Magazinrundschau - Archiv

Fathom

3 Presseschau-Absätze

Magazinrundschau vom 16.04.2024 - Fathom

Mitchell Cohen war einst Redakteur der gemäßigt linken New Yorker Zeitschrift Dissent und bekennt sich zu sozialdemokratischen Ideen. Jüngst legte er ein Buch zur "Politik der Oper" vor. Er publizierte in der Vergangenheit auch zu den Themen Zionismus und Israel und hat 2007 in Dissent einen prophetischen Artikel über den neu aufblühenden linken Antisemitismus publiziert. Nun spricht er mit der Redaktion von Fathom erneut über dieses Thema - im grellen Licht des 7. Oktober und der Folgen. Dabei macht er zwei Dinge klar: Man konnte immer ein Linker sein, ohne Mord schön zu reden, auch etwa in Zeiten des Stalinismus. Und die israelische Rechte hat ein riesiges Stück Mitverantwortung am heutigen Schlamassel, wobei gegen eilfertige "Kontextualisierungen" festzuhalten ist: "So wie die 'white supremacy' und das Gift der Theorie vom 'großen Austausch' nicht Schuld der Afroamerikaner sind, sondern Ausdruck des Rassismus, so ist auch der Antisemitismus, einschließlich der antizionistischen Variante, nicht auf die bösen Juden und Zionisten zurückzuführen, sondern auf Vorurteile." Im grassierenden linken Antisemitismus erkennt Cohen Pathologien der westlichen Linken in der Stalin-Zeit wieder: Man bemäntelt "kognitive Dissonanzen", um sich seine "theoretischen Mythen" nicht kaputt machen zu lassen. Der von der Linken heute vergottete "globale Süden" spielt dabei eine ganz eigene Rolle, die Cohen an Südafrika exemplifiziert: "Widerstand gegen Imperialismus und Kolonialismus war schon immer Teil jedes moralisch intelligenten linken Programms und sollte es auch sein. Die Dekolonisierung nach dem Zweiten Weltkrieg war von weltgeschichtlicher Bedeutung. Sie gipfelte in vieler Hinsicht in Nelson Mandelas heldenhafter Führung der Befreiung Südafrikas von der Apartheid. Doch drei Jahrzehnte später befindet sich die von ihm geführte Partei in einem miserablen Zustand, wie auch Südafrika insgesamt, und ihr droht der Niedergang bei den Wahlen. Also versucht sie, sich zum moralischen Anführer des 'Globalen Südens' zu machen und beschuldigt Israel des Völkermords und der Apartheid, will aber Russlands Invasion in der Ukraine nicht verurteilen. Das ist Suche nach dem Sündenbock und hat überall, auch bei der westlichen Linken, große Unterstützung gefunden."

Magazinrundschau vom 07.05.2019 - Fathom

Die Sowjetunion hatte einst ein offizielles "Antizionistisches Komitee der sowjetischen Öffentlichkeit", das 1984 in vielen Sprachen eine Schrift über die "verbrecherische Allianz des Zionismus und Nazismus" herausbrachte. Die Argumentationsfiguren in dieser Schrift ähneln denen der heutigen antisemitischen Linken aufs Haar, schreibt Izabella Tabarovsky, eine Spezialistin für die Geschichte des kommunistischen Antizionismus. Und diese Schrift war nur Teil einer heute fast vergessenen jahrzehntelangen antizionistischen Kampagne der Sowjetunion: "Der Antisemitismus dieser Kampagne war bestürzend. Die meisten Autoren - von denen viele Verbindungen zum KGB oder der Parteispitze hatten - stützten sich stark auf antisemitische Denkfiguren, die sie direkt aus den 'Protokollen der Weisen von Zion' bezogen. Manche in der Gruppe waren Bewunderer Hitlers und des Nationalsozialismus und benutzten 'Mein Kampf' als Quelle der 'Information' über Zionismus und Inspiration für die eigenen Interpretationen. Die Sowjets bestritten Beschuldigungen des Antisemitismus mit Vehemenz, die sie als 'zionistische Tricks' und 'schändliche imperialistische Machenschaften' abtaten. Aber die 26 Millionen sowjetischen Juden wussten es besser. 1976, auf einem der Höhepunkte der Kampagne, sagte der sowjetisch-jüdische Aktivist Natan Scharanski, er spüre einen 'Geruch nach Pogrom' in der Luft."

Magazinrundschau vom 21.03.2017 - Fathom

Matthias Küntzel, Spezialist für unterirdische Kontinuitätslinien von Nationalsozialismus zum Islamismus, wirft einen Blick auf die Wochen vor dem Sechstagekrieg, der bald fünfzig Jahre her ist. Gamal Abdel Nasser, schreibt er, machte sich einen populären Antisemitismus der "arabischen Straße" zunutze, der einst auch von den Nazis gezüchtet worden war: "Obwohl Nasser leugnete, selbst ein Antisemit zu sein ('auf persönlicher Ebene war ich nie Antisemit') betonte er die große Bedeutung der 'Protokolle der Weisen von Zion' für das Verständnis der Weltpolitik und behauptete öffentlich, dass 'dreihundert Zionisten das Schicksal des europäischen Kontinents bestimmen': Wer immer an so etwas glaubt, muss auch den Holocaust leugnen. Nasser leugnete ihn direkt ('niemand nimmt die Lüge über die sechs Millionen angeblich ermordeten Juden ernst') und indirekt mit seiner Behauptung, dass 'Ben Gurion so viele Araber tötete wie Hitler Juden'."