Außer Atem: Das Berlinale Blog

Füllhorn blühenden Blödsinns: Lee Tamahoris 'The Devil's Double'

Von Thomas Groh
11.02.2011.


Lee Tamahori
ist vielleicht am ehesten das, was man in der Filmbranche einen "Hack" nennt: Einer, den man für alles irgendwie einsetzen kann, dabei nie richtig gut, dann und wann aber richtig schlecht ist. Den sehr sonderbaren James-Bond-Film "Die Another Day" durfte er damals drehen (Madonna steuerte den ebenfalls sonderbaren Titelsong bei) und die recht bizarre Philip-Dick-Verfilmung "Next" (hier unsere Kritik). Vorsichtig gesagt: Lee Tamahori neigt dazu, seinen Stoff auf merkwürdige Weise in die Binsen gehen zu lassen. Dass Madonna einen Titelsong zu seinem neuesten Werk beisteuern würde, stand, auch vorsichtig gesagt, nicht zu erwarten: Mit dem Soundtrack zu einem Quasi-Historienfilm um den Doppelgänger eines vom schillernden Wahnsinn geküssten Sohns von Saddam Hussein, der 1987 sehr unfreiwillig in diesen mit einigen Unappetitlichkeiten verbundenen Dienst gerät, schmückt sich kein Popstar der Welt sehr gerne.

Es mag aber auch damit zusammenhängen, dass einem bei einem solchen Stoff in den Händen eines ausgewiesenen Meisters filmischer Bizarrerien von vorherein das Fürchten kommt. So ist "The Devil's Double" denn auch ein Füllhorn blühenden Blödsinns. Anfangs wittert man ambitioniertes Dramakino mit einigem welthistorischen Gewicht auf den Schultern, doch kippt dies, nach einigen spektakulären Griffen in die falschen Tonregister, in eine Form historisch verbrämten Gaga-Surrealismus um, der sich schon auch wegen seiner zahlreichen genüsslich in Szene gesetzten Gewaltspitzen alsbald in die Nähe der desolatesten Filmkonzeptionen stellt: Das riecht alles streng nach Exploitationkino vergangener Dekaden, das dereinst Themen von aktuellem Interesse mit depravierten Gewaltmomenten und viel nackter Haut gewinnbringend kreuzte.



Für den Wahnsinn und die Gewalt sorgt Husseins Sohn Udai (Dominic Cooper), die nackte Haut steuert Ludivine Sagnier als dessen wahlweise rot-, blond- oder pinkperückte Edelmätresse bei. Ob Sagnier, im französischen Arthauskino groß geworden, hier einen Karriereknick entweder zu überbrücken versucht oder sich gerade ins Karriereaus zu manövrieren droht, bleibt ungewiss. Als eine Art völlig durchgeknallter Freddie Mercury mit Hang zum Genozid kokst, tanzt, fickt, foltert, schießt, mordet sich Udai hier einmal quer durchs Land oder bejubelt sich selbst als Kriegsheld, wenn sein mit allerdings viel Herzensgüte ausgestatter Doppelgänger Latif (ebenfalls Dominic Cooper) mit perfekt simuliertem beknacktem Hamstergrinsen mit Soldaten posiert. Dass er seinen Doppelgänger am liebsten ficken würde, gibt der Film - wie auch einige andere sexuelle Devianzen - mehr als nur latent zu verstehen.



Der große Diktatorsohn also, nur ist Tamahori kein Chaplin. Schon gar nicht, wenn er seinen Film aus heiterem Himmel zum Assassinenmelodram erklärt, Mätresse samt liebgewonnenem Latif in die Sonne und durch's wilde Kurdistan reiten lässt und am Ende ganz tief in den Zauberhut greift, um seinen Film mit Ach und Krach so irgenwie zu beschließen.

"The Devil's Double" jedenfalls ist ein Film, der sein Publikum verprügelt und verhaut wie sonst nur der blöd dauergrinsende Udai auf der Leinwand, ein bizarres Movie, das in jeder Sekunde mit schwindeln machendem Karacho gegen die Wand fährt. Von einer Beobachterwarte zweiter Ordnung aus kann man dabei unbestritten seinen Spaß haben - nur Geld sollte man vorher möglichst keins bezahlt haben.

"The Devil's Double". Regie: Lee Tamahori. Darsteller: Dominic Cooper, Ludivine Sagnier u.a., Belgien 2010, 108 Minuten (Panorama, Vorführtermine)