Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
24.06.2002. William Langewiesche hat für Atlantic Monthly die Aufräumarbeiten am ground zero beobachtet. Der Economist ist verstört von Maria Eichhorns Pervertierung des Kapitalismus auf der Documenta. In Literaturen seziert Sigrid Löffler Martin Walsers "Tod eines Kritikers". Der New Yorker porträtiert den Boxer Lennox Lewis. Outlook India stellt Indiens künftigen Premier Abdul Kalam vor. Im Spiegel klagt Autor Jonathan Franzen über seine unausgesprochene Rivalität mit Oprah Winfrey. Im Nouvel Obs stellt Autor Tim Parks den Fußballclub Verona vor. In der NYT bespricht Mark Mazower zwei Biografien eines "french cultural racist": Napoleon.
The Atlantic (USA), 01.07.2002
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Dazu hat Atlantic ein Interview mit Langewiesche ins Netz gestellt, in dem er erklärt, warum das World Trade Center zum Schlechtesten zählt, was die USA hervorgebracht haben, die Beseitigung seiner Trümmer jedoch - sagen wir, abgesehen vom einen oder anderen Graffiti - zum Besten.
Weitere Artikel: Mit einem Doppelklick hat sich Michael Benson ins Weltall katapultiert und schwärmt über die beste Show der Welt, die auf den Seiten der NASA zu sehen sei (Videos von der Marsexpedition etwa sind hier zu sehen, von den Missionen zum Mond hier). Kenneth Brower befürchtet, dass Ansel Adams von der Retrospektive zu seinem 100. Geburtstag, die gerade durch die USA tourt, nicht begeistert wäre.
Literatur gibt es natürlich auch noch: Besprechungen widmen sich Robert A. Caros Lyndon-Johnson-Biografie "Master of the Senate", Derwent Mays Geschichte des Times Literary Supllement "Critical Times", Walter Mosleys neuem Easy-Rawlins-Krimi "Bad Boy Brawly Brown". Und Christopher Hitchens hat noch einmal Upton Sinclair gelesen.
Zu lesen ist außerdem die Kurzgeschichte "Report From Junction" von Brad Vice, zu hören sind Gedichte von Michael Collier, Robert Thomas, Cathy Smith und Sharon Olds.
New Yorker (USA), 24.06.2002
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Weitere Artikel: John Lahr porträtiert den Komponisten Richard Rodgers, Joan Acocella erzählt, "how young dancers grow up", Peter Schjeldahl schreibt über Kunst in Europa: die Documenta und die Baseler Kunstmesse. Anthony Lane bespricht Steven Spielbergs "Minority Report" ("The worst thing about the new Steven Spielberg picture is the title, "Minority Report." The best thing about it is pretty much everything else.") John Updike stellt zwei Bücher vor, die den Untergang der Lusitania (mehr hier) am 7. Mai 1915 schildern. Und schließlich dürfen wir noch die Geschichte "Airplane" von Haruki Murakami lesen.
Nur im Print: Peter J. Boyers Reportage über den Überlebenskampf der Armee in Washington und Isabel Hiltons Brief aus Frankreich, der sich mit dem Front National auseinandersetzt.
Literaturen (Deutschland), 01.07.2002
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Löffler porträtiert auch Jonathan Franzen und kommt wie der Spiegel auf seinen Zusammenstoß mit der Oprah-Winfrey-Show zu sprechen: "Franzens Analyse der totalen Macht des Fernsehens auf Kosten der literarischen Kultur wird durch den empörten Wirbel, den sein Widerstand auslöste, auf paradoxe Weise bestätigt. In der öffentlichen Meinung hat das Fernsehen natürlich gesiegt. Aber gerade weil er als Verteidiger der Buchkultur allseits ins Unrecht gesetzt wurde, behielt Franzen Recht." In einer Beilage bringt das Magazin auch Franzens kulturkritischen Essay "Vielleicht auch träumen" von 1996 erstmals auf Deutsch.
125 Jahre Hesse - Robin Detje memoriert seine "Siddhartha"-Lektüre ("im Schatten von Helmut Schmidt") und stößt auf erschreckende Parallelen zum Zeitgeschehen: "Da weigert sich ein junger Mann immerhin beständig, seinen Lehrern zu trauen, und zeigt selbst Buddha persönlich eine Lücke in dessen Lehre auf, wenn auch demütig. Die Jugend von heute wüsste sich das allerdings zu übersetzen und würde sofort zur Pump Gun greifen. Wehret den Anfängen. Der junge Herr Siddhartha ist auf seine Weise ein Terrorist und Selbstfindungs-Terminator." Ist es nicht ganz erstaunlich, überlegt Detje, "wie viel spirituellen Ehrgeiz der Kollege S. zwecks Erlangung der reinen Ehrgeizlosigkeit aufwenden musste? War er nicht vielleicht doch bloß ein kleiner heiliger Schnösel, den eine Backpfeife von Helmut Schmidt und ein dicker Band Karl Popper wieder auf den richtigen Weg gebracht hätten?"
