Magazinrundschau

Dichterisch unerschöpflich

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
12.02.2019. Jair Bolsonaro mag genauso unbeherrscht sein wie Donald Trump, hält die LRB fest, aber er ist viel gebildeter. Topic besucht die Cherokee-Indianer in North Carolina, wo es zwei Mal im Jahr Geld regnet. Im New Statesman fürchtet John Gray, dass kein Weg mehr aus der Welt der Massenüberwachung herausführt. Mississippi Today fragt, wie schwarze Frauen in den USA häuslicher Gewalt entkommen können, wenn sie sich nicht an die Polizei wenden. Und Elet es Irodalom verfolgt mit Entsetzen, wie die Agitprop-Konzerne der ungarischen Regierung jetzt selbst konservative Zeitungen kapern.

London Review of Books (UK), 12.02.2019

In einem ausführlichen Report untersucht Perry Anderson die Lage in Brasilien, das Ende der Ära Lula und Dilma, den Zusammenbruch des alten Parteiensystems und die Wahl Jair Bolsonaros. Ist der Mann jetzt ein Faschist? Oder nur ein Populist? Da hält Anderson den Ball flach. Vor allem sei Bolsonaro ein Marktliberaler und ein Mann aus Rio de Janeiro, das politisch lange Zeit stillgelegt war, schreibt Anderson: "Der Vergleich mit Trump, der Bolsonaro als politische Analogie am nächsten kommt, lässt Stärken und Schwächen erkennen. Obwohl er aus viel bescheideneren Verhältnissen stammt, ist Bolsonaro weniger ungebildet. Die Erziehung in einer Militärakademie sorgte dafür, dass ihm Bücher nicht komplett fremd sind. Da ihm seine eigene Begrenzungen bewusst sind, geht ist ihm auch Trumps Egomanie ab. Trumps übersteigertes Selbstvertrauen rührt nicht nur aus dem Aufwachsen in einer Millionärsfamilie, sondern auch von seinen Erfolgen mit der Immobilienspekulation und im Showbusiness. Bolsonaro, der in seinem Leben nie etwas geleitet hat, verfügt über keinerlei derartigen Muskelaufbau. Er ist weniger selbstsicher. Auch wenn er wie Trump zu wütenden Ausbrüchen neigt, gibt er schnell klein bei, wenn die Reaktionen zu negativ werden. In den ersten Wochen seiner Regierung erklang eine Kakophonie divergierender Aussagen, die er entweder zurücknahm oder leugnete. Aber nicht nur in seinem Charakter, sondern auch in den Umständen ist Bolsonaro eine viel brüchigere Figur. Wie Trump wurde auch er quasi über Nacht und gegen jede Erwartung an die Macht katapultiert. Trump wurde mit einem deutlich geringeren Anteil von 46 Prozent gewählt als Bolsonaro, der auf eine Mehrheit von 55 Prozent kam. Aber Trumps glühende Anhänger stehen ideologisch fest hinter ihm, während Bolsonaros Basis größer aber schwächer ist, wie Umfragen nach seinen vielen Politshows nahelegen."

Weiteres: Tony Wood hält den Versuch, Venezuelas Oppositionsführer Juan Guaidó an Stelle des politisch bankrotten Nicolás Maduro ins Amt zu bringen, für total illegitim, von den USA gesteuert und mit Hilfe willfähriger Halbdiktaturen ins Werk gesetzt. Greg Grandin verliert ein paar grundsätzliche Worte zum Thema staatliche Souveränitit in Lateinamerika.

HVG (Ungarn), 30.01.2019

Im Interview mit Réka Szakszon spricht der Dichter und Literaturwissenschaftler Dániel Varró über den persönlichen Bezug seiner Gedichte sowie über die Frage der Auswanderung: "Dichtung ist öffentliches Striptease, was ein Dichter akzeptieren muss. Ich nehme das Material aus meinem Leben, das bedeutet, dass ich über meine Kinder, meine Frau und die schreibe, die mir nahe stehen. Ich weiß, dass ich oft nah an der Grenze herumtanze und ich versuche auszuprobieren, was noch durchgeht und genau aus dem Grunde interessant ist, weil es zu persönlich ist. In der ungewohnten Zurschaustellung gibt es etwas Peinliches, Unangenehmes, was den Gedichten eine zusätzliche Würze verleiht ... Ich habe bisher kaum mehr als paar Monate im Ausland verbracht, doch viele meiner Freunde wohnen und arbeiten in anderen Ländern. Bei ihnen sehe ich, dass die Integration nicht einfach ist, viele von ihnen sind einsam und führen nicht so ein geselliges Leben, wie sie es in Ungarn pflegten. Mich bindet sowohl mein Beruf an Ungarn als auch die ungarische Sprache, der Gegenstand meiner Arbeit, was dichterisch unerschöpflich ist, aber in der Welt nicht wirklich marktrelevant wertvoll."
Archiv: HVG

