Außer Atem: Das Berlinale Blog

Lässt das Moralisieren: Philippe Van Leeuws 'Insyriated' (Panorama)

Von Anja Seeliger
12.02.2017.


Philippe Van Leeuws "Insyriated" ist ein Kammerspiel in Damaskus. Schauplatz ist die Wohnung der Familie Yazan. Nur zweimal wagt sich die Kamera in den Hausflur. Sonst bleibt sie in der Wohnung, deren Vorhänge geschlossen sind.

Hier leben Oum Yazan, ihr Vater, ihr kleiner Sohn und die beiden Töchter im Teenageralter, der Freund der einen ist zu Besuch, das Hausmädchen kann wegen der Bomben nicht nachhause. Über ihnen wohnt noch ein junges Paar mit Baby, das nach Europa fliehen will. Ansonsten ist das Haus leer. Ringsum fallen die Bomben, immer näher kommen die Einschläge, während die Familie auf die Rückkehr von Oums Ehemann wartet. Nachdem  auch der junge Mann von oben gegangen ist, um einen Fluchthelfer zu treffen, sind die Frauen, Alten und Kinder unter sich.

Sie versuchen so gut es geht, Normalität zu wahren. Die Hausgehilfin trägt bei der Arbeit eine tadellos gebügelte weiße Bluse, die Tochter wächst sich trotz der Wasserknappheit die Haare. Doch dann stehen plötzlich zwei Gestalten vor der Tür, die schon den Rest des verlassenen Hauses nach Wertsachen durchkämmt haben. Oum Yazan, gespielt von der großartigen Hiam Abbass, trifft an diesem Tag zwei Entscheidungen: Einmal tut sie etwas, einmal tut sie etwas nicht. Beide Male sind andere das Opfer.

Solche Situationen hat man schon gesehen im Film. Philippe Van Leeuw findet auch keine neuen Einstellungen oder gar eine neue filmische Sprache für diese Situation. Und trotzdem sollte man ihn sich ansehen.

Denn in Zeiten der immer aufgeregteren, oft mit absoluten moralischen Ansprüchen aufgeladenen Debatten um Krieg in Syrien oder in der Ukraine, im Irak oder in Libyen, erinnert einen dieser Film daran, dass es im Krieg keine richtigen Entscheidungen gibt. Auch etwas nicht zu tun, ist eine Entscheidung, die Opfer kostet. Man kann nach diesem Film über viel diskutieren, nur zum Moralisieren hat man überhaupt keine Lust.

Insyriated. Regie: Philippe Van Leeuw. Mit Hiam Abbass, Diamand Abou Abboud, Juliette Navis, Mohsen Abbas u.a. Belgien / Frankreich / Libanon 2017, 85 Minuten (Vorführtermine)