Ferner im Sommer-Doppelheft: Ein großes Dossier über Städte mit Texten von Georg Klein, Juan Goytisolo, Ulrike Draesner und vielen anderen. Franz Schuhs Besprechung eines launigen Krimis von Driss Chraïbi, Henning Klüvers Gedanken über die Zusammenhänge von Politik und Literatur in Italien, sowie Nicolas Pethes' Ausführungen zur Wirkungsweise des Medical Thrillers.
Economist (UK), 22.06.2002
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Im einleitenden Artikel eines Technology Quarterly bekommen Investoren den Ratschlag, herkömmliche Informationstechnologien endlich abzuschreiben und sich stattdessen die wirklich innovativen Disziplinen vorzunehmen, als da wären: "genomics, neuro-silicates, nanotechnology and, above all, bio-informatics". Außerdem preist man die Investitionsmöglichkeiten mit "soft capital" und neue flexiblere Produktionsverfahren: "Specialised 'hard tooling' is giving way to reprogrammable 'soft assembly' lines. In short, companies do not have to spend anything like the sums they used to do to get comparable, or even greater, increases in output. In an increasingly competitive world, much of the extra profit released in the process then flows directly into innovation and new product development."
Anderes: Die Cover Story nimmt sich noch einmal der angeschlagenen US-Wirtschaft an: Auch die Aussichten sind trübe. Wir erfahren über die Herausforderungen an die neue französische Regierung, darüber, wie wir lernen, während wir schlafen, und über den 350. Geburtstag der Quäker, der naturgemäß in aller Stille begangen wird.
Outlook India (Indien), 01.07.2002
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Dabei ist Kalam ein ganz Sympathischer. Sheela Reddy stellt seine 1999 entstandene Autobiografie "Wings of Fire" vor, die weniger das äußere Leben von Indiens künftigem Premier als seine "spirituellen Erfahrungen" verhandelt, "oft banal, manchmal weise, aber stets aufrichtig". Schön auch, wenn das Buch Kalams Karriere als Raketen-Techniker als "seinen Weg zur spitrituellen Erleuchtung" nachzeichnet. Herausgekommen ist "a simple man, almost naive, but astute in his judgement of people and with tested leadership skills, at home with prime ministers and schoolchildren alike, but with no desire to please anyone but his God".
Besprochen wird auch ein Band, der 34 Interviews mit Salman Rushdie versammelt. "A Sourcebook of his Ideas" lautet der Untertitel des Buchs, und so stößt Malashri Lal auf jede Menge "gems", Juwelen, und kann sagen: "Rushdie is more than the sum of his novels and his imaginary homelands. This collection makes us privy to the man behind the words, his strengths and vulnerabilities uncovered as a chronicle of his life never told in this fashion."
Sanjay Suri schließlich überblickt die Kritiken zum Auftakt des Webber-Musicals "Bombay Dreams" in London und konstatiert etwas bitter: "The usual Indian indulgence of things Bollywoodish was seen little and shared less by the cool critics of British dailies."
Espresso (Italien), 27.06.2002
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Den Glanz der Fußballnation Italien zu belegen, ist indessen allein noch Pierluigi Collina beschieden, der als Schiedsrichter womöglich das Finale pfeifen wird. Die Azzurri aber kennzeichnet Gianni Perrelli in einem wundenleckenden Artikel treffend in einem Satz: "Ein Mythos, und wenn's drauf ankommt ein Flop".
Spiegel (Deutschland), 24.06.2002
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In einem anderen Interview äußert sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann zum Abtreibungsgesetz als Schlag gegen die katholische Ethik. Das Urteil zeige, "dass die Selektion von Menschen auf Grund ihrer Behinderung in unserer Gesellschaft bereits Realität ist ... Unbegreiflicherweise definiert der Bundesgerichtshof die Geburt eines Kindes mit körperlichen Fehlbildungen als Schadensfall. Diese Entscheidung widerspricht sowohl dem christlichen Menschenbild als auch dem Wertkonsens des Grundgesetzes." Ganz im Geiste dieses Ethos erklärt der Kardinal zur Gebrechlichkeit des Papstes, dass dieser darin "vielen Menschen, die krank und gebrechlich sind, durchaus ein Beispiel gibt, dass man nicht einfach davonläuft, sondern an seiner Stelle bleibt, solange man irgendwie kann".
