Außer Atem: Das Berlinale Blog

Die Mechanik der Frustrationskompensation: Josef Hader als 'Wilde Maus' im Wettbewerb

Von Thomas Groh
12.02.2017. Wegen Sparmaßnahmen setzt eine Zeitung ihren Musikkritiker auf die Straße. Der sinnt fortan auf Rache. Lustspiel mit dem beliebten österreichischen Kabarettisten Josef Hader.


Josef Hader war Simon Brenner in den Filmen von Wolfgang Murnberger, jetzt ist Josef Hader der Musikkritiker Georg im Feuilleton einer Wiener Zeitung in einem Film von Josef Hader. Oder genauer: Musikkritiker ist er gerade so noch für eine "Walk and Talk"-Eingangssequenz, die ihn - diplomatisch ausgedrückt - als aus der Zeit gefallene, realistisch betrachtet allerdings als klägliche Figur einführt. Immer wenn im Fußball ein Tor fällt, erklärt ihm da die Kollegin aus der Kultur (Nora von Waldstätten), dann singen die Fans im Stadion dieses Stück von Jack White, das ja eigentlich Bruckner sei, und das sei doch genial, dass da etwas aus dem einen Kontext gerissen und in einen neuen gestellt werde und dort immer noch, aber anders funktioniere. Für Georg freilich ist Jack White nicht etwa der Gitarrist der White Stripes, sondern der Schlagerdepp aus den 70ern. Was soll daran denn bitte gut sein, wenn ein Schlagerdepp den Bruckner verwurstet und die Deppen im Stadion singen das dann nach? Okay, einen Schnitt später sitzt Georg dann auch vor den Toren der Redaktion. Sparmaßnahmen, sagt der deutsche Sparmaßnahmentyp (Jörg Hartmann), dem Georg in einer Abfolge von Eskalationen fortan auflauern wird - vom Kratzer im Autolack bis zur Pistole auf der Brust.



Georg kann nicht mehr. Zumindest seine Frau Johanna (Pia Hierzegger), 43, Paartherapeutin, auf dem Auge für die eigene Beziehung aber so blind wie Georg, seine Frau Johanna jedenfalls wird nicht schwanger, obwohl es bei ihr angeblich noch ginge, wie sie sagt, da es der Arzt gesagt hat. Georg kann ihr auch nicht erzählen, dass er seinen Job verloren hat. Deswegen hängt er rum, auf dem Prater, macht dort die Bekanntschaft mit dem Halodri Erich, gespielt von Georg Friedrich, den man für die Friedrich-Nummer bekanntlich nur vor die Kamera stellen muss, hier aber bereits erste Abnutzungen zeigt. Es beginnt: Eine Mechanik der Frustration und der Frustrationskompensation, die Georg mitunter zur Polizei (der Sachbearbeiter dort ist allerdings Fan), schlussendlich aber in die Alpen treibt, nackt, in den Schnee, Jack Daniel's, Schlaftabletten, cleaner Cut. Was insgesamt natürlich noch nicht das Ende ist.



Hader, Brenner, Georg, Hader. Böse könnte man sagen: Die ausgebrannte Figur ist dem österreichischen Schauspieler ein bisschen zur Marotte geworden. So richtig in den Griff kriegt er sein Regiedebüt allerdings nicht. Figuren wie die von Nora von Waldstätten sind erst da, dann sind sie weg, Georg Friedrich darf ein Auto spendieren, ist dann auch weg. Im Hintergrund rauschen Nachrichten durch: Flüchtlingskrise, Amoklauf, Islam, Syrien (fast so, als schimmere hier das Selbstverständnis der Berlinale durch die Luke rein). Alles wichtig, aber die Mittelschicht nimmt kaum Notiz davon. Man merkt wohl, wo das alles herkommt, wo es hinwill: Die große nervöse Lebenskrisenkomödie, wie sie im europäischen Kino mal gängig war, in Italien noch mit erotischer Kante, die Hader beim quasi nackenden Run durch den Wald im Schnee - Tusch! - nicht direkt hinbekommt, auf die er auch gar nicht zielt. Sei's drum, ein paar nette witzige Szenen sind ja dabei. Ein Film, der ein bisschen nett Spaß macht für zwischendurch - wir warten auf den nächsten Brenner-Film. Moderater Applaus in der Pressevorführung.

Wilde Maus, Österreich 2017. Regie/Buch: Josef Hader. Kamera: Xiaosu Han, Andreas Thalhammer. Mit: Josef Hader, Pia Hierzegger, Georg Friedrich, Jörg Hartmann, Denis Moschitto u.a. 103 Minuten. (Alle Termine)