Magazinrundschau - Archiv

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22 Presseschau-Absätze - Seite 1 von 3

Magazinrundschau vom 23.06.2003 - Profil

Im neuen profil-Heft äußert sich der Schriftsteller und Verleger Alfred Goubran (Autor des "Pöbelkaiser" und Gründer der Wiener edition selene) über die "Viehauktion zu Clagenfurth", den zum 27. Mal stattfindenden Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb (Tage der deutschsprachigen Literatur, 25.bis 29. Juni.). Verleger Goubran hat unter anderm zwar den Bachmann-Preisträger 2001 Michael Lentz im Programm, sieht aber nur jedes Jahr die sich selbst inszenierende "Literaturbetriebsschickeria auf Urlaub" in die "Kärntner Bonsaikulturlandschaft" an den Wörthersee reisen. Es seien jene, "die von der Vernutzung von Literatur und Autoren existenziell abhängig sind und für die der Autor nur im Kalkül der Profitmaximierung und des gesellschaftlichen Statuserhaltes existiert, für diese Leute ist der Autor Stückvieh. Aber die Vernutzer wie die Vernutzten sind in Ferienlaune. Die Veranstalter betreuen sie wie Animateure. Gemeinsame Abendessen, Bürgermeisterempfang, Fußballspielen. (?) Texte werden besprochen. Immerhin. Ein Nachhall. Von dem, was Literatur sein könnte. Moderatoren halten ihre Gesichter in die Kameras. Journalisten sind interessiert. Auch Verlage. Man isst im Loretto. Uschi Glas wird aus einem der vorbeischaukelnden Boote aus Übermut ins Wasser fallen ?"

Eckhard Henscheid erhält schon zu Lebzeiten eine Gesamtausgabe, die mit zwei Romanen und einem "'Wuchtbrummer' Polemiken stark Karl-Kraus'schen Eingedenkens" gestartet wird. profil hat den "kompetentesten Kenner" des Werks um eine Würdigung gebeten: Eckhard Henscheid selbst, der sich nun in die Rolle des Klassikers gedrängt sieht: "Klassiker: Das bedeutet, zu Recht oder Unrecht und durch unendliche Begriffskonfusionen hindurch, ja nicht allein Denkmal, sondern auch einen starken Hauch Gestorbenheit; Totheit schon zu noch recht kreglen Lebzeiten. Nun, an mir soll?s nicht liegen, ich werde nicht fehlen, durch möglichst vitales Weiterkrähen in allen Medien von der Groupiebetreuung zu schweigen, Elan extrem vital nachzuweisen und ? aber mal ganz seriös: lebende Klassiker - gibt es das überhaupt?" Nein, gibt's nicht.

Magazinrundschau vom 16.06.2003 - Profil

Christoph Schlingensief gibt im Interview zu, dass ihn Theater extrem langweilt; es sei "sehr oft einfach überflüssig und überschätzt". Der Filme- und Theatermacher äußert sich in dem Interview dennoch über seinen Auftrag, in Bayreuth den "Parsifal" zu inszenieren und über Wagners Pyromanie. Dessen Musik sei für ihn eine Kindheitserinnerung, da seine Mutter sie gern daheim gehört habe. Dann habe er einmal gelesen, "dass Wagner in einer Holzhütte Partituren schrieb, diese nur einmal da drin aufführte und dann alles zusammen niederbrannte. Das fand ich wieder richtig gut, so was beflügelt mich." Deutschland sieht Schlingensief, der zur Zeit auf der Biennale in Venedig seine "Church of Fear" präsentiert, in einer "Depressionsschleife": Diese sei "nervtötend und destruktiv. Es ist kaum noch auszuhalten; alles, was sich bewegt, kann eigentlich nur noch erschossen werden, so wird da fast argumentiert", meint Schlingensief.

Unter der Überschrift "Restseller" meldet profil den erneut drohenden Verkauf der österreichischen Verlage Residenz, Deuticke und Brandstätter. Erst im Dezember 2002 hatte die deutsche Verlagsgruppe Klett für 24 Millionen Euro den Österreichischen Bundesverlag (ÖBV), zu dem rund zwanzig Verlage, Buchhandlungen und eine Buchauslieferung gehören, erworben. Das Herzstück ist der profitable österreichische Schulbuchverlag, als Sorgenkinder gelten die Literaturverlage Deuticke, Residenz und Brandstätter, deren Umsätze sich in den letzten fünf Jahren halbiert hätten. Nach nur sechs Monaten stehen sie nun wieder zur Disposition: Ein Verkauf wird nicht mehr ausgeschlossen, wenn die Literaturverlage nicht "eigenhändig in die Kampfzone der Gewinnrechnungen" geführt werden könnten. Viele verlegerische Entscheidungen seien "nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten getroffen" worden, und diese Denkweise müsse sich ändern: "Wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben", gibt Klett-Geschäftsführer Tilmann Michaletz zu Protokoll.