New Yorker (USA), 25.02.2019

In der neuen Ausgabe des New Yorker erklärt Jeffrey Toobin, was Trumps ehemaliger Spin-Doctor Robert Stone mit der von Sonderermittler Robert Mueller untersuchten Beeinflussung des amerikanischen Wahlkampfes 2016 zu tun hat: "Die Anklageschrift gegen Stone liest sich wie eine schwarze politische Komödie über ein seltsames Aktivisten-Paar, Stone und den rechten Schriftsteller Jerome Corsi, der sich ohne offizielle Verbindungen zur Trump-Kampagne auf eine transatlantische Suche nach Schmutz machte. Die Schrift erhebt keine Anklage gegen Stone wegen Hackings, aber beschuldigt ihn, das Komitee des Geheimdienstes über seine (und Corsis) Anstrengungen belogen zu haben, die gehackten E-Mails von WikiLeaks zu bekommen. Darüber hinaus wird Stone wegen des Versuchs angeklagt, Randy Credico, eine New Yorker Mediengestalt und ein zeitweiliger Freund Stones, dazu zu bewegen, die Arbeit des Komitees zu stören. Der Anklageschrift zufolge schickte Stone Credico bedrohliche E-Mails, darunter eine mit dem Satz 'Bereiten Sie sich auf den Tod vor', gefolgt von einem Schimpfwort, um zu verhindern, dass er sein Wissen preisgibt. Er drohte auch, Credicos Therapiehund, einen Coton de Tulear namens Bianca, zu entführen. Stone hat auf Muellers Anklage mit fiebriger Übertreibung reagiert. 'Wer meint, Muellers Ermittlungen seien bald abgeschlossen, täuscht sich', erklärte er Anfang Februar nach seiner Anklage vor dem Bundesgericht in Washington, DC. 'Das Ganze ist nur ein Vorwand, Trump und Pence zu entfernen und durch 'Leather Face' Nancy Pelosi zu ersetzen. Dann kann sie Hillary Clinton zum VP ernennen, das war von Anfang an der Plan.' Stone schwört, gegen die Anklagen anzugehen. 'Wir werden jedes Beweismittel bekämpfen, jeden Zeugen. Wir werden nichts zugeben.' Corsi wurde nicht angeklagt, aber im Dezember verklagte er seinerseits Mueller auf 350 Millionen Dollar, u. a. wegen illegaler Überwachungsmaßnahmen."

Außerdem: Adam Entous und Ronan Farrow decken Machenschaften eines privaten israelischen Geheimdienst-Organisation Psy-Group im Zusammenhang mit der Beeinflussung der amerikanischen Wahlen auf. Michael Schulman porträtiert die Dramatikerin Heidi Schreck, die die Trump-Ära auf die Bühne bringt. Joan Acocella untersucht Missbrauchsvorwürfe im New York City Ballet. Jill Lepore liest ein Buch über den amerikanischen Sozialisten und Gewerkschafter Eugene V. Debs. Alex Ross hört Barockmusik. Und Anthony Lane stellt den neuen Film von Asghar Farhadi vor, in dem Penelope Cruz und Javier Bardem ein Ex-Liebespaar spielen.
Archiv: New Yorker

