufleuchteten. Es gibt sehr bedachte Ausschnitte des Gebäudes zu sehen - aber, das mag vielleicht verwundern, keine Gesamtaufnahme aus der Entfernung. Solche Abbildungen des IG-Farben-Gebäudes gibt es allerdings bereits in Menge - und diese Bilder haben nicht im Mindesten die Aura der Fotografien Laura Padgetts. Auf ihren Aufnahmen sieht man die Zeichnung des Steins, manchmal darauf auch Moos-Bewuchs, innen die feinen Linien im Marmor, den glänzenden Boden der menschenleeren Gänge."

Besprochen werden: Kroatische Protestkunst in "Komm zu Bewusstsein! Halte stand! Reagiere! Performance und Politik im postjugoslawischen Kontext der Neunziger"
im Muzej suvremene umjetnosti in Zagreb (FAZ), "Zwölf Variationen zur Auferstehung" im Kunstraum Parochial (Berliner Zeitung) und die Retrospektive zu Frans Hals, die im Sommer aus dem Rijksmuseum Amsterdam nach Berlin kommt (Tagesspiegel).
Archiv: Kunst

Literatur

Richard Ford © Rodrigo Fernández, Lizenz: CC BY-SA 4.0 DEED


Die Feuilletons gratulieren Richard Ford zum 80. Verena Lueken würdigt in der FAZ das Werk des amerikanischen Autors in seiner ganzen Breite, kommt aber natürlich auch auf Fords berühmteste Kreation zu sprechen: Frank Bascombe, dessen Lebensweg sich fünf Romane widmen. Bascombe ist "eine einzigartige Figur, ironiebegabt und philosophisch gestählt, eine Kunstfigur ohne Vorbild oder Bezug zu einer realexistierenden Person, weder Alter Ego des Autors, erst recht nicht beispielhaft für eine Generation. Und doch ein Mann seiner Zeit. Ein Mann des 20. Jahrhunderts, der ins 21. mitgenommen hat, was sich lohnte (Bücher, ein kühler Blick auf die Besonderheiten kapitalistischer Ordnungssysteme und immer ein Haus), und einiges zurückließ, an das er sich erinnert, ohne ihm nachzutrauern (aufregendere Arbeit, mehr Erfolg bei Frauen)." In der SZ porträtiert Nils Minkmar einen, der weiß, dass "Identitäten stets mobil sind und die Literatur ein offenes Medium bleiben sollte".

Ein Comeback der Monogamie macht Welt-Autorin Marie-Luise Goldmann in der Gegenwartsliteratur aus. Einschlägige Neuerscheinungen unter anderem von Han Kang und Maggie Müller lassen Goldmann allerdings eher skeptisch zurück: "Was ist es also, woran die Liebenden im 21. Jahrhundert scheitern? Was hält sie davon ab, ihr Happy-Ever-After auf Dauer zu stellen? Eine feindliche Konvention wie in 'Romeo und Julia' scheint weit und breit nicht in Sicht, auch keine unüberbrückbaren Klassendifferenzen oder eine tragische Katastrophe wie in 'Titanic'. Vielleicht ist die Frage ja wirklich falsch gestellt. Vielleicht müssten wir umgekehrt fragen, was überhaupt dafür spricht, sich auf eine Zweierkonstellation einzulassen. Wahrscheinlich ist es dieser Grundzweifel, dieser Verdacht auf Absurdität, der die zeitgenössischen Texte eint. Ebenso wie die Unmöglichkeit, sich dem Absurden vollständig zu entziehen."

In der Welt erinnert Lothar Struck an einen Autounfall Peter Handkes. Im Standard unterhält sich Karl Fluch mit dem österreichischen Schriftsteller Robert Palfrader. Wolf Wondratschek begibt sich in der SZ auf die Spuren Franz Kafkas.

Besprochen werden unter anderem Mustafa Suleyman und Michael Bhaskars Sachbuch "The Coming Wave" (FAZ), Ilona Hartmanns "Klarkommen" (Welt), Michela Murgias "Drei Schalen" (FR) und der von Tania Martini und Klaus Bittermann herausgegebene Essayband "Nach dem 7. Oktober" (FR).
Archiv: Literatur

Bühne

Birgit Minichmaier spielt am Wiener Burgtheater im Bernhard'schen "Heldenplatz", inszeniert von Frank Castorf, Christiane Lutz interviewt für die SZ. Anders als bei der Uraufführung des Stückes 1988 spielen sich Skandale aber immer weniger im Theater ab: "Es empören sich alle immer und überall. Aber künstlerisch kann man heute nicht mehr so skandalisieren wie damals. Das Theater an sich ist in einer Wandlung. Nach Corona hatte die Theaterlandschaft extrem zu tun, sich wieder eine Berechtigung zu verschaffen. Aber klar, her damit - mit dem Skandal im Sperrbezirk." Zu ihrem eigenen Empörungspotential sagt Minichmaier: "Der Robert Schuster krakeelt ab dem zweiten Akt 100 Seiten lang in einer Art Monolog. Es wird immer behauptet, dass er resigniert, aber er regt sich die ganze Zeit über alles auf. Ich bin eine Mischung aus beiden. Ich kann mich aufregen und mich resigniert fragen, wohin alles geht. Die Situation in der Ukraine und im Nahen Osten. Die Zahl der Autokratien weltweit nimmt zu. Warum etwa soll es in diesem Jahrhundert nicht auch einen Weltkrieg geben? In nicht stabilen Momenten kriegt man schon Horrorfantasien."