Magazinrundschau vom 02.06.2003 - Profil

In seiner neuesten Ausgabe widmet sich profil der Familiengeschichte österreichischer Politiker - im Speziellen der Sippengeschichte des österreichischen Vizekanzlers Herbert Haupt: Sein Urgroßvater soll jener "ausbeuterische Fabrikant" gewesen sein, der Gerhart Hauptmann zu seinen "Webern" animiert habe. Der erste Satz des Artikels lautet: "Eigentlich hat Herbert Haupt die Fragen schon damals erwartet, als er Sozialminister wurde." Unabhängig davon, dass profil des Naturalisten Vornamen konsequent mit "d" statt mit "t" schreibt, wollen wir der Meldung doch vertrauen. Herbert Haupt selbst ist um Distanz zu seinem Vorfahren bemüht: "Ich hab ja auch einen Ausbeuter in der Familiengeschichte. Aber der ist bei uns immer ein Ausreißer geblieben, und so wird es auch weiterhin sein."

Magazinrundschau vom 19.05.2003 - Profil

Letzte Woche machte profil aufgrund der Subventionskürzungen eine "Ausweitung der Kampfzone" bei den Wiener Festwochen aus und die Kulturschaffenden sahen schwarz (mehr hier) ? Diese Woche erklärt uns die Schriftstellerin Marlene Streeruwitz im Interview, welchen Zweck Kulturförderung für Politiker heute noch hat. Budgets würden oft erst im letzten Augenblick bekannt: "Diese Streichung ist eigentlich die logische Konsequenz einer Kulturförderung als Demütigungsmaschinerie", damit Kulturschaffende immer wissen, dass sie Abhängige sind, erklärt die Streeruwitz.

Zu den Festwochen merkt sie kritisch an, dass diese vor allem auch eine "repräsentative Gelegenheit" seien, "die durch ihre Internationalität und ihre Kosten einem kritischen Zugriff entzogen sind. Altmodische Hochkultur halt. Wenn wir sagen könnten, die Festwochen sind der Ort einer demokratischen Form künstlerischen Forschens auf den Gebieten von Theater, Tanz, neuen Medien und allen Crossovers usw., dann würde man sich für sie einsetzen können. Aus formalen Gründen würde ich mich immer mit ihnen solidarisieren, aber aus inhaltlichen ergibt sich da nichts. Und ich habe es satt, von Intendanten in einem Quasikampf gegen Rechts in Geiselhaft genommen zu werden, während gleichzeitig die Kunst, die diese Intendanten machen, dem Mainstream des Angegriffenen entspricht."

Magazinrundschau vom 12.05.2003 - Profil

Am Wochenende wurden die Wiener Festwochen eröffnet. In seiner neuesten Ausgabe konstatiert profil nun eine Ausweitung der "Kampfzone", denn mit der Streichung der Bundessubvention für die Festwochen sei ein "markantes Signal" gesetzt worden. Die Kulturschaffenden sehen "schwarz" und befürchten, dass bald nur noch das gefördert werde, was genehm sei. Die Subventionskürzung waren im April mitgeteilt worden und Festival-Intendant Luc Bondy donnerte: "Der Hintergrund dieser Entscheidung ist ein politisches Zeichen." Wien habe sich bei den Wahlen schlecht benommen und müsse deshalb bestraft werden, glaubt der Festivaldirektor. Dies könne nur "Zensur" bedeuten ? Tatsächlich wird von Regierungsseite kein Hehl daraus gemacht, dass die rote Bundeshauptstadt zu viel koste: "Der Bund gibt 75 Prozent seiner Kulturausgaben in Wien aus, ohne die Bundestheater sind es immer noch 45 Prozent", heißt es. Die Betroffenen mutmaßen, dass es kein Bekenntnis zur Kulturhauptstadt Wien mehr gebe: "Man erlebe die Provinzialisierung der Bundespolitik." Ein Beleg dafür seien unter anderen die Tiroler Festspiele in Erl: 2002 wurden die Tiroler mit 381.532 Euro bedacht, nachdem Ex-Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer das Festival gelobt hatte. Es gehe um eine "Politik des Verteilens und Herrschens". Bondy hat eine "Repolitisierung" seines Festivals in Aussicht gestellt, und auch anderswo mehren sich die Zeichen des Aufbegehrens gegen eine "nicht transparente, scheinbar richtungslose" Kulturpolitik. Mit Widerstand ist zu rechnen ?

