Anne Applebaum ist nach Odessa gereist, eine der "russischsten" Städte der Ukraine, und erzählt, wie der Krieg noch mehr dazu beiträgt, eine
ukrainische Identität zu schmieden. Sie feiert die meist jugendlichen Freiwilligen, die Tarndecken für Scharfschützen nähen, Geld sammeln, Erste-Hilfe-Ausbildung geben oder mit dem eigenen Auto an die Front fahren, um Menschen zu evakuieren. "Überall in der Stadt haben sich Studenten, Buchhalter, Friseure und alle anderen denkbaren Berufsgruppen einer
sozialen Bewegung angeschlossen, die man nur als beispiellos bezeichnen kann. Sie nennen sich 'Volonteri', und ihre Organisationen, ihre Crowdfunding-Kampagnen und ihr Aktivismus erklären, warum die ukrainische Armee
so hart und so gut gekämpft hat und warum das jahrzehntelange russische Bestreben, den ukrainischen Staat zu vereinnahmen, größtenteils gescheitert ist, selbst (oder vielleicht gerade) im russischsprachigen Odessa. In einer gelähmten Landschaft, in einer festgefahrenen Wirtschaft, in einer Stadt, in der niemand etwas planen kann, gestalten die Volonteri
die Zukunft. Sie haben keine Angst vor Verlust, Belagerung oder Besetzung, denn sie sind überzeugt, dass
sie gewinnen werden."
Was mit "Twin Peaks" begann, ist spätestens seit "Lost"
Gymnastik für Serienjunkies: Der fieberhafte Austausch über mögliche kommende Plot-Twists, verrätselte Erzählstrukturen und die eigentliche Beschaffenheit eines Erzählszenarios - die Welt der
Fan-
Theorien, die heute in Foren im Netz und dort insbesondere auf
Reddit schillernde Blüten an der Grenze zur Forensik treiben (was genau steht in dem Zauberbuch, das im Bildhintergrund von "Harry Potter" aufgeschlagen herumliegt?). Für die Kreativen hinter den Kulissen kann das Segen (Werbung) und Fluch sein (ein schon frühzeitig richtig enttarnter Plot-Twist),
schreibt Shirley Li. "Die Folge: Geschichtenerzähler müssen mehr leisten, als befriedigendes Garn zu spinnen; sie müssen sich gegenüber Fans behaupten, die so involviert sind, dass sie mit ihnen quasi im Wettlauf sind,
wer zuerst das Ziel erreicht. Insbesondere bei Fernsehserien sind die leidenschaftlichen Zuschauer Teil des Writers Room geworden - nicht in tatsächlicher Anwesenheit natürlich, aber als
dräuende Präsenz im Bewusstsein zumindest alljener, die staffelwerten Plot schmieden. ... Einige Serien fordern ihre Fans aber auch zum detektivischen Blick heraus. So verriet mir Chris Miller, der kreative Kopf hinter dem
AppleTV-Whodunnit 'The Afterparty', dass das Autorenteam in jeder Episode '
kleine Geschenkkörbe' platziert - Ostereier, die den Adlerblick der Zuschauer mit Hinweisen auf die Identität des Mörders belohnen. 'Es ist aufregend in unserer Welt von heute zu leben, wo die Leute schauen, nochmal schauen und ständig das Bild pausieren können', sagte er mit. In 'Only Murders in the Building', dem ähnlich komödiantischen Krimi von
Hulu, liefert der Vorspann jeder Episode einen Hinweis auf die folgende Geschichte."