Topic (USA), 12.02.2019

Seit Ronald Reagan dem Stamm der Eastern Band of Cherokee Indians (EBCI) Ende der Achtziger gestattete, zwecks privatwirtschaftlicher Selbstbestimmung Spielautomaten und Casinos in North Carolina zu betreiben, expandierte das wenige Jahre später eröffnete Harrah's Cherokee Casino gewaltig. Mitglieder des EBCI erhalten mit Vollendung des 18. Lebensjahres halbjährlich Pro-Kopf-Schecks aus dem Fond, 2018 beliefen sich die Schecks auf mehr als 12.000 Dollar pro Person vor Steuern, erklärt Sheyahshe Littledave. Während einige Jugendliche sparen oder in ihre Ausbildung investieren, verprassen andere das Geld allerdings für Autos, Kleidung und Drogen: "Oft werden Autos am Straßenrand angeboten, in dem Monat, kurz bevor der Scheck rausgeht. Die Verkäufer hoffen, dass jemand, der vorbeikommt, um zur Schule oder zu Arbeit zu fahren, ein Upgrade in Betracht ziehen könnte. Überall an der Qualla-Grenze befinden sich Warnhinweise zu den Ausgaben. Für jene, die anfällig für bestimmte Laster sind, kann das Geld eine harte Herausforderung sein. Chad Feather, 34, erzählt etwa, dass sein Scheck in Höhe von 25.000 Dollar im Jahr 2003 in einer besonders schwierigen Lebensphase kam. Nachdem er zunächst ein Haus und ein Auto kaufte, ging ihm innerhalb von sechs Monaten wegen Drogenproblemen das Geld aus."
Archiv: Topic
Stichwörter: Kleidung

Bloomberg Businessweek (USA), 06.02.2019

Austin Carr untersucht den katastrophalen Deal, auf den sich der Staat Wisconsin unter protziger Federführung Trumps (Arbeit für amerikanische Bürger!) mit der Firma Foxconn einließ, 4,5 Milliarden Dollar an staatlichen Fördergeldern gegen 13000 neue Arbeitsplätze. Nur dass Mexiko für den Hauptanteil an der Produktion verantwortlich ist und die Löhne in Mount Pleasant weit unter dem Versprochenen liegen: "In einem Interview mit Reuters vom 30. Januar sagte der Sonderbeauftragte des Foxconn-Vorsitzenden Terry Gou, Louis Woo, das Unternehmen werde seine Pläne für eine LCD-TV-Fabrik in Mount Pleasant noch einmal überdenken. Man werde den Campus in Wisconsin für Forschungs- und Entwicklungsteams nutzen, mit einem geringeren Schwerpunkt auf der Fertigung … Interviews mit 49 Personen, die mit Foxconns Projekt in Wisconsin vertraut sind, darunter mehr als ein Dutzend aktueller und ehemaliger Mitarbeiter, zeigen, wie hohl die Zusicherungen waren. Während Foxconn seit Monaten alle Anfragen zu Interviews mit Führungskräften ablehnte, schildern Insider eine chaotische Atmosphäre mit ständig wechselnden Zielen, sämtlich weit von denen entfernt, die Trump genannt hatte … Am 18. Januar gab Foxconn bekannt, Ende 2018 in Wisconsin 178 Vollzeitbeschäftigte zu haben, was das Einstellungsziel für das erste Jahr um 82 Prozent verfehlt und die gesamten Steuergutschriften für dieses Jahr kostete. Keine zwei Wochen später kam das Interview mit Reuters, in dem Woo sagte, Foxconn würde den Bau einer LCD-Fabrik dort erneut überdenken, da (welche Überraschung) die Kosten in den USA höher seien als in China oder Mexiko. 'Was die TV-Produktion angeht, haben wir keinen Platz in den USA. Wir können nicht mithalten', sagte Woo … Zur Drucklegung standen auf der Unternehmens-Website gerade mal 122 Stellenanzeigen, viele über fünf Monate alt. Allerdings wahrt Foxconn den Schein. Bei einem Besuch in Mount Pleasant huben Kräne und Bauarbeiter auf schneebedecktem Ackerland geschäftig Erde aus."
Stichwörter: Foxconn, Austin

