Außer Atem: Das Berlinale Blog

Schillert in allen Farben: Sabus 'Mr. Long' (Wettbewerb)

Von Thekla Dannenberg
14.02.2017. Der japanische Regisseur Sabu, eigentlich Hiroyuki Tanaka, erzählt in "Mr. Long" ein Gangster-Drama in fünf Akten. Während Long die Tage zählt, um von Yokohama das Schiff zurück nach Taiwan zu nehmen, muss Lily fürchten, dass der Dealer wieder auftaucht, der sie überhaupt erst angefixt hatte...


"Mr. Long" erzählt die gute alte Geschichte des Gangsters, der aussteigen will. Long ist Auftragskiller in Taiwan, er tötet mit seinem Messer, nicht mit einer Pistole, und die paar Sätze, die wir von ihm zu hören bekommen werden in dem zweistündigen Film, kann man an einer Hand abzählen. Seinem Appeal tut das keinem Abbruch, dafür sorgt der hochkonzentrierte Chen Chang. Dafür schillert Kaohsiung wie nur Städte in asiatischen Genre-Filmen schillern können: hochauflösend und scharf geschnitten. In allen Farben strahlen die Leuchtreklamen der Malls und Einkaufspalästen, aus ihnen ragen die Tempel mit ihren Lampionfassaden empor, in deren Hinterzimmern treffen sich die Triaden. Die tätowierten Körper dieser modernen Leibeigenen sind ähnlich bunt wie die Fassaden der Stadt mit ihren Leuchtreklamen, nur nicht so strahlend und natürlich viel furchteinflößender.

Long wird für einen Auftrag nach Japan geschickt, der Job geht schief, er muss fliehen und sich verstecken. Mit einem kompletten Registerwechsel erwacht Long schwer verletzt und halb verdurstet in einer verlassenen Barackensiedlung auf. Ein kleiner Junge bringt ihm erst Wasser, dann Verbandszeug. Die Mutter des Kleinen ist ein Junkie, auch diese beiden verlorenen Seelen hausen in der Siedlung. Long bringt sie auf Entzug, beginnt für sie zu sorgen, und er kocht für sie, erst einfachste Gerichte, dann immer delikatere Nudelsuppen. Und auf einmal taucht noch eine Schauspielgruppe auf, schließt den Killer in ihr Herz und beschert ihm unerwartete Freundlichkeiten: "Warum geschieht das alles?, fragt er den Jungen. "Weil Du cool bist und nichts sagst", antwortet er. Die Leute sind ihm dankbar.



Der japanische Regisseur Sabu, eigentlich Hiroyuki Tanaka, erzählt in "Mr. Long" ein Gangster-Drama in fünf Akten. Während Long die Tage zählt, um von Yokohama das Schiff zurück nach Taiwan zu nehmen, muss Lily fürchten, dass der Dealer wieder auftaucht, der sie überhaupt erst angefixt hatte. Mit jedem Akt wechseln auch Charakter, Sound und Farbgebung des Films. Kenner japanischer Erzähltraditionen werden darin vielleicht eine Variante des Kabuki- oder des No-Theater ausmachen können. Aber man kann "Mister Long" auch einfach als einen wahnsinnig gekonnt in Szene gesetzten Eastern nehmen, der nicht nur ohne Worte auskommt, sondern auch fast ohne Bewegung, dabei jedoch alle Register zieht: Hyperrealistisch, dramatisch, natürlich extrem blutig, aber auch komödiantisch und, ja, gefühlvoll.

"Mr. Long". Regie: Sabu. Mit Chen Chang, Yiti Yao, Runyin Bai und anderen. Japan/Hongkong/Taiwan/Deutschland 2017, 129 Minuten. (Vorführtermine)