Sergej Markedonow
kommt in seinem Artikel "Krieg der freien Bürger" zu dem Schluss, dass "die
Intellektuellen in großem Maße die Schuld daran tragen, dass die russische Gesellschaft den
Terrorismus nur aus der Entfernung wahrnimmt und dem
Tschetschenien-Konflikt gleichgültig gegenübersteht." Dabei werde insbesondere nach den Selbstmordattentaten in Moskau Anfang Juni eines immer deutlicher: "Ein schwacher Staat ist nicht in der Lage, die Grundrechte und Grundfreiheiten seiner Bürger zu garantieren. (?) Wir müssen endlich einsehen, dass ein
starker Staat und eine
bürgerliche Gesellschaft einander nicht ausschließen." Wahr sei vielmehr, dass "die jedem Demokraten und liberal denkenden Menschen heiligen Begriffe - Freiheit, Eigentum, Rechtsstaatlichkeit - ohne den Staat oder außerhalb des Staates nicht umsetzbar sind."
In der Rubrik "Skandal"
zweifelt die
Literaturnaja Gazeta an der Glaubwürdigkeit des russischen Schriftstellers
Viktor Jerofejew. In einem
Interview mit der
Welt hatte dieser sich in einer Reihe mit
Wladimir Sorokin gestellt, dessen Bücher im Herbst letzten Jahres
verboten worden waren: "Ein Teil dieser Strategie war der öffentlich erhobene Vorwurf, Schriftsteller wie Pelewin, Sorokin und ich würden mit schlechten, unmoralischen,
perversen Büchern die russische Jugend verderben. (?) Das ist ein altes Muster der russischen Politik: Erst wird jemand zum Feind, am besten zum ideologischen Feind erklärt, dann wird der
Unmut des Volkes über die schlechte Lage des Landes auf ihn gelenkt." Im Gegensatz zu Sorokin aber fungiere der "verfolgte" Jerofejew nun als "offizieller Vertreter des Gastlandes" der diesjährigen Frankfurter Buchmesse, und "die
Spesengelder, Tagespauschalen und anderen Auslagen" des "tapferen Oppositionellen" werden "vom russischen Presseministerium erstattet", höhnt die Literaturnaja.
Weitere Artikel: Im Interview
fordert der Verfassungsrechtler
Alexander Jakowlew Nachbesserungen in der
Sozial- und Steuergesetzgebung Russlands: "Der
räuberische Kapitalismus in Russland ist nur möglich, weil es die Alternative einer Beilegung von Vermögensstreitigkeiten im Rahmen eines funktionierenden Staatsapparates nicht gibt." Vor allem "muss im Gesetz verankert sein, dass es rentabler ist,
Geld in Russland anzulegen als im
Ausland." Andernfalls kann es passieren, dass ein Industriemagnat wie
Roman Abramowitsch lieber "einen Londoner Fußballverein
kauft", als das Geld in die heimische Wirtschaft zu investieren. Schließlich
gewährt Nadeschda Gorlowa noch einen Einblick in die
beliebteste Website der Russen. Unter dem russischen Ableger von
livejournal versuchen sich "an die zehntausend russische User" als
Nachwuchs-Dostojewskis und -Tschechows. Das Forum scheinen "vorwiegend russischsprachige User zu nutzen, die das Schicksal ins Ausland verschlagen hat, was einmal mehr beweist, dass 'Sprache Heimat ist'."