New Statesman (UK), 12.02.2019

Auch die hässlichen Utopien des technologischen Totalitarismus werden auf dem Müllhaufen der Geschichte landen, raunt ein besonders düster aufgelegter John Gray, doch zu einer Welt ohne Massenüberwachung und Informationskriege führt kein Weg zurück. Die Stimmung hat sich Gray von Shoshana Zuboff verhageln lassen, die in ihrem Buch "The Age of Surveillance Capitalism" die Ideen des Silicon Valley auf den Verhaltensforscher BF Skinner und denInformatiker Alex Pentland zurückführe. Das ei nicht ganz falsch, meint Graym aber sie ignoriere deren französischen und britischen Ursprünge, die Schriften von Auguste Comte und Jeremy Bentham. "Pentland repliziert Comtes Ideen praktisch in jedem Punkt. Skinners radikaler Behaviourismus reproduziert dagegen die Themen von Jeremy Bentham, dem Begründer des Utilitarismus. Beide betrachten Menschen eher als einen Haufen von Empfindungen denn als selbstbestimmte Wesen. Wenn irgendjemand die Vorstellung einer Überwachungsgesellschaft schuf, dann war es Bentham, dessen Panoptikum - das ideale Gefängnis, das seine Insassen permanent unter Überwachung halten sollte - als Prototyp für viele Institutionen dienen sollte, für Arbeitshäuser, Fabriken, Asyle, Krankenhäuser und Schulen... Erstaunlich, wie Benthams Gefängnismodell Skinners Gesellschaftsmodell vorwegnimmt. Wer begreift, dass all dies auf die Ideen von Comte und Bentham zurückgeht, versteht auch die Big-Data-Utopien, die Google und Facebook antreiben. Ihr gemeinsamer Nenner ist der Szientismus der Aufklärung, das Menschen nur als mechanische Systeme kennt, in denen universale und unveränderliche Gesetze herrschen wie in der Physik. Zuboff sieht in der Aufklärung eine Stärkung individueller Autonomie und glaubt, dass der Überwachungskapitalismus das Projekt der Aufklärung und die 'liberalen Ideale von Freiheit und Würde' konterkariere. Aber Comte und Bentham stehen ebenso wie ihre Schüler Skinner und Pentland für eine illiberale Tradition der Aufklärung, derzufolge individuelle Autonomie als obsolete Fiktion verworfen wird. Es komme allein auf das gemeinsame Wohl an und das wird am besten in einer Gesellschaft erreicht, die von einer wissenschaftlichen Elite regiert wird, und diese regelt das Menschsei neu, indem sie alles auslöscht, was an ein autonomes Selbst errinert."
Archiv: New Statesman

Mississippi today (USA), 04.02.2019

Nach Schätzungen der U.S. Centers for Disease Control and Prevention (CDC) wurden im Jahr 2014 vier von zehn schwarzen Frauen Opfer häuslicher Gewalt, zudem stellte das CDC fest, dass afroamerikanische Frauen öfter als jede andere Ethnie ermordet werden - und dennoch werden Missbrauchs- und Gewaltgeschichten schwarzer Frauen seltener publik, schreibt Eric J. Shelton. Eva Jones, Gründerin einer Organisation, die Frauen und Jugendlichen hilft, die Opfer sexueller und häuslicher Gewalt wurden, erklärt ihm: "'Afroamerikanische Frauen haben oft Angst, das Stereotyp des gewalttätigen schwarzen Mannes zu verstärken. Obwohl darüber diskutiert werden kann, glaube ich, dass dies auf die Sklaverei zurückzuführen ist', so Jones. 'Außerdem trauen Afroamerikaner dem (Strafjustiz-)System oft nicht, deshalb schweigen sie lieber, weil sie das Gefühl haben, dass es nicht zu ihren Gunsten funktioniert.' Sie weist auch auf eine wichtige afroamerikanische Kulturnorm hin: 'Es gibt ein Sprichwort in der Gemeinde: Was in diesem Haus passiert, bleibt in diesem Haus' (…) Rev. CJ Rhodes, der Pastor der Mount Helm Baptist Church in Jackson, verweist auf weitere kulturelle Lehren in der schwarzen Gemeinschaft. Zum Beispiel manipulieren Männer manchmal Frauen, die in der Kirche aufgewachsen sind, so weit, dass sie glauben, dass es - egal, welche Probleme es auch gibt - außerhalb der Ehe kein Leben für sie geben wird'. 'In einigen Fällen, bei sehr, sehr religiösen Frauen aus bestimmten kirchlichen Traditionen, kam es auch vor, dass sie, wenn sie dem Pastor oder anderen Kirchenmitgliedern von Eheproblemen erzählten, nur hörten: Baby, nimm es einfach hin. Liebe deinen Ehemann. Bete für deinen Mann und Gott wird es am Ende richten. Tragisch - und leider stirbt sie infolge seiner Gewalt', sagt Rhodes. 'Aus unterschiedlichen Gründen', fügt Rhodes hinzu, 'können Afroamerikaner außerhalb von Glaubenstraditionen keine Hilfe bekommen oder überhaupt nicht darüber reden, also gehen sie nicht zum Therapeuten, sie gehen nicht zum Pastor, bis es zu spät ist. Und dann sagen alle: 'Warum haben sie nicht darüber gesprochen?'"