Nur im Print: der Titel untersucht Bundeskanzler Schröders Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Im Kulturteil wird die "erstaunliche Karriere des Architekten-Duos Herzog und de Meuron" beschrieben.
Nouvel Observateur (Frankreich), 20.06.2002
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Dominique Fernandez stellt anlässlich einer Neuauflage seiner Bücher den Lieblingsschriftsteller seiner Kinderzeit vor: Gustave Aimard (1818-1883), Autor von über 50 Abenteuerromanen, die in Südamerika und im Wilden Westen spielen, und zu seiner Zeit in der Lesergunst "gleich nach Dumas und Jules Vernes rangierten". Im Gegensatz zu Karl May hatte dessen französische Version die Gegenden, die er beschrieb, tatsächlich auch bereist, und sollte in "Patagonien sogar einmal als Sklave verkauft werden". In den USA gelten seine Werke "als grundlegende Zeugnisse über den amerikanischen Südwesten". Und obwohl "Aimard zweifellos ein schlechter Schriftssteller" war, vermochten seine Stoffe und Beschreibungen Fernandez' Kinderseele nachhaltig "aufzwühlen": "Dass der Paria zugleich auch ein Erwählter ist, das hat mir Gustave Aimard als erster beigebracht."
Ebenfalls lesenswert und sehr leidenschaftlich: Frederic Mitterands Porträt der "Stimme des Orients", der libanesischen Sängerin Fairuz. Der Regisseur und TV-Autor hatte Fairuz bereits 1998 in einer ARTE-Produktion gehuldigt. (Mehr über Fairuz finden Sie auf dieser Website, mit ausführlicher Biografie, Hörproben und vielen weiterführenden Links.)
Express (Frankreich), 20.06.2002
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Mit dem Sommer beginnen auch die Festivals in Frankreich: Die Höhepunkte auf dem Festival in Aix-en-Provence, das sich in diesem Jahr der Wechselwirkung von Oper und Theater verschrieben hat, sind Mozarts Don Giovanni in einer Inszenierung von Peter Brook und die Oper Le Balcon von Peter Eötvös nach Jean Genets gleichnamigem Drama. Peter Eötvös' Oper "Die drei Schwestern" nach Tschechow war zuletzt auf den Wiener Festwochen zu sehen. ARTE zeigt diese Inszenierung am 24. Juli. Ein Porträt des ungarischen Komponisten mit dem vielversprechenden Titel "Die siebente Tür" sendet ARTE am 17. Juli.
Weitere Artikel: Daniel Rondeau bespricht einen Band mit Interviews mit dem französischen Widerstandskämpfer Pierre de Benouville. Alain Louyot lobt die Analyse der Folgen des 11. September von Alexandre Adler, erschienen unter dem Titel "J'ai vu finir le monde". Cecile Pivot erzählt die Geschichte des Buches "Le rage et l'orgueil" der italienischen Journalistin Oriana Fallaci, das in Frankreich verboten werden soll. Silvio Berlusconi hat Oriana Fallaci vorgeschlagen, sich als Kandidatin bei den Kommunalwahlen 2004 in Florenz aufstellen zu lassen.
Außerdem: Martine Lachaud hat die Sängerin Fayruz in Beirut besucht. Zu sehen ist sie auf Tournee mit ihrem neuen Album "Wala Kif" am 27. Und 28. Juni im Salle Pleyel in Paris.
New York Times (USA), 23.06.2002
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Besprochen wird auch Joseph E. Stiglitz' Studie "Globalization and Its Discontents" - "more of an economic treatise than a narrative critique", wie Rezensent Joseph Kahn einräumt, der die von Stiglitz kritisierten Praktiken von IWF und Weltbank unter der Clinton-Regierung zwar zu Genüge kennt, Stiglitz aber für seine treffsichere Argumentation und für sein Insiderwissen (Stiglitz war selbst Wirtschaftsberater bei Clinton) schätzt. Nachteil des letzteren Vorteils: Das Buch erscheint "tendenziös und mitunter sogar rachsüchtig".
Ferner stellt die Times noch vor: Ward Justs neuen Roman (Probe "The Weather in Berlin") über einen ausgebrannten Hollywood-Regisseur unterwegs in Neu-Berlin, zwischen "Wessi triumphalism and Ossi discontent". Hier die Besprechung und eine Audiolesung mit Just. Sowie eine Biographie über Herman Melville.