Magazinrundschau vom 05.05.2003 - Profil

Anlässlich seiner Ausstellung "Blut & Honig - Zukunft ist am Balkan" in der Galerie Essl in Klosterneuburg äußert sich im neuen profil-Heft der Ausstellungsmacher und Kurator Harald Szeemann über Kunst aus Südosteuropa, über das alte und das neue Österreich und über die Allgegenwart des Balkans. Szeemann zeigt Arbeiten von 73 KünstlerInnen aus elf Ländern Südosteuropas. Neben bekannten Avantgardekünstlerinnen aus den sechziger Jahren ist auch viel Neues und Unbekanntes zu sehen. Für ihn ist Kunst subversiv, "wenn sie in ihrer Tradition verwurzelt ist, dabei aber die eigenen Tabus angreift". Mit dem Westen kann er dagegen zur Zeit nicht so viel anfangen: "Natürlich gibt es auch hier eine Menge interessanter Künstler. Aber irgendwas ist da verloren gegangen. In den sechziger Jahren haben ein Beuys oder ein Serra wirklich die Regeln verändert. Aber im Moment verändert im Westen ja niemand wirklich etwas."

Magazinrundschau vom 07.04.2003 - Profil

Profil zitiert ausführlich aus einem Essay Adam Michniks im online nicht frei zugänglichen Tages-Anzeiger. Er verteidigt die Position der ehemaligen Dissidenten, die sich in großer Zahl für den Irak-Krieg äußerten: "Wir können die richtigen Schlüsse aus der Lektion ziehen, die uns der 11. September 2001 erteilt hat: So wie der Mord an Giacomo Matteotti die Natur des italienischen Faschismus von Mussolini aufdeckte; so wie die großen Moskauer Prozesse der Welt das Wesen des Stalinismus vor Augen führten; so wie die 'Kristallnacht' die versteckte Wahrheit des Hitler-Nazismus offen legte; so verstand ich, als ich die in sich zusammenstürzenden Türme des World Trade Center sah, dass die Welt im Angesicht einer neuen totalitären Herausforderung stand."

In zwei lesenswerten Interviews äußern sich diese Woche die US-Künstlerin Jenny Holzer und der englische Stardirigent Simon Rattle zur Rolle der Künstler in Zeiten des Krieges.

Jenny Holzer, die ihre Arbeit als offen politisch und persönlich sieht, meint: Die Kunst könne auch auf die neue TV-Propaganda reagieren, das sei aber die Pflicht jedes Bürgers, jeder Bürgerin "Die Kunst kann sich wohl auch dazu berufen fühlen, aber eine besondere Berufspflicht würde ich daraus nicht ableiten." Der Dirigent Simon Rattle äußert sich über seine ersten Salzburger Osterfestspiele und zu Tony Blairs Kriegspolitik: "So viele von uns Briten können einfach nicht verstehen, was passiert und warum es passiert. Eine große Mehrheit ist gegen diesen Krieg. Obwohl die Unterstützung zurzeit größer wird, weil die Menschen spüren, dass unsere Soldaten, die dort draußen ihr Leben riskieren, Unterstützung verdienen. (?) Doch die Chancen, dass dieser Krieg zu einer guten Lösung führen wird, sind minimal." Er habe vor einem Konzert, das am ersten Kriegstag stattfand, zum Publikum gesprochen: "Ich sprach über Joseph Haydn, weil uns Kunst in diesen Zeiten helfen kann. Sie zeigt, dass es andere Lösungen gibt." Aber nicht in der Sinfonie mit dem Paukenschlag!

Magazinrundschau vom 31.03.2003 - Profil

Das neueste Profil-Heft sucht nach Antworten, wie der Krieg im Bild erscheint. Dazu äußern sich die Philosophin Isolde Charim und der Medientheoretiker Boris Groys, der sich in ein Pornokino versetzt fühlt. Isolde Charim sieht sich durch die Bilderflut vom Irak-Krieg in ein medientheoretisches Seminar versetzt: "Wir alle haben die Lektion schnell gelernt: Den Bildern ist nicht zu trauen. Wenn man uns jetzt erzählt, Achtung, die Bilder lügen!, dann kann man abwinken, denn es ist Allgemeingut." Doch "der aktuelle Golfkrieg funktioniert nach einer anderen Logik des Symbolischen... Nicht das Medien-, sondern das Echtzeitereignis ist das Novum. Wesentlich ist jetzt: Hier wird live gekämpft, live gestorben, hier ist man live dabei - an allen Fronten, rund um die Uhr." Und: "Noch nie gab es einen so direkten Zugang zum Krieg - und trotzdem haben wir so wenige gesicherte Informationen."

