
Als der Messengerdienst
Telegram vor einigen Jahren öffentlichkeitswirksam an den Start ging, war es dem russischen Gründer
Pavel Durov noch wichtig, einen digitalen Kommunikationsweg anzubieten, der insbesondere den
russischen Behörden nicht zugänglich war. Die gängige Ansicht, dass dieser Dienst per se abhörsicher sei, war zwar immer schon eher ein pr-trächtiger Mythos als realer Fakt. Aber zumindest mit bestimmten Einstellungen sollte der Schutz der Privatsphäre sehr, sehr hoch sein. Dennoch berichten zahlreiche
russische Aktivisten von mehr und mehr Hinweisen darauf, dass Putins Ermittler wohl mitlesen. Ob die Geheimpolizei tatsächlich tief in den Gräten der Software sitzt oder ob sie sich einfach nur Spionagesoftware auf die Telefone der Aktivisten gepackt hat, lässt Irene Suosalo
in ihrer Reportage zwar offen. Aber lesenswert ist sie alleine schon deshalb für das, was sie über den Wandel des Verhältnisses von
Telegram zur russischen Obrigkeit und der Verfilzung damit zu berichten hat: Noch 2018 gab es seitens der Behörden rigorose Blockier-Versuche, weil
Telegram die
Herausgabe privater Daten verweigerte. 2020 aber platzte einen
Milliardendeal, der den Service in
wirtschaftliche Bedrängnis brachte. Nur wenige Wochen später "schlugen zwei Abgeordnete der Pro-Kremlin-Partei im russischen Parlament vor, das
Telegram-Verbot aufzuheben, weil der Dienst ein
wichtiges Kommunikationstool für die Regierung in Zeiten der Krise sein könnte. Durov postete auf
Telegram seine Unterstützung für diesen Antrag, weil die Präsenz seiner Firma in Russland die technologische Innovation des Landes, aber auch die 'nationale Sicherheit' stärken könne. Auch behauptete er, dass sein Team die 'Methoden, um
extremistische Propaganda aufzuspüren und zu entfernen' seit 2018 verbessert habe. ... Namentlich nicht genannte Quellen aus der Regierung erzählten der russischen Nachrichtenagenture Interfax, dass
Telegram zugestimmt hatte, mit den Sicherheitsbehörden in bestimmten Fällen zu kooperieren. ... Einer Quelle aus der Regierung zufolge, die mit dem Deal vertraut ist, war auch die
russische Staatsbank VTB, die mit dem Kremlin eng verbandelt ist, an den Verhandlungen beteiligt. Im Januar 2021 kam ein Bericht heraus, demzufolge
Telegram VTB angeheuert hat, um den Wert der Firma zu schätzen: etwa 124 Milliarden Dollar im Jahr 2022.
Telegram kündigte auch an, dass sie
fünfjährige Anleihen anbieten würden. VTB wäre dabei behilflich, sie an
Investoren zu verkaufen. Im März 2021 hatte
Telegram von diesen Unterstützern
mehr als eine Milliarde eingeholt. ... 'Telegram ist heute
das zentrale Rückgrat für die russische Desinformationsmaschinerie', sagt Jānis Sārts, Leiter des NATO Strategic Communications Centre of Excellence. 'Und es ist auch ihr Werkzeug, um all die Straßenblockaden zu umfahren, die westliche Plattformen errichtet haben.'"