Ganz begeistert ist SZ-Kritikerin Dorion Weickmann von einer Ballettprobe mit dem legendären Choreografen William Forsythe: "Er hat die traditionellen Achsen, Positionen und Posen der klassischen Tanzkunst aufgebrochen und aus den Fragmenten etwas Neues zusammengesetzt: das Ballett der Postmoderne. Diese Pionierleistung begründet die Ausnahmestellung, die er in der Szene hat - und seinen weltweiten Ruf. Wer ein Ticket für die Premiere des Dreiteilers "Approximate Sonata 2016 / One Flat Thing, reproduced / Blake Works I" an diesem Freitag in der Deutschen Oper ergattert hat, wird Forsythes Erfindergeist zwei Stunden lang begegnen: in Gestalt seiner lässigen Kombinationen, die Rasanz mit gut getarnter Komplexität verbinden und Körpersilhouetten wie barocke Artefakte verschrauben. Ganz nebenbei zaubert der Choreograf den Tänzern ein strahlendes Lächeln ins Gesicht: keine Grimassen, reine Verzückung." Den Titel "King of Ballet" findet Weickmann da äußerst passend.

Weiteres: In der Saison 2025/26 wird Mathieu Bertholet neuer Intendant des Zürcher Theaters, meldet die NZZ.

Besprochen werden: Sarah Snook in "The Picture of Dorian Gray" am Londoner Theatre Royal Haymarket (SZ) und "Die Wasserträgerin" vom Verein Black German Arts and Culture in Düsseldorf (nachtkritik).
Archiv: Bühne

Musik

"Jeder Artikel über Taylor Swift verdrängt einen anderen über viel interessantere Gegenstände, so auch dieser", stellt Jan Wiele gleich zu Beginn seines FAZ-Texts über den amerikanischen Megastar klar. Aber eben diese Verdrängungswirkung will reflektiert werden. Wiele jedenfalls fühlt sich angesichts der Allgegenwart Swifts an den Film "Und täglich grüßt das Murmeltier" erinnert. "Eines vielleicht nicht mehr so fernen Tages werden Sie aufwachen, aber was Sie weckt, wird nicht der Ohrwurm 'I Got You Babe' von Sonny und Cher sein, sondern eine undefinierbare Klangmasse, die kaum noch an Musik erinnert. Benommen werden Sie daraus auftauchen mit Erinnerungen an einen Androiden ohne Gesicht, an einen Rhythmus ohne Melodie, aber einen Namen werden Sie im Munde führen noch vor der ersten Tasse Kaffee, reflexhaft stammelnd, erschöpft: 'T-t-t-taylor Sw-w-w-ifffft'."

Einer von denen, über die man stattdessen schreiben könnte, ist der im US-Bundesstaat North Carolina residierende Sänger Helado Negro. Dessen neues Album "Phasor" sollte, findet Daniel Gerhardt auf Zeit Online, "aus allen Radioweckern erklingen, auf denen morgens um 6.30 Uhr jemand die Schlummertaste drückt. Mehr denn je schreibt Lange Musik des langsamen Aufwachens, nichts gibt es gerade, womit man schöner in verplemperte Tage hineinsliden könnte als seine kleinen Songs. Einen davon hat er sogar 'I Just Want to Wake Up With You' genannt. (...) Wie so vieles, was Lange komponiert, klingt es zunächst einmal simpel, seine Botschaft von häuslicher Zweisamkeit eigentlich zu brav für einen Popsong. An den Rändern von 'I Just Want to Wake Up With You' aber zerren komische Geräusche, aus seiner Mitte wächst ein seltsam verdudeltes Solo, in dem entweder ein Computer eine Gitarre imitiert oder eine Gitarre einen Computer."

Die Osterfestspiele in Baden-Baden bekommen ab 2026 eine Doppelspitze, bestehend aus Klaus Mäkelä und Joana Mallwitz, die jeweils ein eigenes Festspielorchester leiten werden, berichtet Jan Brachmann in der Welt. Besprochen werden OG Keemos Album "Fieber" (taz), die Netflix-Doku "The Greatest Night of Pop" über die Aufnahme des Benefiz-Songs "We Are the World" (NZZ) und ein Konzert für Cello (Gautier Capuçon) und Klavier (Daniil Trifonov) mit Kompositionen von Debussy, Prokofjew und Rachmaninow im Wiener Großen Musikverein (Standard).

Archiv: Musik