Wired (USA), 12.02.2019

Wenn das Zeitalter des um Ausgewogenheit bemühten Journalismus zu Ende geht und jetzt sogar die Aushängeschilder smart, social und wirtschaftlich arbeitender Online-Only-Medien wie Huffington Post und Buzzfeed massenhaft Leute entlassen, dann drohe nicht gleich das Ende der Demokratie, schreibt Antonio García Martínez. Diese objektive Periode dürfte in der Geschichte des Journalismus eher eine Ausnahme als ein Regelfall sein. Die Gründerväter der amerikanischen Demokratie jedenfalls hätten reichlich Mühe, den bürgerlich-liberalen Journalismus des späten 20. Jahrhunderts mit ihrer eigenen Vorstellung von Journalismus abzugleichen. "Würde man ihnen allerdings Twitter erklären, die Blogosphere und nachrichtlich angehauchte Parteigänger-Medien wie Daily Kos oder National Review, dann würde sie das sofort wiedererkennen. Ein wiederbelebter Benjamin Franklin hätte keinen Job bei der Washington Post, sondern einen anonymen Twitter-Account mit riesiger Follower-Basis, die er regelmäßig dazu anstacheln würde, politische Gegner zu trollen. Oder er hätte ein parteiisches Vehikel wie Ben Shapiros Daily Wire. Oder er würde gelegentlich eine Kolumne in einem nicht ganz so parteiischen Magazin wie Politico schreiben oder er hätte einen populären Podcast, wo er die politische Lage mit anderen Söhnen der Freiheit aufspießen wäre, so wie das Chapo Trap House oder Pod Save America betreiben. 'Der Journalismus geht vor die Hunde, sagst Du', würde dieser Franklin 2.0 sagen, 'Dem Journalismus geht es absolut prächtig, genau wie zu meiner Zeit.'"

Außerdem: Troy Farah befasst sich mit den Plänen einiger Therapeuten und Wirtschaftsunternehmen, psychedelisch wirkende Pilze zu Therapiezwecken nicht nur zu erforschen, sondern auch legal einsetzen (und verkaufen) zu können. Amanda Chicago Lewis hat sich näher angesehen, wie Start-Ups den florierenden Handel mit legalisiertem Marijuana zu Geld machen. Und Emily Dreyfuss und mit ihr die digitale US-Öffentlichkeit staunt darüber, wie Deutschland Facebooks Werbemodell einen Riegel vorgeschoben hat.

Archiv: Wired

Elet es Irodalom (Ungarn), 08.02.2019

Nach vier regierungskritischen Jahren wurde der Eigentümer der traditionsreichen konservativen Zeitung Magyar Nemzet zur Übergabe des Mediums an die vor kurzem gegründete Medienstiftung gedrängt, in der regierungsnahe Print-, Rundfunk-, sowie Online-Medien zentral koordiniert werden. Die als regierungsnahe Tageszeitung gegründete Magyar Idők wird eingestellt und die Belegschaft wechselt zu Magyar Nemzet. Für Aufsehen sorgte bezüglich dieser Übernahme ein Interview des Vorsitzenden der Medienstiftung, István Varga, der etwas überraschend sagte, dass die Medienorgane der Regierungsseite an der Wahrheitsgestaltung zu arbeiten hätten und dass gute, qualitativ hochwertige und niveauvolle Medien heute regierungskritisch seien. Er selbst liest Élet és Irodalom, Magyar Narancs und HVG. Varga trat am Tag nach der Veröffentlichung des Interviews zurück, mehrere Regierungsvertreter nahmen die Belegschaft diverser regierungsnaher Medien in Schutz. Der Chefredakteur der Wochenzeitschrift Élet és Irodalom, Zoltán Kovács, meint dazu: "Es könnte sogar schmeichelhaft sein, was der Vorsitzender des neugeschaffenen Medienkoloss von sich gab, nämlich, dass die oppositionellen Zeitschriften niveauvoller sind, als die regierungsnahen, doch den eigentlichen Inhalt seiner Aussagen liefert doch die Tatsache, dass er nach der Veröffentlichung seiner Meinung zurücktreten musste. (…) Es gab bis Montag ein niveauloses Agitprop-Organ namens Magyar Idők, was aber auch nicht viel störte. Es war so, wie die Regierung selbst: lautstark und Schund. Die Auflage war so gering, dass manch ein Redakteur einer wettbewerbsfähigen Schülerzeitung erstaunt gewesen wäre. Doch sie es voll mit Anzeigen - was nur zeigt, wie sich Orbán den Wettbewerb vorstellt und wie er diejenigen schätzt, die tatsächlich im Wettbewerb aus eigener Kraft bestehen wollen. Auf diese kaum existierenden Zeitung legen sie die Patina von Magyar Nemzet, was Anbetracht der wendungsreichen, doch alles zusammengenommen progressiven Geschichte der Nemzet grob pietätlos ist (...), woraus aber ersichtlich wird, dass aus diesem Versuch erneut kein Niveau entstehen wird und früher oder später erneut jemand kommen wird, der seine Meinung sagt. Der wird dann anders heißen und er wird auch entlassen werden."

