Magazinrundschau
Buckelwalisch, Kolibrinisch, Fledermausisch
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
05.09.2023. Wired und der New Yorker hoffen, bald mit Walen klicken zu können. Der Merkur lernt am Beispiel der Bahai, wie man im Iran den sozialen Tod stirbt. New Eastern Europe sucht die Unabhängigkeitsbewegungen in Astrachan. Projekt erzählt, warum in Russland manche Ehen lieber geheim gehalten werden. Die LRB lehnt Kapitalismus auch dann ab, wenn er woke ist. New Lines sieht die FPÖ in Österreich schon den Kanzler stellen. Im New Statesman erklärt Robert D. Kaplan, warum die Sahelzone unsere Zukunft vorwegnimmt.
Wired (USA), 05.09.2023

Hier hören wir das Whup eines Buckelwals. Ob es sich um ein formelles "Guten Tag" oder um ein joviales "Servus" handelt, muss die Wissenschaft noch klären.
mbellalady · Downsweep Whups 76.95.12
New Yorker (USA), 11.09.2023

Sehr viel beängstigender liest sich Dana Goodyears Wissenschaftsreportage über die Möglichkeiten der Genmanipulation durch CRISPR. Als der chinesische Wissenschaftler He Jiankui 2018 als erster die internationale Vereinbarung durchbrach, CRISPR nicht bei Embryonen einzusetzen, war das Entsetzen groß. "CRISPR versprach, die Medizin zu verändern, indem es einen Weg zur Heilung einer genetischen Krankheit durch Editieren der DNA des betroffenen Gewebes bietet. Diese Form des Editierens wird als 'somatisch' bezeichnet; die Veränderungen, die dabei vorgenommen werden, sind auf den einzelnen Patienten beschränkt. Beim Editing eines Embryos hingegen wird die DNA der zukünftigen Eizellen oder Spermien des Embryos - seine Keimbahn" - verändert, was zu Veränderungen führt, die an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden", die dem Probanden schaden und künftige Generationen beeinträchtigen könnten. Deshalb setzte sich unter den Wissenschaftlern ein breiter Konsens durch, vorerst keine vererbbaren Veränderungen am menschlichen Genom vorzunehmen. Doch dieses Einverständnis scheint angesichts der Fortschritte bei CRISPR langsam aufzuweichen, stellt Goodyear fest. Es gibt wirklich grauenvolle Erbkrankheiten, die man einfach nur ausgerottet wünscht, wie man am Ende der Reportage lesen kann, in dem Goodyear von einer Familie erzählt, deren Tochter am Batten-Syndrom leidet. Aber es bleiben eben auch die Risiken: "Eine große Sorge ist, dass sich die CRISPR-Schere nicht vorhersehbar verhält: Wie die Besen in 'Der Zauberlehrling' schneidet sie manchmal das Zielgen und schneidet dann immer weiter, was zu 'Off-Target'-Mutationen führt. Selbst die 'zielgerichteten' Schnitte können negative Folgen haben; das Ausschalten eines Gens kann ein Gesundheitsproblem lösen, aber ein anderes verursachen. (...) In einem Positionspapier aus dem Jahr 2015 mit dem unverblümten Titel 'Don't Edit the Human Germline' argumentierte eine Gruppe von Wissenschaftlern, dass die Kontroverse über das Editing menschlicher Embryonen die Aussichten auf somatisches Editing gefährden würde, das das Leben von Millionen von Menschen retten könnte, die bereits leben und leiden. ... Die Autoren fügten hinzu, dass es ein Leichtes sei, vererbbares Editing für 'nicht-therapeutische Veränderungen' zu nutzen. Fyodor Urnov, einer der Autoren, sagte: 'Ich nenne Ihnen jetzt drei Anwendungsszenarien, vor denen wir große Angst haben sollten. Befürchtung Nummer eins: die Bewaffnung des Militärs. Wir wissen, wie man einen Menschen herstellt, der mit vier Stunden Schlaf auskommt - ich kann Ihnen sagen, welche Mutation wir vornehmen müssen. Zweitens: Wir wissen, welches Gen wir verändern müssen, um das Schmerzempfinden zu verringern. Wenn ich ein Schurkenstaat wäre, der eine nächste Generation von quasi schmerzfreien Soldaten der Spezialeinheiten herstellen will, weiß ich genau, was zu tun ist. Es ist alles veröffentlicht. Und drittens: Körperliche Stärke. Man braucht keine große Laboroperation. Man braucht nur den bösen Willen.'"
Weitere Artikel: Jackson Arn stellt anlässlich seiner ersten Retrospektive in Bostons Museum of Fine Arts den Maler Matthew Wong vor. Alex Ross erlebt eine neue Lisztomanie. Und James Wood empfiehlt Clare Carlisles "eloquente und originelle" Eliot-Biografie "The Marriage Question: George Eliot's Double Life".
Meduza (Lettland), 31.08.2023

