Außer Atem: Das Berlinale Blog

Auftakt der Berlinale mit Wes Anderson - Pressesspiegel

Von Thomas Groh
16.02.2018. Die Spiele sind eröffnet: Die Kritiker jubeln - mit wenigen Ausnahmen - über Wes Andersons Animationsfilm "Isle of Dogs".

Das Festival kommt auf den Hund: Auftakt mit "Isle of Dogs" (Bild: 20th Century Fox)

Wes Anderson
ist nicht nur Berlinale-Dauergast, sondern auch bestens als Eröffnungsfilm-Spender erprobt: So durfte er gestern Abend mit "Isle of Dogs" auch in diesem Jahr wieder das Festival eröffnen - und die Kritikerherzen fliegen ihm in Scharen zu. Nach "Fantastic Mr. Fox" hat der Regisseur mit "Isle of Dogs" (was sich, schnell ausgesprochen, wie "I Love Dogs" anhört) aufs Neue einen Stop-Motion-Animationsfilm gedreht: In einem fiktiven Japan der Zukunft wird politischer Hass gegen Hunde lanciert, die auf eine Insel deportiert und dort schlussendlich getötet werden sollen - doch eine Gruppe Hunde nimmt auf der Insel ihr Schicksal in die eigene Hand. Von einem entsprechend dunkleren Unterton in Andersons Film berichtet Thekla Dannenberg im Perlentaucher: Dieser Film "ist politischer, düsterer, sein Humor grimmiger, die Welt dystopischer" als dies in den Zuckertorten-Filmen des Regisseur bis dahin der Fall war.


Hunde in trister Ödnis: Wes Andersons "Isle of Dogs" (Bild: 20th Century Fox)

Schlichtweg begeistert ist taz-Kritiker Tim Caspar Boehme von der "Ausstattung und Detailarbeit des Films. Man sieht nur zu gern in diese künstlichen Hundeaugen, folgt ihnen durch Ödnisse, die trist und trotzdem aufregend fremd sind. Hinzu kommen Einfälle wie die Darstellung von Kamerabildern als Zeichentrickfilmsequenzen oder der sorgsame Soundtrack von Alexandre Desplat, in dem gern wuchtige japanische Taiko-Trommeln von Unheil künden."

Auch Andreas Busche vom Tagesspiegel ist, allerdings mit Abstrichen, hingerissen: "Der naive Stil der Kulissen ist japanischen Holzschnitten aus dem 19. Jahrhundert nachempfunden, die Stop-Motion-Technik schlägt den Bogen vom digitalen zum analogen Kino. Kurosawas Samurai-Epen werden genauso zitiert wie Ozus Familiendramen. Würde man Anderson Böses wollen, könnte man auch von kultureller Aneignung sprechen. Glücklicherweise besitzt Andersons Film als Miniatur eines Gesellschaftsentwurfs einen gewinnenden Charme."



Einen Charme, mit dem er Kinozeit-Kritikerin Beatrice Behn allerdings nicht gewinnen konnte: Sie wirft dem Film einen Mangel an Frauenrollen vor, hält den Vorwurf der kulturellen Aneignung für evident und stutzt schließlich darüber, wie der Film Holocaust-Ikonografie aufgreift, wenn für die Hunde ein Internierungslager gebaut wird: Hier werden "mit politischen Ideen und historisch verbürgten Traumata und Massenmorden kokettiert, ohne ihnen wirklich Raum und Tiefe einzuräumen oder mit ihnen irgendetwas anderes anzufangen, als sie zu einem der fünf Akte der Erzählung zu machen. Und dies, um es noch schlimmer zu machen, ebenfalls mit der klassischen schrullig-süßen Anderson-Ästhetik, die das Ganze so schrecklich zynisch werden lässt, dass einem die Spucke wegbleibt." Die Pressekonferenz zum Film, zu der neben Wes Anderson auch Jason Schwartzman, Roman Coppola, Bob Balaban, Bill Murray, Greta Gerwig, Bryan Cranston, Wes Anderson, Koyu Rankin, Liev Schreiber, Jeff Goldblum und Kunichi Nomura gekommen sind, gibt es hier als Videoaufnahme.


Mit Empfehlung der FAZ: "Der Himmel auf Erden" in der Retro (Bild: Deutsche Kinemathek)

Andreas Kilb führt in der FAZ durch die Retrospektive, die sich mit dem Kino der Weimarer Republik befasst. Als deren "schönsten Film" hat er Reinhold Schünzels "Der Himmel auf Erden" (1927) identifiziert: Er vereint "in sich alle Tugenden des Weimarer Kinos: die visuelle Verspieltheit, die dramaturgische Schärfe, die szenische Zuspitzung, die schauspielerische Brillanz."

Weitere Artikel: Auf ZeitOnline rettet Wenke Husmann die Ehre Dieter Kosslicks als umstrittener Festival-Intendant: Die Probleme der Berlinale hätten "strukturelle" Gründe, meint sie - etwa der Termin im Februar, der früher taktisch klug lag, heutzutage fürs Programm schwierig sei, für den Filmmarkt aber lukrativ. In der taz empfiehlt Detlef Kuhlbrodt die in den 70ern entstandenen japanischen Softpornos von Keiko Sato, die das Forum als Sondervorführung zeigt. Im Deutschlandfunk Kultur erklärt Sektionschef Christoph Terhechte, was es mit diesen Filmen auf sich hat. Christiane Peitz wirft für den Tagesspiegel einen Blick auf die Berlinale-Filme, die sich mit der jüngeren Geschichte befassen. Im Tagesspiegel plaudert Andreas Busche mit Willem Dafoe, dem die diesjährige Hommage gewidmet ist. Über die Filme des auf diese Weise geehrten Schauspielers schreibt Michael Meyns in der taz. Gunda Bartels gibt im Tagesspiegel einen Überblick über die Filme der Perspektive Deutsches Kino. Barbara Wetzel stellt in der Berliner Zeitung Jugendfilme vor.

Aus dem Forum besprochen werden Guy Maddins "The Green Fog" (taz) und  Yoko Yamanakas "Amiko" (taz). Und die Kritiker von Cargo schreiben wieder SMS vom Festival.