Außer Atem: Das Berlinale Blog

Solo für Greta: Noah Baumbachs 'Frances Ha' (Forum)

Von Thekla Dannenberg
15.02.2013. Eher Screwball statt Sitcom: Der athletische Körper der Greta Gerwig in einem schwarzweißen New-York-Film von Noah Baumbach - Frances Ha.


Greta Gerwig macht mit ihrem Körper, was kaum eine Schauspielerin tun würde, die auf Anmut, Eleganz oder Sexappeal wert legt: Sie verdreht, verbiegt und verschraubt ihn. Sie zeigt ihre kräftigen Arme und ihre großen, ulkigen Füße, tanzt auf der Bühne und am Washington Square. Sie läuft x-beinig wie ein Basketballer, sitzt mit krummem Rücken am Tisch, macht Kopfstand und rennt durch die Straßen von Brooklyn. Wenn die U-Bahn mal wieder nicht kommt, pinkelt sie schon mal, an der Bahnsteigkante hockend, auf die Gleise des F Trains. Dieser athletische Körper hat Kraft, Seele - und Witz.

Noah Baumbach hat seinen Film "Frances Ha" ganz auf Independent-Ikone Gerwig und ihren Körper zugeschnitten. Er sitzt wie angegossen. Frances, 27, ist Tänzerin und auf der Suche nach einem Engagement bei einer Tanzkompagnie. Dass ihr Freund sich gerade von ihr getrennt hat, ist ihr nur Recht, so alt, um mit ihm und den zwei haarlosen Katzen zu leben, ist sie noch nicht. Zusammenziehen? - Schüttel! Schwerer wiegt, dass ihre Mitbewohnerin und beste Freundin Sophie ausziehen möchte. Sie, mit der sie eben noch in einem Bett liegen durfte, wenn sie ihre Socken auszog, ist jetzt Lektorin bei Random House, kann sich eine Wohnung in Tribeca leisten und erwägt ernsthaft, sich mit dem biederen Freund zu verloben.

Fortan sucht Frances die richtige Wohnung und ihren Platz auf der Bühne des Lebens. Zusammen mit einem Bildhauer, der Tag und Nacht einen Belmondo-Hut trägt, und einem Sketch-Schreiber, der französische Filme im Original versteht, lebt sie in den Tag und durch die Nacht. Aber als ihr Engagement platzt und sie die Miete nicht zahlen kann, werfen ihre Hipster-Freunde aus reichem Elternhaus sie ziemlich schnell wieder hinaus. New York ist schließlich nicht Berlin. Und das Leben kein Nouvelle-Vague-Film.



Es ist eher Screwball-Comedy oder Sitcom. Und deswegen scheknt Regisseur Baumbach seiner unerschütterlichen Heldin wunderbare Momente jugendlichen Reinfalls. Hübsch böse und sehr Woody-Allen-haft ein Essen auf der Upper West Side bei Freunden ihrer Tanzkollegin. Alle sind arriviert, die ersten haben Kinder und es in der Bank zu was gebracht, in der Anwaltskanzlei oder beim Journal. Hast Du auch Freunde in Paris? Hm, eigentlich nicht mal mehr in New York. In ihrem trübsten Moment muss Frances sogar zurück nach Poughkeepsie und an ihrem alten College kellnern. Aber schlimme Erfahrungen machen kompromissbereit, mit 27 steht einem das Leben nicht mehr offen wie mit 19. Und Frances mag Dinge, die aussehen wie ein Fehler. Am Ende dieses gutgelaunten Films wird sie ihr Leben choreografiert bekommen.

Thekla Dannenberg

"Frances Ha". Regie: Noah Baumbach. Mit Greta Gerwig, Mickey Sumner, Adam Driver. USA 2012, 86 Minuten (alle Vorführtermine)