Merkur (Deutschland), 04.09.2023

HVG (Ungarn), 31.08.2023

New Eastern Europe (Polen), 04.09.2023

Guardian (UK), 29.08.2023

Projekt (Russland), 21.08.2023

London Review of Books (UK), 07.09.2023

Weiteres: Geoff Mann übt sich angesichts des Klimawandels im Katastrophendenken. Colm Toibin meditiert über James Joyces Irrtümer. Und Liam Shaw stellt uns Pflanzendetektive vor.
Geschichte der Gegenwart (Schweiz), 02.09.2023

New Lines Magazine (USA), 31.08.2023

Elet es Irodalom (Ungarn), 01.09.2023

Tablet (USA), 30.08.2023

New Statesman (UK), 04.09.2023

Robert D. Kaplan wusste es schon vor 30 Jahren, als er über das ausgetrocknete Mali flog: "Die am meisten benachteiligten Länder Westafrikas waren ein Mikrokosmos, wenn auch in übertriebener Form, für die Unruhen, die uns rund um den Globus erwarten würden. Von Afrika können wir sicherlich etwas lernen", erinnert er uns im New Statesman. Überbevölkerung, Dürre, ethnische Konflikte, Korruption und Kriege werden einen gewaltigen Migrationsdruck auf Europa schaffen, das an diesen Entwicklungen nicht gerade unschuldig ist, warnt Kaplan. Was könnte die Lösung sein? Mehr Demokratie? So einfach ist es nicht, zuallererst sollte man genau hingucken, empfiehlt er: "Um diese Welt zu begreifen, ist es wichtiger, sich mit den Realitäten vor Ort zu befassen als mit politikwissenschaftlichen Abstraktionen. … Im Jahr 2006 machte ich mit Spezialkräften der US-Armee in Mali eine extreme Erfahrung. Dort erfuhr ich, dass die Stadt Timbuktu mit ihren Lehmziegelhäusern und gelegentlichen Satellitenschüsseln nicht, wie das Klischee besagt, das Ende der Welt ist, sondern ein Teil der modernen Welt, die ich hinter mir ließ, als ich tiefer und nördlicher in die Sahara vordrang. Ich war auf dem Weg nach Araouane, einem Ort mit wenigen Brunnen oder Einwohnern, der dennoch auf einer Landkarte verzeichnet war, als wäre er Cleveland. Aber niemand in Timbuktu, geschweige denn in der weit im Süden und Westen gelegenen Hauptstadt Bamako, hatte eine Ahnung, ob in Araouane noch Menschen lebten und wie es um ihre Sicherheit und Gesundheit bestellt war. Die Green Berets mussten das herausfinden, indem sie sich tatsächlich dorthin begaben. Sie rechneten damit, dass sie von Timbuktu aus vier Stunden bis nach Araouane brauchen würden. Wegen platter Reifen, überhitzter Autobatterien und wiederholtem Steckenbleiben im Sand dauerte es 11 Stunden. Araouane war ein Trümmerhaufen, in dem nur noch Frauen, Kinder und alte Menschen lebten, während die Männer auf den Karawanenrouten Banditentum und Handel betrieben. Mit der Einführung der Demokratie in Mali wurden die Politiker unter Druck gesetzt, die gesamten Hilfsgelder im bevölkerungsreichen Süden, in der Nähe der Hauptstadt Bamako auszugeben, wo die Wähler ihre Stimme abgaben. Dies war nur eine Art, wie Demokratie die unmöglichen Grenzen Malis noch unwirklicher machte. Die Situation in diesen Wüstengebieten hat sich seit meinem Besuch durch den Zustrom radikaler islamistischer Gruppen in gewisser Weise verschlimmert. Als die französischen Kolonialherren im 19. und frühen 20. Jahrhundert diese Grenzen zogen, platzierten sie die Hauptstädte so weit südlich und so nah an der Savanne wie möglich - zum Teil, damit die Städte lediglich eine nördliche Verlängerung der westafrikanischen Küste darstellen, wo sich die Kolonialtruppen meist aufhielten. Die Hauptstädte und die in ihrer Nähe lebenden Menschen sind eigentlich Teil der Sahelzone, einer ökologischen Übergangszone zwischen Wüste und Grasland. Doch aufgrund der vom Imperialismus gezeichneten Landkarte sind die Regierungen von Niger und Mali auf die Zuständigkeit für riesige Wüstengebiete angewiesen, die sich über die Sahara erstrecken und den größten Teil ihres Rechtsgebiets ausmachen. Niger ist so groß und leer, dass die libysche Grenze im Nordosten von der Hauptstadt Niamey weiter entfernt ist als die Großen Seen Nordamerikas vom Golf von Mexiko."
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