New York Times (USA), 09.02.2019

In einem Beitrag der aktuellen Ausgabe stellt Elisabeth Zerofsky den französischen "Pop-Historiker" Eric Zemmour vor, Zemmour ist Redakteur des Figaro und laut Zerofsky ein Motor des neuen französischen Konservatismus: "Zemmours Kritiker verbinden ihn oft mit dem National Front, aber er ist dem Bonapartismus treu. Seine Nostalgie bezieht sich nicht auf die trentes glorieuses zwischen Mitte der 40er und Mitte der 70er Jahre, als das Wachstum in Frankreich stark und die Zuwanderung begrenzt war, sondern eher auf die frühen 1800er Jahre. Nach Ansicht von Zemmour war Waterloo der Beginn des Niedergangs der Nation, die Niederlage von 1871 besiegelte Frankreichs Schicksal … Zemmours Beliebtheit ist untrennbar mit der Dynamik der französischen Medien verbunden, die sich von aggressiver Rhetorik unter Druck gesetzt sehen, Partei zu ergreifen, auch wenn dies das Misstrauen der Öffentlichkeit erregt. Sie veranstalten regelmäßig Debatten zwischen Zemmour und beispielsweise einem Historiker, der Archivrecherchen betreibt. Der Historiker kann mühelos nachweisen, dass Zemmours Interpretationen unvollständig, irreführend und verzerrt sind, doch wenn es darum geht, auf seine Argumente zu reagieren, insbesondere in Bezug auf die Einwanderung, fangen sie an zu stottern … Zemmour bekam Mitte November neues Futter für seinen Kampf mit 'linken Eliten', als die 'Gelbwesten' gegen die Steuererhöhung für Dieselkraftstoff demonstrierten. Präsident Macron hatte sie im Rahmen der französischen Klimapolitik angekündigt und die urbanen Liberalen damit in eine Zwickmühle manövriert. Normalerweise würden sie eine Bewegung der Arbeiterklasse gegen die Machtmechanismen unterstützen, aber die Gilets Jaunes protestierten auch gegen ein politisches Steckenpferd der Liberalen. Zemmour verpasste nicht die Gelegenheit, diesen Widerspruch zu unterstreichen und seine Gegner aufzuspießen. Er stellte fest, dass die Gilets Jaunes die französische Manifestation eines globalen Phänomens seien. 'Sie haben echte Franzosen, echte Italiener, echte Engländer, echte Amerikaner, die weit von den Zentren des Wohlstands in der Peripherie leben', sagte er in einem Interview für den Nachrichtensender BFMTV. 'Das ist das Herz dieser Debatte. Und im Namen des Umweltbewusstseins, einer Ideologie, die aus den Städten kommt, lassen wir die einzigen Menschen, die ihr Auto wirklich benötigen, für das teuerste Benzin bezahlen.'"

Außerdem: Sarah A. Topol erkundet die Hintergründe der Ermordung des ehemaligen Duma-Abgeordneten Denis Voronenkov, der Putin für die Annexion der Krim kritisierte und 2016 in die Ukraine flüchtete. Teju Cole erkennt die Fotokamera als weiterhin scharfe Waffe des Imperialismus. Und Daniel Duane berichtet von Surferinnen, die für Gleichberechtigung in ihrem Sport kämpfen.
Archiv: New York Times