Der Medientheoretiker Boris Groys ergänzt in einem Interview: "Wir vertrauen der Sprache nicht mehr und wollen, dass unser Wissen durch Bilder verifiziert wird. Der Westen ist christlich geprägt, und das Christentum ist eine Kultur der Bildgläubigkeit. Insofern ist dieser Krieg auch der Versuch, eine bildfeindliche islamische Kultur durch die christliche Bildgläubigkeit zu besiegen und zu besetzen."


Magazinrundschau vom 03.03.2003 - Profil

Profil-Redakteur Stefan Grissemann hat ein sehr ausführliches Gespräch mit Klaus Theweleit geführt. Da geht's unter anderem um "zwiespältigen Anti-Bush-Interventionen von Künstlern und Intellektuellen". Zum politischen Engagement prominenter Kriegsgegner meint Theweleit, dass es entscheidend sei, "von der Interessenverbindung der Medien und jener Leute, die sich da äußern" auszugehen. Es sei so wie in einer Filmkomödie aus den Fünfzigern, in der Jayne Mansfield als Hollywoodstar alle Fragen einfach mit "Ask my agent" beantworte. Stars hörten auf ihre Agenten, die sondierten erst mal die Lage: "Wie passt eine solche Äußerung ins Bild des Stars?" Wenn nicht Bush Präsident wäre, sondern noch Clinton, "bei dessen Inauguration ja die ganze Künstlerblase zugegen war und Beifall geklatscht" habe, so gäbe es die Kritik "in der Form gar nicht". Bei der Jugoslawien-Bombardierung lief es bekanntlich anders. "Mal spricht man also für den Krieg, ein paar Jahre später spricht man gegen den Krieg". Als einen "fundierten Eingriff der Kunst in die Politik" könne man das nicht bewerten.

Des weiteren finden sich ein Gespräch mit dem Architekten Raimund Abraham über das Ground-Zero-Projekt seines Kollegen Daniel Libeskind und dessen "Liebe zum Kitsch"; sowie ein Gespräch mit dem profil-Hauscartoonisten Gerhard Haderer über sein neues Buch "Von Hunderln und Menschen" und seine Abhängigkeit vom Wieder-Kanzler Wolfgang Schüssel, den die profil-Titelgeschichte als einen Kanzler "auf Abruf" sieht.

Magazinrundschau vom 24.02.2003 - Profil

Das neueste profil-Heft widmet sich in seiner Titelgeschichte der Wiederauflage der Schwarz-Blauen-Koalition; aber dazu findet man im Feuilleton leider nichts. Ebenso schweigt der profil-Kulturteil seit Wochen zur Irak-Krise ... Nun denn: Dafür hat profil aber die "Zwei-Prozent-Gesellschaft" entdeckt - und zwar bei einer österreichischen Institution: bei den Wiener Philharmonikern. Vor sechs Jahren war beschlossen worden, Frauen ins Orchester aufzunehmen. Doch von den 149 Planstellen des Orchesters sind nur drei Stellen mit Musikerinnen besetzt, das sind zwei Prozent. "Wir zählen sicher zu den besten Orchestern der Welt", verkündet stolz Philharmoniker-Geschäftsführer Peter Schmidl im profil-Interview, "aber eines wäre auch sehr schön: dass wir mehr geliebt werden, nicht nur geachtet." Es heiße immer nur, "die sind schon gut, aber die wollen ja keine Frauen."
Profil präsentiert eine Statistik der Frauenanteile in Orchestern und dröselt die elendige Frauengeschichte der Philharmoniker auf. Und das "einschlägige Sündenregister" ist lang, trotz der trotzigen Versicherung Schmidls: "Wenn eine Frau besser ist, müssen wir sie engagieren, sonst machen wir uns lächerlich." Den Musikerinnen schlägt unter den Kollegen kaum Begeisterung entgegen: "Drei Frauen sind schon zu viel", sagt ein Streicher. "Wenn wir einmal zwanzig Frauen haben, wird das Orchester ruiniert sein. Wir haben einen großen Fehler gemacht und werden ihn noch bitter bereuen", meint der traditionalistische Hardliner im Orchestergraben. Peter Schmidl meint dagegen, dass "ein Viertel Frauen" in zehn Jahren schön wäre und dass sich das Problem "in zehn Jahren" erledigt haben werde. Dies versprachen die Philharmoniker schon zweimal: 1981 und 1996 ?